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dérive 35
Stadt und Comic
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zur Zeitschrift: dérive
Herausgeber:in: Christoph Laimer

Die illustrative Urbanisierung der Kinderliteratur

„Lausch den Geräuschen der Stadt. Hör meine Lieder der Straßen.“ Carrer & Shapiro 1998

27. März 2009 - Ines Wagner
Was dem Kind im frühen 19. Jahrhundert widerfuhr, hatte grundsätzlich immer eine primär belehrende Funktion. Auch die Darstellung der Stadt als komplexes, stilprägendes Phänomen in den frühen Werken der Kinder- und Jugendliteratur verschrieb sich ganz dem Ziel, Besserungs- und Erziehungsmaßnahmen anzubieten. Trotzdem mag es wohl so gewesen sein, dass „auch die kinderliterarische Stadtbelehrung […] mit dem Schockartigen des Reizes, des Neuen, des Sensationellen [arbeitet]“ (Pech 1995). Durch den massiven Prozess der Verstädterung um 1900 ist die Diskrepanz zwischen der Lebensrealität des kindlichen Lesepublikums und den literarischen Handlungsräumen augenscheinlich eklatant. Neben literarischen Streifzügen durch die Großstadt als kindlicher Raum (Gansberg 1905) entstehen zu dieser Zeit auch einige wenige Werke, die die Stadt als mitwirkendes, handlungsweisendes Element erkennen und eine gleichzeitige Entfernung von der Reduktion der Stadt auf ein begrenztes Vorkommen als Kulissen zeigen.

Während die Stadtdarstellung meist auf die Ebene des Textes beschränkt ist, erscheinen schon Mitte des 19. Jahrhunderts Bücher für Kinder, die, teils sehr aufwändig illustriert, durch Bildfolgen sequenziell eine Geschichte erzählen. Berühmteste Beispiele für diese illustrierten Kinderbücher sind: Heinrich Hoffmanns Der Struwwelpeter (1845) und Max und Moritz (1865) von Wilhelm Busch, zwei Urtypen des Bilderbuches, die damalige mediale Entwicklungen auf dem Weg zum Film aufgreifen, indem sie mit dicht aufeinander folgenden Bildern erzählen. „In diesen Bildfolgen wird, wie in der damals neuen Fotografie, der pointierte Augenblick eines Ereignisses heraus gelöst und „medial“ präsentiert […] – ganz modern – [der] Augenblick des Schreckens.“ (Thiele 2000). In seinen Illustrationen vermag der Künstler Wilhelm Busch ein bewegtes Bild zu schaffen, noch bevor der Film das Laufen lernt. Was er meisterhaft vorführt, ist die grafische Übertreibung, die Vermischung subjektiver Wahrnehmung der Akteure mit der Wahrnehmung des Betrachters (Grünewald 1984, S. 25f).

Die verbildlichte Stadt kommt im 19. Jahrhundert nur selten über einen kulissenhaften Charakter hinaus. Auf Grund der starken Verbreitung von Bilderbögen, dem wichtigsten Medium des populären gedruckten Unterhaltungsangebots im städtischen Bereich, findet die Stadt in die Abbildungen häufig Eingang, nicht selten auch in Form eines Simultanbildes (zum Beispiel Der gestiefelte Kater (1850) von Moritz von Schwind). Die Bildfolgen vieler dieser beliebten Bilderbögen sind ähnlich einer Abfolge von Szenenbildern des Guckkastentheaters angelegt. Somit blickt der Betrachter immer von der selben Position auf das Geschehen der Papierbühne, Perspektiven und Standpunkte ändern sich hier noch nicht. Erst später nutzen die Comics das Spiel mit unterschiedlichen Perspektiven zur Unterstützung der Handlung (Grünewald 1984, S. 20ff).

