Zeitschrift

dérive 40/41
Understanding Stadtforschung
dérive 40/41
zur Zeitschrift: dérive
Herausgeber:in: Christoph Laimer

Stadtethnologie – Einblicke in aktuelle Forschungen

26. September 2010 - Anja Schwanhäußer
In Hamburg, Deutschlands Boomtown und Stadt der meisten Millionäre, ist vergangenes Jahr etwas Bemerkenswertes geschehen: Der Senat hat ein Areal, das bereits an eine international agierende Immobilienfirma verkauft war, zurückerworben und sich damit dem Protest gegen Gentrifizierung gefügt. Zur selben Zeit wurde im neuen Studiengang Kultur der Metropolen an der noch jungen Hafencity-Universität der Lehrplan verabschiedet. Ein Studiengang, der sich u. a. mit urbanen Subkulturen befasst. Studienschwerpunkte sind Kultur- und Wahrnehmungstheorien, Geschichte der Metropolen und Methoden der Stadtanalyse. Dass beides relativ zeitgleich geschieht, ist kein Zufall. Die Stadt entdeckt die Kultur – als etwas Schützenswertes, zu Förderndes, zu Erforschendes. Kultur nicht (nur) im Sinne von Hochkultur – Museen, Theater, Konzerthäuser –, sondern auch im weiteren Sinne als ganze Lebensweise, als „whole way of life“ (Williams 1983, XVIII). Im Gängeviertel will man nun die Mischung aus der dort ansässigen, eher proletarischen Bevölkerung und den Kreativen bewahren, im Studiengang Kultur der Metropolen will man Stadt nicht mehr nur als gebaute Umwelt begreifen1, sondern auch als gelebten kulturellen und sozialen Zusammenhang. Die Bedeutung lokaler Milieus, ihres Eigensinns, ihrer Kreativität und ihrer besonderen Lebensweise wird zunehmend wahrgenommen. Diesen neuen Ansätzen ist auch dérive verpflichtet, die die Stadt als Ort gesellschaftlicher Entwicklungen begreift, wobei die Stadtethnologie bisher nur indirekt vertreten war. Die Jubiläumsausgabe ist ein passender Anlass, ihre Grundannahmen, ihre institutionelle Verankerung sowie aktuelle Forschungen vorzustellen.

Stadtethnologie: The City goes soft

Stadtethnologie, wie die empirische Metropolenkulturforschung auch genannt wird, ist keine gesonderte wissenschaftliche Disziplin, sie ist vielmehr ein bestimmter Denk-, Forschungs- und Argumentationsstil, der sich aus unterschiedlichen akademischen Traditionen speist.2 An Universitäten im deutschsprachigen Raum hat sie sich an Instituten der Europäischen Ethnologie, Kulturanthropologie und Empirischen Kulturwissenschaften institutionalisiert und somit in jener Disziplin, die früher Volkskunde genannt wurde und sich später in verschiedene Namen aufgespalten hat. Die Auseinandersetzung mit urbanen Themen fand aufgrund des volkskundlichen Erbes mit Verzögerung statt – die Volkskunde befasste sich ursprünglich bekanntermaßen mit bäuerlichen Traditionen und einfachen Gesellschaften, also gerade nicht mit der Stadt.3 Der städtische Raum zählt aber inzwischen zu den zentralen Forschungsfeldern der Europäischen Ethnologie. Rolf Lindner, Professor für Stadtforschung am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin, ist der Regisseur des genannten Hamburger Lehrplans.4

