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Ein Holzbau macht Schule

14. Dezember 2009 - Ulrike Haele
Bildungsfragen haben Konjunktur. Quer durch Europa herrscht Aufbruchstimmung, so auch in Österreich. Ab Herbst dieses Jahres müssen etwa die Gemeinden in Vorarlberg Kindern nicht erst ab vier, sondern schon ab drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung stellen, zudem wird der Besuch des Kindergartens im letzten Jahr verpflichtend und kostenlos. Wie vielerorts mangelt es für die oft kurzfristig geänderten Rahmenbedingungen an Räumlichkeiten.

In der Rheintal-Gemeinde Lustenau, die keine Nachwuchssorgen kennt, fehlte deshalb der Raum für zwei Volksschulklassen und eine Kindergartengruppe. Als Übergangslösung wollte sie hierfür Container aufstellen und bat Architekt Hugo Dworzak, der gerade mit Prognosen für die städtebauliche Entwicklung des Lustenauer Ortsteils Rheindorf beauftragt war, verschiedene Standorte für die Container-Schule zu beurteilen. Es blieben gerade einmal drei Monate bis zum Schulbeginn im Herbst. Sein Gegenentwurf kam prompt: Anstelle der Container schlug er einen Holzbau vor. Hugo Dworzak wusste um die schnelle Verfügbarkeit des Materials im Holzland Vorarlberg und um die qualitative Hochwertigkeit der verarbeitenden Handwerksbetriebe vor Ort. Er konnte die Gemeindevertreter mit Argumenten des Raummehrwertes, der Nachhaltigkeit durch Nachnutzungsoptionen und der Bindung der Kaufkraft im eigenen Ort überzeugen.

In merz kley partner fand Dworzak Spezialisten für Tragwerksplanungen im konstruktiven Hochbau. Als Alternative zu den Containern wurde nun ein Holzbau aufgestellt – oder wie Konrad Merz es formuliert: »Hand aufs Herz, es kommt kein anderes Material in Frage! Stahl fällt außer Betracht, es sei denn, man will Fertigteile. Einen Massivbau hochzuziehen, mit der ganzen Thematik der Austrocknung, das wäre nicht opportun gewesen.« Realisierbar war das Projekt nur, weil alle an einem Strang zogen und Planungen, Entscheidungsfindungen und Genehmigungen im Eiltempo erfolgten. Von der Einreichung bis zum Beginn der Vorfertigung vergingen lediglich zwölf Tage, vom Aushub bis zum Einzug der Kinder weitere 68.

Die Konstruktion ist rasch erklärt: Auf den Punktfundamenten kommen vorgefertigte Stahlprofile als Linienlager zu liegen, darauf OSB-Bodenplatten. Entlang den Längsfassaden werden Stützen im Abstand von 2,5 Metern geschraubt. Die Verglasungselemente sind mit Laschen montiert. Zum Gang hin tragen die Innenwände. Auf den tragenden Elementen liegen OSB-Deckenplatten, das schützende, leicht auskragende Dach ist zweifach geneigt und mit Trapezblech bedeckt. In puncto Statik, Schall- und Brandschutz ergaben sich für den Interimsbau keine Erleichterungen, alle regulären Bestimmungen mussten wie gewohnt erfüllt werden.

So einfach, wie der Aufbau klingt, soll auch die Demontage werden, wenn der Pavillon in fünf bis acht Jahren seine Zukunft als Übergangsschule andernorts zubringen wird. In welcher Form, ob größer oder kleiner, wird sich weisen. Der Holzbau ist jedenfalls horizontal und vertikal erweiterbar.

Der Bau ist zweischenklig aufgebaut. Die lange Mittelhalle, eine Mischung aus Platz und Straße, verbindet und trennt den Kindergarten mit Bewegungsraum von den zwei Volksschulklassen. Sie ist ein Multifunktionsraum und zugleich die Haupterschließung. Die hellen, luftigen Zimmer sind raumhoch verglast und werden bei geöffneten Fenstern zu Veranden.

Der Pavillon ist ein bemerkenswert simples Gebäude, ein echtes Schulhaus mit einem kind- und entwicklungsgerechten Raumangebot zum Spielen, Lernen, Wachsen und Wahrnehmen. Andere Gemeinden interessieren sich bereits für den Holzbau. Gut möglich, dass er Schule macht.

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

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