Während die Stadt als sinntragendes Element einer Geschichte im Bereich der illustrativen Darstellung, sprich in Comics, Bilderbüchern oder Bildgeschichten, selten beachtet wird, erfreut sich der Großstadtroman in der Kinder- und Jugendliteratur zunehmender Beliebtheit. Die Straße sieht Erich Kästner als Lernort bürgerlicher Öffentlichkeit. In Emil und die Detektive (1929) wird dem kleinen Jungen die Stadt Berlin gleichermaßen als Rummelplatz vorgestellt wie auch als Angstbild entworfen. „Diese Autos. Sie drängten sich hastig an der Straßenbahn vorbei; hupten, quiekten, streckten rote Zeiger links und rechts heraus, bogen um die Ecke; andere Autos schoben sich nach. So ein Krach! Und die vielen Menschen auf den Fußsteigen […] Wunderbare Schaufenster mit Blumen, Büchern, goldenen Uhren, Kleidern und seidener Wäsche. Und hohe, hohe Häuser.“ (Kästner 2000, S. 65). Trotz aller Elemente großstädtischen Lebens ist der Schock für den kleinen Jungen Emil überwindbar, er lernt schnell die Gesetze der Straße und erfährt solidarisches Handeln (Mieles 1995, S. 98f). Trotzdem ist die Großstadt der Schauplatz des Verbrechens, ein althergebrachtes und äußerst beliebtes Merkmal des Großstadtmotivs: der Verfall der städtischen Sozialstruktur. Die Steigerung davon verbildlichte schon Charles Dickens 1838 in seinem Roman Oliver Twist: Scharen von elternlosen, verwahrlosten Kindern, Amoral und Gesetzlosigkeit beherrschen das Stadtbild. Die Topografie von Straßen, Plätzen, Slums mit Nebel und Regen, dunklen Winkeln und Müllhalden ist die Londons – ein oppositionelles Bild zu der damals vorherrschenden gutbürgerlichen Kindheitsromanze.

Die Architektur der kindlichen Seele in Bilderfolgen

Von ähnlicher Couleur geprägt ist Die Erfindung des Hugo Cabret, ein Roman in Bildern und Worten von Brian Selznick aus dem Jahr 2008. Die Bilder der Großstadt lehnen sich an das Dickens’sche London an, der Protagonist, der kleine Hugo, ist von Elternferne1 geprägt, er haust vereinsamt in einem verborgenen Raum im Pariser Bahnhofsgebäude, wo er für die Wartung aller Uhren zuständig ist. Der Bahnhof, ein Knotenpunkt im Zeitalter der Mobilität, ist Hugos einziger Lebens- und Handlungsraum. Die Darstellung der Stadt in den sequentiellen kunstvollen Bildfolgen entspricht dem inneren Seelenleben des kleinen Hugo Cabret. Der Straßentumult ist für ihn nur erträglich, ja verständlich, wenn sich zwischen ihm und der städtischen Außenwelt eine Grenze befindet, eine Mauer, die ihm Schutz vor den Grausamkeiten und der Kälte gewährt und ihm damit die Position eines außenstehenden Beobachters gewährt. „Der Kaffee war heiß, und während Hugo ihn abkühlen ließ, warf er einen Blick durch den höhlenartigen Bahnhof auf all die Menschen, die, unterwegs zu tausend unterschiedlichen Zielen, vorbeihetzten. Wenn er sie von oben durch die Uhren betrachtete, fand er, dass sie wie wirbelnde Zahnräder in einem komplizierten Apparat wirkten. Doch aus der Nähe, inmitten des ganzen geschäftigen Geschiebes und Gewoges, erschien alles nur laut und unzusammenhängend.“ (Selznick 2008, S. 152).

Hugo ist kein kindlicher Flaneur durch die Straßen von Paris, die Stadt bleibt meist außerhalb des Bahnhofsgemäuers, vollkommen unzugänglich. Er schlendert nicht, er beobachtet selten, er kann die Stadt nicht genießen und versteht sich selbst nicht als ein Teil von ihr. Viel eher erweckt die Stadt den Anschein eines schlummernden Ungetüms, und man tut besser daran, es nicht zu wecken: „,Hör auf, beim Laufen so mit den Absätzen zu klackern‘, zischte der alte Mann durch die Zähne. „Ich sag dir, das bringt Unglück!“ […] Dann sagte er leise zu sich: „Ich hoffe, der Schnee deckt alles zu, damit die ganzen Schritte verstummen und die Stadt ihren Frieden finden kann.„“ (Selznick 2008, S. 93). Paris zeigt sich von seiner dunklen, schattenhaften und gleichermaßen sehr magischen Seite – weniger im Text, sondern viel deutlicher in den Bildern: kräftigen Schwarzweiß-Illustrationen, zu sequentiell erzählenden Bildfolgen arrangiert, kombiniert mit historisch bedeutsamen Fotos und Screen­shots alter Filme.