Die Stadtethnologie begreift Städte als »Gesellschaftslabore der Moderne und Spätmoderne, in denen soziale und kulturelle Entwicklungen in Gang gesetzt und verdichtet werden« 5. Sie sind symbolische Ordnungsräume, die das Verhalten der Individuen und Gruppen formen und von ihr geformt werden. Fragen, die diese Forschungsrichtung beschäftigen, sind u. a.: Wie leben Individuen im urbanen Raum? Was sind ihre Routinen, ihre Träume und Ängste? Wo gibt es Konflikte zwischen sozialen Gruppen? Und gibt es so etwas wie eine geteilte urbane Erfahrung? Der Blick richtet sich auf die konkreten Lebenswelten der Stadtbewohner und -bewohnerinnen, ihre Wohnungen, Arbeitswelten, Freizeitgewohnheiten und Wege durch die Stadt, aber auch die Medien, Moden und Vergnügungen, die Stadt als »Zone intensiven Lebens«, wie sie Filippo Tommaso Marinetti im futuristischen Manifest bezeichnet hat. Nicht zuletzt findet dabei auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Ordnungsstrukturen statt, die durch den gebauten städtischen Raum entstehen.
Um diese »Soft City« (Raban 1998) zu erkunden, arbeitet die Stadtethnologie mit der ethnografischen Methode der Feldforschung. Durch teilnehmende Beobachtung vor Ort möchte sie gesellschaftliche Prozesse aus der Perspektive der AkteurInnen verstehen. Der Forscher bzw. die Forscherin durchläuft mehrmonatige Aufenthalte in den Milieus und erfährt dadurch eine Art »Sozialisation« (Schmidt-Lauber 2007, S. 220) in der beforschten Gruppe. Er oder sie erhält eine intime Kenntnis. Feldforschung als »totale Immersion« (Lindner 2003, S. 186) in eine andere Lebenswelt bedeutet dabei auch das Eintauchen in Vorstellungs- und Diskursräume: Fachpresse, Rechtsdiskurse, mediale Diskurse, Belletristik, Kinofilme, Theaterstücke, Anekdoten, Redensarten, Witze zum jeweiligen Thema sind wichtige Daten für die Stadtethnologie. Wahrnehmungsspaziergänge und sinnesgeleitete Methoden schärfen zudem das Gespür für die imaginäre Seite der Stadt, für Orte, Situationen und Atmosphären. Mit Methoden wie Mapping (u. a. Wildner 2004) und »Go-alongs« (Kusenbach 2003), bei denen die Beforschten auf ihren Alltagswegen begleitet werden, kann die sozialräumliche Bedeutung der Stadt ermittelt werden.

