Zeitschrift

werk, bauen + wohnen 01/02-1982
Österreich - Wien
werk, bauen + wohnen 01/02-1982
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen

Reisebüro Kuoni

Das Äussere: Die vorhandene Struktur von Mauern und Öffnungen wurde erhalten bzw. wiederhergestellt und das Geschäftsportal als Glashaut davorgesetzt. Die Flächenteilung der Glashaut wiederholt symmetrisch die Gliederung des Mauerwerks. Da dieses aber das gegebene Feld asymmetrisch unterteilt, ergibt sich eine leichte Verschiebung zwischen dem Rhythmus der Wandgliederung und der linienförmigen Teilung der Glashaut, wodurch der Akt des nachträglichen Hinzufügens noch verdeutlicht wird. Auch die Schrift über dem Glasfeld ist etwas Hinzugefügtes, sie kommt von vorne (der vorgestellten Glasschicht) nach hinten zur Wand und lehnt sich dort nur punktweise an. Die Kante des mittleren Mauerpfeilers ist an der Eingangsseite bis in die Höhe des Türsturzes abgerundet. Rundung und Kerbe leiten zur dritten Schicht, dem inneren Glasraster. Die in der vordersten Fläche angestrebte Achsialität wird durch die seitliche Lage des Eingangs wieder stark zurückgenommen. Im Zwischenraum der Fassadenchichtung bildet die horizontale Bewegung des Schliessgitters das physische Äquivalent dieser zweifachen «Verschiebung».

Bildhaftes Pendant zum konkreten Eingang links ist die Auslagenöffnung rechts, das «Tor zur Welt», zur inszenierten Tourismuswirklichkeit. Ein quadratischer Sockel trägt den Globus, beides aus gefärbtem Stuckmarmor. Die Formkonstanz der Kugel bringt im Rahmenwerk der Portalvitrine auch den ruhenden, plastischen Schwerpunkt.

Das Innere: Das Konzept der Kundenbetreuung, die individuelle persönliche Beratung, sollte in der Gestaltung der Tische zum Ausdruck kommen. Die üblichen Schalterborde wurden deshalb zu separierten Schalterinseln abgewandelt. Instrumenteller und repräsentativer Teil sind klar definiert.

Als Paraphrase zur Messingpalme, die zur Dekoration von Reisebüros und Geschäften in Wien derzeit mehr oder weniger gekonnt, in jedem Fall inflationär eingesetzt wird, steht hier ein Paar dünner Messingstelen. Sie vereinen drei konkrete Gebrauchswerte und bringen darüber hinaus - ohne direkte bildliche Darstellung - auch Beziehungen zu formal-kulturellen Inhalten. Dem in den blauen «Himmel» des Tonnengewölbes weisenden Stengel entspringen drei Elemente: die nach unten zeigenden Lampen - sie bringen Licht ohne Schirm anstelle des Schirms schattenspendender Blätter; die kleinen Kleiderhaken - Knöpfe anstelle von Knospen; der Ring des Schirmständers - mit seinen Speichen und Knöpfen in dere Nähe eines Schiffsteuerrades. Die punktförmigen Leuchten sind montiert aus handelsüblichen Teilen: Fassung, Schirmrosette und Spiralfeder sind auf abgekantetes, verchromtes Blech geschraubt. Durch Variation der Knickung des Blechstreifens ergeben sich drei verschiedene Lampenstellungen. Über dem Lamperiehorizont bilden die Spiegel ein Abteil «illusionärer» Raumfenster, das durchgebrochene «echte» Fenster ist durchgestrichen.

Im hinteren Büroraum wurden mit Trennwänden die Bereiche für Teeküche, Cafe-Nische, Waschnische und WC geschaffen. Die schräge Abdeckung des WC-Waschraums wiederholt im privatesten Teil die Schriftschräge des Eingangsportals. Der ganze Charakter dieses Einbaus bezieht sich auf die Holzverschläge von Schuppen, Salettl und Badehütten, enthält u.a. damit wieder den Gedanken des Hinzugefügten und des Provisorischen unter freiem Himmel. An den Arbeitstischen sind gestreifte Kunststoffplatten von Pirelli/Fiat verarbeitet - eine Entwicklung aus den 50er Jahren für Wandverkleidungen in Motorbooten und Autobussen... Im natürlich belichteten Verkaufsraum erzeugen Holz und Messing eine «natürliche», einheitliche FärbStimmung. Im vorwiegend künstlich belichteten Büroraum herrscht eine aufgefächerte Skala von «künstlichen» Farbtönen durch Lackierung und Kunststoffbeschichtungen. Naturholz ist hier nur mehr sparsam für besondere Elemente verwendet.

Die Grundhaltung im Wiener Ladenbau war lange die Introversion, das Ausgrenzen der Strasse, der Hausfassade und des Gegenübers - das Ablösen vom Vorhandenen und In-sich-selbst-«Entwickeln». Im Reisebüro besteht die Grundhaltung im Einlassen des Aussen und im Sich-Einlassen mit dem Vorhandenen, in der schrittweisen Schichtung von aussen nach innen, im subtilen Reagieren auch auf das Gegenüber. Es geht uns nicht um das Möblieren mit Bildern, nicht um die geschickte Vereinzelung von metaphorischen Objektpartikeln, deren Zwischenräume und Brüche chic wieder geglättet werden. Es geht uns darum, die verschiedenen Schichten (physisch und metaphorisch) eines Entwurfs nicht oberflächlich zu verschieifen, sondern durch mehrfache Überlagerung zu verdecken und zu vertiefen, die Aura von Formen nicht auszuspielen und zu strapazieren, sondern zu brechen.

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Für den Beitrag verantwortlich: werk, bauen + wohnen

Ansprechpartner:in für diese Seite: Katrin Zbindenredaktion[at]werkbauenundwohnen.ch

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