Die cineastischen Querverweise der Erzählung finden sich explizit im Text, aber auch in den Bildern verankert. So heißt es in der Einführung: „Doch ehe ihr die Seite umschlagt, möchte ich, dass ihr euch vorstellt, im Dunkeln zu sitzen wie zu Beginn eines Kinofilms.“ (Selznick 2008, S. 1). Über die ersten 21 Seiten des Buches erstreckt sich ein textloser Comicstrip, der auf wundersame Weise den Beginn des Geschehens darstellt. Durch filmische Mittel wie Zoom und den gekonnten Einsatz von verschiedenen Perspektiven und Einstellungsgrößen entsteht in diesem Buch ein „Kopfkino“, das Bild und Text nebeneinander, aber nie mit- oder ineinander platziert.

In diesem medienübergreifenden Werk werden auf raffinierte Weise Worte zu Bildern und das Buch zum Film. Die Handlung wird abwechselnd durch den Text, dann wieder durch die Bilderfolgen fort getrieben. Durch das streckenweise Erzählen eines Vorgangs in sequentiell angeordneten Folgen von Bildern, in comicartigen Strips, entstehen keine Lücken, nichts wird doppelt erzählt. Intelligente Schnittfolgen erzeugen einen mitunter filmischen Rhythmus. Auch wenn die Illustrationen manchmal etwas banal anmuten, so muss man sich doch deren Zweck vor Augen halten: Filmbilder zu imitieren und eine Geschichte in klaren, eindeutigen Narrativen zu erzählen. Der/die Leser/in wird durch die Kombination von Bildfolgen und Texten angehalten, Verbindungen herzustellen – durch genaues Betrachten, durch Kombinieren und Assoziieren. Nur eine eindeutig rezipierbare Bildfolge als Wiedergabe des Handlungsverlaufs kann divergierende Interpretationsmöglichkeiten beim Publikum vermeiden und führt somit zu einem exakten Verständnis des Geschehens.

Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen, die bestätigen, dass Kinder den korrekten Sinn einer sequentiell erzählenden Bildfolge sehr schnell erfassen, indem sie meist problemlos die richtigen Text-Wort-Verbindungen herstellen und Schemata, Symbolik und Typik eindeutig entschlüsseln. Grund dafür ist der Entfall eines Übersetzungsprozesses, das Bild im Kopf wird direkt aufgenommen und entsteht nicht erst aus einem übersetzten Text (Grünewald 1984, S. 91ff).

Die Straßen bei Nacht

Eine andere Form der Text-Bild-Interdependenz greift in Yvan Pommaux‘ Geschichten rund um die Katergestalt John Chatterton, die als berühmter Detektiv in einer namenlosen Großstadt der 1940er Jahre ihren märchenhaften Kriminalfällen nachgeht. Pommaux treibt ein ästhetisches Spiel mit unterschiedlichen Bildsprachen und liefert mit seinem komplexen Mix aus Comic, Märchen, film noir, Bildender Kunst und amerikanischen Filmklassikern ein Beispiel für die dynamische Entwicklung der Bilderbuchillustration. Intertextualität und interdisziplinäre Zitate nehmen eine für die Kinder- und Jugendliteratur selten breiten Raum ein und setzen sich somit über gattungs- und altersbedingte Kategorien hinweg (Oetken 2002, S. 77).

Auf wundersame Weise verbinden die Episoden bekannte Märchenmotive mit neuen Sehgewohnheiten aus Film und Fernsehen und verknüpfen Elemente der Detektivgeschichte mit solchen des film noir. Anthropomorphisierte Tiere, ein typisches Merkmal des Comics, bevölkern die Straßen in Chattertons Welt, sie sind schick gekleidet, handeln und denken wie Menschen. „Ihr Tieraussehen ist nur Kostüm, das einerseits die Fiktion des Spiels betont, andererseits das Interesse der jungen Leser steigert.“ (Grünewald 1984, S. 41). Eine sehr vereinfachte Sicht der Dinge, denn entgegen der Comictradition sind die Tiere als handelnde Gestalten bei Pommaux nicht stilisiert oder cartoonesk dargestellt, sondern durchwegs naturalistisch gezeichnet.

Pommaux bedient sich vielfacher filmischer Aspekte der Comic-Ästhetik. „Durch die Anordnung der Bilder kann der Illustrator mit der Zeit spielen […] Er kann die erzählte Zeit nach Bedarf etwa durch serielle Reihung der Bilder oder Konzentration im Zoom be- und entschleunigen oder die Handlung mit Nutzen des Bildzwischenraums und durch entsprechende Hinweise im Blocktext [der sehr sparsam eingesetzt ist] für beliebige Zeit unterbrechen.“
(Oetken 2002, S. 78).