Die Konjunktur der Stadtethnologie

Die ethnologisch-kulturanalytische Auseinandersetzung mit Stadt liegt im Trend, was sich durch diverse Neugründungen wie den beschriebenen Studiengang Kultur der Metropolen zeigt, an denen Stadtethnologen und -ethnologinnen maßgeblich beteiligt waren. In Berlin gibt es gleich mehrere Initiativen zur Erforschung urbaner Kulturen: 2006 wurde das an der Humboldt-Universität zu Berlin ansässige Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung gegründet, eine Initiative, die u. a. auf Wolfgang Kaschuba, am selben Institut wie Rolf Lindner tätig, zurück geht. Eine weitere neuere Einrichtung ist das Transatlantische Graduiertenkolleg: Geschichte und Kultur der Metropolen im 20. Jahrhundert, das u. a. mit ethnografischen Methoden arbeitet. Ebenfalls in Berlin gibt es am Institut für Europäische Ethnologie seit einigen Jahren das Labor Stadtanthropologie, in dem u. a. die Professorinnen Alexa Färber (siehe ihren Beitrag ab Seite 100), Beate Binder und Regina Römhild aktiv sind. 6 In Darmstadt haben Martina Löw und Helmuth Berking mit anderen ProfessorInnen 2004 den Forschungsschwerpunkt Stadtforschung ins Leben gerufen, bei dem ethnografische Methoden stark vertreten sind, vor allem durch Silke Steets. Beim Campus-Verlag geben Löw und Berking seit 2008 die Reihe Interdisziplinäre Stadtforschung heraus, bei der mit weichen Methoden lokale Stadtkultur in Geschichte und Gegenwart erforscht wird. Seit jeher stark ist die ethnologische Stadtforschung am Institut für Kulturanthropologie in Frankfurt/Main, etabliert von Ina-Maria Greverus und weitergeführt von Gisela Welz. Welz hat bereits 1991 eine Studie zu Street Life vorgelegt, zurzeit leitet sie ein Forschungsprojekt zur Neuordnung der Stadt im neoliberalen Zeitalter. Der stadtethnologische Analyseansatz soll ermitteln, wie in Aushandlungsprozessen zwischen städtischen Akteuren und Akteurinnen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien und Wissenschaft ein kulturelles Projekt entsteht, mit dem sich die Gesellschaft diskursiv in Prozessen der Modernisierung, Europäisierung und Globalisierung positioniert. Thomas Hengartner (früher Hamburg, nun Zürich) ist Experte für Stadtforschungen in der Geschichte der Volkskunde. In Tübingen, wo die Reformierung der Volkskunde maßgeblich vorangetrieben wurde, leisten die Studien zu Popular- und Populärkultur einen zentralen Beitrag zur Stadtforschung.
In Österreich wird Stadtforschung schwerpunktmäßig in Graz am Institut für Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität bei Elisabeth Katschnig-Fasch betrieben. Die neue Leiterin des Instituts, Johanna Rolshoven, wird diesen Schwerpunkt noch ausbauen (siehe Beitrag ihren Beitrag in diesem Heft ab Seite 129). In Wien wird gerade ein Schwerpunkt Stadtforschung durch die neue Leiterin Brigitta Schmidt-Lauber eingerichtet, Expertin für Mittelstadtforschung. Hier arbeiten auch Bernhard Fuchs und Klara Löffler, die sich u. a. mit urbanen migrantischen Communities bzw. mit Tourismus befassen. Darüber hinaus finden sich stadtethnologische Forschungsansätze jenseits der Disziplin, wie bei den Kulturtheoretikerinnen Elke Krasny und Irene Nierhaus, um nur zwei zu nennen, deren Urbanographien auch in der Europäischen Ethnologie rezipiert werden (Krasny 2008).

Aktuelle Forschungen in der Stadtethnologie

Die Ethnologie als Wissenschaft von der Gesellschaft hat auf Grund ihres weichen Forschungsansatzes ein besonderes Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen und urbane Problemlagen. Sie erforscht, was große gesellschaftliche Umwälzungen für den Einzelnen im Alltag bedeuten. Demzufolge entsprechen aktuelle gesellschaftliche Konjunkturen auch den Konjunkturen innerhalb des Faches.7 Im Folgenden sollen einige aktuelle Forschungsfelder der Stadtethnologie vorgestellt werden, die freilich nicht den Anspruch erheben, das Feld in Gänze zu repräsentieren. Da es sich um ein relativ kleines Fach handelt, kann man nicht wirklich von Konjunktur sprechen, weil mitunter nur eine Person so etwas wie einen Trend setzt. Dennoch können bestimmte Linien ausgemacht werden, über deren aktuelle Relevanz wohl ein fachlicher Konsens besteht.

»Proll«-Kulturen

Die unsicher werdenden Lebensverhältnisse, die Verbreiterung unterbürgerlicher Schichten und die Abkehr vom Mobilitäts- und Aufstiegsglauben haben im Fach zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit diesem Feld geführt. Während allerdings Politik und Medien erst in den letzten Jahren Begriffe wie Unterschicht8 und Prekariat entdeckt haben, hat die Stadtethnologie diese immer schon als ein Kernfeld behandelt. Zu den Standardwerken zählt die Einführung Ethnographie popularer Kulturen (Warneken 2006), womit unterschichtliche Kulturen gemeint sind, sowie der von Rolf Lindner herausgegebene Sammelband Unterschicht (Lindner 2008). Die andere Kultur der sozial Marginalisierten gerät in den Blick und mit ihr die Frage nach der Spezifik popularer Stile und Codes sowie der Art und Weise, wie sie sich Medien und Objekte der Massenkultur aneignet, um mit ihrer Situation umzugehen – Aneignung ist ein Begriff, den die Stadtethnologie von den Cultural Studies übernommen hat (Willis 1981).
Die Forschungen von Moritz Ege (Institut für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin) und Stefan Wellgraf (Transatlantisches Graduiertenkolleg: Geschichte und Kultur der Metropolen im 20. Jahrhundert) versprechen neue Einblicke in die Unterseite der Stadt. Moritz Ege untersucht jugendkulturelle Stile und Klassifizierungspraxen im Kontext von HipHop und Rap. Für seine Forschung bei den Berliner Atzen und Gangstern, wie sich die Jugendlichen bezeichnen, besuchte Ege über einen längeren Zeitraum regelmäßig Akteure der Szene (weniger Akteurinnen, denn die Kultur ist männlich dominiert), ging mit ihnen aus und schaute mit ihnen Youtube-Videos, spazierte mit ihnen durch die Stadt und führte Interviews mit Verkäufern und Verkäuferinnen der einschlägigen Modeläden. Durch Konsumpraktiken (Picaldi-Jeans) und Selbst-Inszenierungen wird ein bestimmter Proll-Habitus kreiert und bestätigt. Es entsteht eine unterschichtliche Kultur, bei der der niedere soziale Status und die Stigmatisierungen von außen positiv umgedeutet und zu einer Quelle von Stolz und Anerkennung werden. Zugleich zeigt Ege, wie in der Szene reflexiv mit der Figur des Prolls umgegangen wird, man Proll also nicht einfach nur ist, sondern sich auch reflexiv dazu verhält. In ähnlicher Weise untersucht Stefan Wellgraf in seiner Ethnografie von Berliner HauptschülerInnen, wie sich soziale Gegensätze durch kulturelle Prozesse manifestieren, wie man nicht nur Proll ist, sondern auch durch Schule, Gesellschaft und Staat zum Proll gemacht wird. Ove Sutter (Wien) befasst sich mit den Erzählungen und Selbst-Deutungen einer prekarisierten Mittelschicht.
Die Rolle von Architektur und Stadtraum im Zusammenhang mit Marginalisierungsprozessen untersucht die Grazerin Johanna Rolshoven und knüpft damit an einen seit Mike Davis’ City of Quartz (1991) wichtigen Diskurs an. Stadtpolitische Maßnahmen von Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit schließen unerwünschte Staatsbürger aus dem öffentlichen Raum zunehmend aus (siehe Rolshovens Beitrag ab Seite 129). Ein inzwischen abgeschlossenes Projekt hat sich in Graz mit dem Bürgerschreck Punk empirisch auseinandergesetzt (Reiners, Malli & Reckinger 2004). Zu diesem Thema fand unlängst auch am Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung die Konferenz Banlieue Europa? Jugendunruhen – Stadt – Migration statt, die länderspezifische Zusammenhänge zwischen Ausgrenzung junger Menschen, Stadtstruktur, Integrationspolitik und Jugendkulturen untersuchte und debattierte.