Die Straßen der Großstadt bei Nacht sind die einzig mögliche Kulisse für den detektivischen Spürsinn John Chattertons. Aus der katerbedingt erniedrigten Perspektive bekommt das Publikum eine eindrückliche, wenn auch bruchstückhafte Vorstellung von dem düsteren, nicht ungefährlichen, etwas urban verwahrlosten Aktionsradius, in dem der Protagonist agiert. Vordergründig sind Nebel- und Rauchmotive, finstere Winkel und eine Farbsymbolik ähnlich kolorierten Schwarzweiß-Filmen, welche die Stadt als Ort der Amoral und des Verbrechens kennzeichnet. Bedingt durch die ungeschriebenen Gesetze der Kinderliteratur und den Einsatz der Märchenmotive ist ein glücklicher Ausgang ohne Blutvergießen der Kriminalfälle unabwendbar.

Die profane Alltäglichkeit der modernen Metropole

Mit der Verortung von Märchenmotiven in der Großstadt bewegt sich Pommaux auf kinderliterarisch durchwegs sicherem Terrain. Spätestens seit der Auszeichnung des Bilderbuches Aufstand der Tiere oder Die neuen Stadtmusikanten (1989) von Jörg Müller und Jörg Steiner mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis wurde die Großstadtkulisse dem Bilderbuch gänzlich eröffnet. Vier geknechtete Tiere des Kommerzes und der Markenwelt, die Eule, der Panda, das Krokodil und der Pinguin, wollen sich aus ihrer Rolle befreien und machen sich auf den Weg nach Disneyland, um dort, ganz in Grimm’scher Manier, als Stadtmusikanten aufzutreten. Perspektivisch außergewöhnliche Ansichten, einzig beleuchtet durch aufdringliche, neongrelle Leuchtreklame, skizzieren die Stadt spielerisch als neue Entdeckung, in all ihren Facetten. Mit Hilfe von optischen Verzerrungen wölben sich die Fassaden der Wolkenkratzer und scheinen die Figuren unter sich zu begraben. Die Perspektiven erzwingen den Blick in unendlich tiefe Straßenschluchten und durch Linsen, die die Szenerie stauchen oder dehnen. Die Stadt zeigt sich den vier Tieren in Form von Menschenmasse, Lärm und tristen nächtlichen Straßenzügen. „Die technischen und optischen Medienqualitäten [der Bilder] verbinden sich mit den assoziierten mythischen Filmbildern von Isolation, Anonymität und Großstadtdschungel amerikanischer Filmgeschichte.“ (Thiele 2000, S.31). Als kritischer Reflex auf die wankende Medienwirklichkeit spiegelt sich diese nur mehr in den glänzenden Kunststoffflächen und den schrillen postmodernen Glaspalästen.

Die ländliche Idylle hinter sich lässt auch die Variation eines beliebten Kinderreims mit dem Titel Kurz nach sechs kommt die Echs (2002) von Nadia Budde, wenn sich die Figuren – abermals anthropomorphisierte Tiere – in der tristen Monotonie eines arbeitsbedingten Alltagstrotts der anonymisierten Großstadt wiederfinden. Sie verkörpern den Typus der konturlosen, grauen Masse. Ihr Lebensraum, die Stadt, wird nicht im Text aufgegriffen, ausschließlich verbildlicht werden gleichförmig farblose, vollkommen entnaturalisierte Häuserfronten und stilisierte Verkehrsdichte, geistlose Großraumbüros, Massenmenschen an der Bushaltestelle und namenlose, traurige Gesichter. Comichafte Zeichnungen grotesken Striches machen die skurrile Szenerie zumindest für das Publikum amüsant. Seitenfüllende, sequenziell erzählende Bildfolgen sind von einer geometrischen Ordnung beherrscht. Übersichtliche Reihen, zivilisierte Menschenschlangen und stete Korrektheit werden erst im Traum der Echse – ein Ausbruch aus ihrer Einförmigkeit – zugunsten eines bildnerischen Beschreibens von Schwüngen, Drehungen und Wellen im Durcheinander abgelöst.