Dérive

Dérive, also das Umherschweifen im Stadtraum, bedeutet nach der Definition der Künstlergruppe Situationistische Internationale, die bekanntermaßen so etwas wie das Copyright auf den Begriff haben: »Eine oder mehrere Personen, die sich dem Umherschweifen widmen, verzichten für eine mehr oder weniger lange Zeit auf die ihnen im allgemeinen bekannten Bewegungs- bzw. Handlungsmotive, auf ihre Beziehungen, Arbeits- und Freizeitbeschäftigungen, um sich den Anregungen des Geländes und den ihm entsprechenden Begegnungen zu überlassen.« (Debord 1995 [1958], S. 64)
Diese 1958 erfundene psychogeografische Praxis ist als Methode und Perspektive auf Stadt in den letzten Jahren auch in der Stadtethnologie äußerst populär geworden – die Zeitschrift dérive hat dabei durch ihre Namensgebung und inhaltliche Ausrichtung eine Vorreiterrolle gespielt. Sie geht einher mit einem Bedeutungsaufschwung atmosphärischer und sinnlicher Stadterkundungen, die sich international u. a. in der von David Howes herausgegebenen Serie Sensory Formations manifestiert. Eine der ersten, die neben dem Klassiker Atmosphäre (Böhme) im deutschsprachigen Raum sinnliche Ethnologie betrieben haben, ist Regina Bendix, Leiterin des Instituts für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Regina Bendix kritisiert den »Occularzentrismus« (Bendix 2006, S. 73) in der Wissenschaft, also den Schwerpunkt auf das Sehen (Text und Ratio), und betont »die Rolle der Sinne in Kommunikation und kultureller Praxis« (ebd., S. 72).9
In der ethnografischen Praxis findet dieser Ansatz vor allem in der Szene-Forschung Anwendung, wie ihn Kira Kosnick (ehemals Professorin am Institut für Kulturanthropologie der Universität Frankfurt/Main, inzwischen bei der Soziologie an der selben Universität ansässig) und ich (zurzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien) verfolgen. Er geht zurück auf die Arbeiten des internationalen Forschungsprojekts Culture of Cities. Toronto, Montreal, Berlin, Dublin (York University, Toronto), das Szenen als zentrale urbane Akteure in die Forschung eingeführt hat (Blum 2001). Szenen sind fluide soziale Formationen, die durch ihre Zusammenkünfte an spezifischen locations in der Stadt, ihre Inszenierungen und spektakulären Konsumpraktiken (Musik, Mode, Lifestyle) die Atmosphäre einer Stadt maßgeblich prägen und Stadt als Ort der Sinne wahrnehmen und produzieren.

Kosnick leitet derzeit ein europaweites Forschungsprojekt zu Postmigrant Youth Scenes in Urban Europe. Das Projekt erforscht neue Formen öffentlicher Sozialität junger Menschen mit Migrationshintergrund im Kontext urbaner Clubkulturen in drei europäischen Städten. In vergleichender Perspektive wird das Phänomen ethnischer Clubszenen mit türkischer, südasiatischer, maghrebinischer und subsaharischer Orientierung in Berlin, London und Paris entsprechend der mehrheitlichen Migrantengruppen in der jeweiligen Stadt und dem jeweiligen Land untersucht. Ziel des Projektes ist die Erforschung von Formen sozialer Beteiligung und kulturellen Experimentierens junger Menschen, die für das Leben in Metropolen charakteristisch sind und bislang als nicht relevant für das Leben ethnischer Minderheiten angesehen wurden. 10 Mein Beitrag zum Thema Szenen ist die ethnografische Erforschung des Berliner Techno-Undergrounds, der im Stadtraum umherschweift und Brachen und Leerstände zu temporären locations umfunktioniert (Schwanhäußer 2010). »Raumästhetik«, wie es die Szene nennt, also die sinnliche Wahrnehmung und Inszenierung von Gebäuden und urbanen Lücken, ist eine Schlüsselpraxis. Die Ethnografie zeigt, wie durch Szenen die Grenzen von Subkultur und Mainstream verwischen und das Imaginäre der Stadt geformt wird: Berlin als Stadt im ewigen Wandel wird durch die sich gleichermaßen permanent wandelnden Szenen sinnlich erfahrbar.
Weitere Beiträge zur sinnlichen Ethnologie leisten Elke Gaugele, Gabriele Mentges und Heike Jenß durch ihre Studien zu Mode und Konsum. Darüber hinaus öffnet sich die Stadtethnologie dort, wo es um ästhetische Erfahrung geht, der Kunst, worauf im Ausblick eingegangen werden wird.

Urban Assemblages

Ebenfalls fluide Formationen nehmen aktuelle Studien in den Blick, die sich bei aller gebotenen Vorsicht für Vereinheitlichungen unter dem Begriff Urban Assemblages subsumieren lassen. Bei diesem Ansatz geraten in Anlehnung an Bruno Latour (2005) die Artefakte und Technologien von Mobilität in den Blick. Der Stadtethnologe Ignacio Farias, ehemaliger Doktoratsstudent am transatlantischen Forschungskolleg in Berlin, hat jüngst ein Buch mit dem selben Titel herausgegeben (Farias und Bender 2010), in dem urbanes Handeln durch ein Zusammendenken von »human and non-human aspects of city-life« (ebd., Vorbemerkung, ohne Seite) untersucht werden: »from nature to socio-technical networks, to hybrid collectivities, physical artefacts and historical legacies« (ebd.). Diesem Ansatz liegt die an Michel de Certeaus Taktiken erinnernde These zu Grunde, dass die Stadt nicht als geschlossener geografischer Raum betrachtet werden kann, sondern sich erst durch Bewegung von Menschen und Objekten konstituiert sowie durch die facettenreichen Verbindungen, die dadurch entstehen. Verkehr und Infrastruktur – U-Bahnen, Autobahnen, Busse – sind folgerichtige Forschungsobjekte.11 Bezeichnenderweise ist der Band in Schwarz gehalten, man sieht Schemen von Wolkenkratzern wie hinter einer Wolke von Smog. Eine ökologische Kritik an der Stadt als technologischem System, den Umweltverschmutzungen, die sie produziert, findet zwar nicht diskursiv statt, schwingt in der Ästhetik aber mit.
Weitere Mobilitätsforschungen finden sich in der Stadtethnologie vor allem im Bereich Migration, u. a. von Regina Römhild, Alexa Färber (beide am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin), Sabine Hess (Institut für Europäische Ethnologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität) und Bernhard Fuchs (Institut für Europäische Ethnologie an der Universität Wien). Sie verabschieden sich von der klassischen Community-Forschung, die migrantische Gruppen als ethnische und räumliche Einheit betrachtet, hin zu einer Perspektive, die die Mobilität der Akteure und Akteurinnen in den Blick nimmt, bei der die Stadt nicht immer Ziel der Migration ist, sondern zum Transit-Ort werden kann.12 Exemplarisch sei hier nur auf ein über die Grenzen der Akademie hinaus beachtetes Studienprojekt von Sabine Hess hingewiesen, das konsequent durch eine transnationale Perspektive geprägt ist. Die Stadt (München) wird in einem globalen Netz von Bewegungen und Verbindungen betrachtet, das von Migranten und Migrantinnen direkt durch ihre täglichen Mobilitätspraktiken, ihre Kommunikationen, durch Güter-, Geld- oder Wissenstransfers errichtet wird. Die Ergebnisse wurden nicht nur in einem Katalog (Hess, Bayer und Moser 2009), sondern auch durch eine Ausstellung vorgestellt, an der sich viele internationale KünstlerInnen beteiligten, womit sich die Wissenschaft zur Kunst öffnet und umgekehrt.13 Eine weitere, global mobile Gruppe sind Korrespondenten und Korrespondentinnen. Ihnen hat sich Angela Dressler (2008) in einer äußerst erhellenden multilokalen Feldforschung angenähert. Dressler erfindet eine neue Sprache globaler Ströme.