Die Stadt als höchst betriebsamen, labyrinthischen Ort, an dem man seine Sinne mit aller Kraft zusammenhalten muss, erlebt Bailey der Streuner (1998) von Chiara Carrer/Shapiro Bret: „Es war gerade fünf Uhr und sehr viel Verkehr. Die Straßen waren verstopft und Bailey sah nur mehr tausend Beine. Er wurde herumgeschubst, die Straßen hinauf und hinunter, einmal hin, einmal her und kreuz und quer durch die ganze Stadt.“ (Carrer & Shapiro 1998). Die phantasievolle Gestaltung der Stadt ist so hektisch wie sie selber: Im Stil der Collage und Montage werden Versatzstücke gerissen, geklebt, übermalt und so miteinander kombiniert, dass der Puls der Metropole zu spüren ist. Die Stadt ist eine Zeichenwelt, jeder Zentimeter des Buches will sich dem Publikum mitteilen. Das Stilmittel der Collage, als Möglichkeit, konventionelle Sehgewohnheiten zu irritieren, indem Bekanntes umgestaltet und etwas Neues geschaffen wird, ermöglicht die bruchstückhafte Dokumentation und Kombination der komplexen Schichten des Erzählens. Neue Sichtweisen werden denkbar.

Neue Sichtweisen und neue Erzählweisen der Stadt eröffnen dem Bilderbuch neue Realitäten. Angesichts der zunehmenden Verstädterung sei festgehalten, dass immer mehr AutorInnen und vor allem IllustratorInnen den Übergang von der Schilderung einer unbestimmten und ungenau beschriebenen Wohnsituation hin zu einer Darstellung der Stadt als realistischen Handlungsort wagen. So hat es nun nahezu dreieinhalb Jahrtausende gedauert, bis eine moderne Version der aesopischen Tierfabel Die Landmaus und die Stadtmaus (2008) von Kathrin Schäfer nahezu wertfrei das Leben in der Stadt dem Landleben gegenüberstellt und zu der finalen, grandios kitschigen Einsicht kommt: „Deins ist deins und meins ist meins. Beides anders, beides schön.“ (Schärer 2008).


Anmerkung:
[01] Die Elternferne, das Waisendasein von Kindern, ist ein beliebtes Motiv und ein Merkmal des Klassikerkanons der Kinder- und Jugendliteratur.

Literatur:
Carrer, Chiara & Shapiro, Brett (1998): Bailey der Streuner. Wien: Picus
Gansberg, Fritz (1905): Streifzüge durch die Welt der Großstadtkinder. Lebensbilder und Gedankengänge für den Anschauungsunterricht in Stadtschulen. Leipzig: Teubner
Grünewald, Dietrich (1984): Wie Kinder Comics lesen. Frankfurt/Main: dipa
Kästner, Erich (2000): Emil und die Detektive. Hamburg: Dressler
Mieles, Myriam (1995): Zivilisationsraum Großstadt. In: Nassen, Ulrich (Hg.): Naturkind, Landkind, Stadtkind. Literarische Bilderwelten kindlicher Umwelt. München: Fink
Oetken, Mareile (2002): Detektive im Bilderbuch: am Beispiel Chatterton. In: Beiträge Jugendliteratur und Medien, 54. Jg., 13.Beiheft. S. 70-81
Pech, Klaus-Ulrich (1995): Riesenpläne, ausgeführt. Zur Funktion von Stadt und Land in der Kinderliteratur des frühen 19. Jahrhunderts. In: Nassen, Ulrich (Hg.): Naturkind, Landkind, Stadtkind. Literarische Bilderwelten kindlicher Umwelt. München: Fink
Selznick, Brian (2008): Die Erfindung des Hugo Cabret. Ein Roman in Worten und Bildern. München: cbj
Schärer, Kathrin (2008): Die Stadtmaus und die Landmaus. Düsseldorf: Sauerländer
Thiele, Jens (2000): Das Bilderbuch. Ästhetik, Theorie, Analyse, Didaktik, Rezeption. Oldenburg: Isensee


[Ines Wagner, freischaffende Wissenschaftlerin und Journalistin mit den Arbeits- und Forschungsschwerpunkten Kinder- und
Jugendbuch, -film, -kultur. Studium der Germanistik und Publizistik an der Universität Wien, derzeit Arbeit an der Dissertation „Kinderfilm in Österreich“. Mitarbeit beim Internationalen Kinderfilmfestival Wien, bei diversen Verlagen und bei Recherche­arbeiten am Filmarchiv Austria.]

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