Das imaginaire der Stadt

Städte sind Schaltzentralen des globalen Kapitalismus. So beschreibt sie die Stadtsoziologin Saskia Sassen (Sassen 1991). Dieser ökonomischen Perspektive stellt die aktuelle Stadtethnologie eine kulturelle entgegen. Als Entgegnung auf die globale Städtekonkurrenz führt sie, angeregt durch Rolf Lindner, den Habitus bzw. das Imaginaire der Stadt an (Lindner 2008). Damit verlagert sich auch die Perspektive von Kulturen in der Stadt zur Kultur der Stadt. Nicht mehr nur wird gefragt, was städtisches Leben in der Stadt auszeichnet, sondern auch, was ein der jeweiligen Stadt gemäßer Lebensstil sein könnte, welche spezifischen Haltungen, Institutionen und Figuren aus ihr hervorgehen, was die gelebte Eigenart der Stadt ausmacht, warum sie so ist und nicht anders. An die Stelle einer anthropology in the city tritt die anthropology of the city (Hannerz 1980, S. 3). Rolf Lindner leitete 2005/6 zusammen mit Johannes Moser (inzwischen Leiter des Instituts für Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilans-Universität in München) ein Studienprojekt zur Residenzstadt Dresden, bei dem gezeigt wurde, wie sich Städte gemäß einer »Pfadabhängigkeit« entwickeln (Lindner und Moser 2006, S. 21). Soziale Strukturen und Ökonomien sowie kulturelle Vorstellungen und mediale Repräsentationen prägen die individuelle Stadtatmosphäre und machen die Stadt widerständig gegen globale Nivellierungsprozesse. Rolf Lindner schreibt, dass das »Klischee« von Dresden als »Elbflorenz« im wörtlichen Sinne zu begreifen ist, nämlich als »Druck- und Prägestock« (ebd., S. 13), das es sowohl in kleinen alltäglichen Praktiken wie in großen ökonomischen Projekten auffindbar ist und die städtische Wirklichkeit maßgeblich gestaltet.
In unterschiedlichen Formen findet sich dieser Ansatz in vielen aktuellen Fachdiskussionen.14 Als konsequenter Analyseansatz ist er bisher vor allem in der historischen Stadtethnologie vertreten. Lutz Musner hat eine Studie zur Geschmackslandschaft der Stadt Wien durchgeführt (Anm: siehe Besprechung in dérive 37), wobei er vor allem durch seine historische Herleitung überzeugt, u. a. durch eine »Archäologie der Gemütlichkeit« (Musner 2009). Vom historisch arbeitenden Stadtethnologen Jens Wietschorke, der bisher einzelne Aufsätze zum Thema verfasst hat, sind in Zukunft vielversprechende Arbeiten zu erwarten (siehe u. a. Wietschorke 2009). Eine Verschränkung von historischer Analyse und zeitgenössischer ethnografischer Forschung bleibt jedoch ein Desiderat.

Ausblick: Ethnografie und Kunst (Ökologie, Stadtspiele); Stadt und Architektur

Die skizzierten Forschungsfelder werden aller Voraussicht nach auch in näherer Zukunft die stadtethnologische Debatte prägen, weil sie auf aktuelle gesellschaftliche Prozesse reagieren. Die Erforschung von Proll-Kulturen, der sinnesgeleitete Forschungsansatz, dérive als Methode und Forschungsgegenstand, die Erkundung urbaner Atmosphären wird in der Fluid Society zum wichtigen Instrumentarium. Vielversprechend ist dabei die Annäherung an künstlerische Praktiken, wie es zum Teil bereits geschieht. Sowohl Regina Römhild als auch Sabine Hess suchen in ihren Arbeiten zu Migration nach neuen Repräsentationen von Wissen, das erwähnte Projekt Crossing Munich sowie Projekt Migration sind Beispiele hierfür. Rolf Lindner hat vor einiger Zeit ein Studienprojekt zu Sensing the Street durchgeführt.15 Es ist anzunehmen, dass dabei der florierende Bereich der Urban Games verstärkt auf ethnografisches Wissen zurück greift. Beim Berliner Projekt Dolmusch X-press des Künstlerkollektivs Raumlabor, das im Berliner Stadtteil Kreuzberg für mehrere Wochen ein alternatives Transportsystem organisierte, waren Alexa Färber und ich an einem vorbereitenden Pilotprojekt beteiligt, bei dem Studierende der Europäischen Ethnologie und anderer Disziplinen den Stadtteil erkundeten. Beim im Rahmen der diesjährigen Wiener Festwochen (Into the City) durchgeführten Projekt Schwellenland von Matthaei und Konsorten wurde ich als ethnologische Beraterin hinzugezogen. Theatergäste spielten Flüchtlinge, Aus- und Einbürgerung wurde als urbanes Abenteuer inszeniert.16 Auch als Forschungsgegenstand geraten Art Worlds zunehmend in den Blick (Binder 2008, Greverus 2009). Die Stadtethnologie reagiert damit auf eine Entwicklung, die sich auf der Seite der Kunst schon vor einiger Zeit vollzogen hat, nämlich die Öffnung zur Wissenschaft und Urbanitätsdiskursen, der sich die jüngst auch eine Ausgabe von dérive zu Kunst und urbaner Entwicklung widmete (dérive 39/2010).

Darüber hinaus ist zu vermuten, dass sich die Stadtethnologie über die Auseinandersetzung mit Atmosphären auch dem Bereich Ökologie annähern wird, der angesichts des globalen Klimawandels und einer Krise der Beschleunigung ein drängendes Thema darstellt. Wie Gernot Böhme anmerkt, mangelt es der naturwissenschaftlich verstandenen Ökologie an einer ästhetischen Dimension (Böhme 2003, S. 141). Auseinandersetzung mit Assemblagen, mobilen Artefakten und Technologien werden sich vermutlich in Zukunft verstärkt mit alternativen Formen von Mobilität befassen. Ein Utopie-bejahendes Konzept zwischen Wissenschaft und Kunst verfolgt das von mir initiierte Projekt HorseArt, das durch die Auseinandersetzung mit Pferden und Reitkultur neue Perspektiven auf Stadt, Natur und Mobilität entwickelt.17

Last but not least wird sich die kulturelle Perspektive der Stadtethnologie auch auf die gebaute Umwelt ausweiten. Pionierarbeit leistet hier die Reihe Architext des Routledge-Verlags, die Gebäude nicht nur als materielle Objekte, sondern auch als soziale Objekte begreift, die mit Bedeutung aufgeladen sind und soziale Beziehungen in der Gesellschaft formen. Die bereits mehrmals erwähnte Johanna Rolshoven vertritt die International Association for Cultural Studies in Architecture und war am Zürcher Projekt ETH Wohnforum, ETH Case beteiligt. Beate Binder hat vergangenes Jahr eine Studie zum Berliner Schlossplatz vorgelegt. Sie hat Aktivisten und Aktivistinnen sowie Planern und Planerinnen zugehört, war an Aktionen und Veranstaltungen beteiligt, folgt den zentralen Argumentationsfiguren der Schlossplatzdebatte und zeigt, wie durch solche Konflikte die Hauptstadt Berlin hervorgebracht wird und am Schlossplatz – der bis auf weiteres ein Provisorium bleibt – zu einem symbolischen Ort findet (Binder 2009).

Die Entdeckung der Stadtkultur seitens der Akademie wie der Stadtpolitik, wie sie eingangs am Beispiel Hafencity-Universität dargestellt wurde, ist jedoch nicht immer von Vorteil für die Stadtkultur. Im Stadtmarketing soll Kultur, verstanden als die Summe der öffentlichen und kommerziellen Dienstleistungen, die Standortwahl von Unternehmen zukunftsträchtiger Branchen positiv beeinflussen. Die Hafencity-Universität selbst war ein Stadtentwicklungs-Tool. Der Hafenbezirk sollte durch die Ansiedlung von Institutionen wie Universität und Elbphilharmonie symbolisch, sozial und ökonomisch aufgewertet werden. Dadurch wurde ihm die klassische Hafen-Atmosphäre – eine Zone für Huren, Herumtreiber und Spelunken – genommen. Die wichtigste Aufgabe der Stadtethnologie ist deshalb in Zukunft, der Verflachung des Kulturbegriffs zum städtischen Dienstleistungsangebot mit dichten Beschreibungen der Vielfalt urbaner Milieus, auch und gerade marginalisierter Milieus, entgegen zu wirken und dabei die eigene Verstrickung in die Stadtpolitik zu reflektieren.
Anja Schwanhäußer lebt als Stadtethnologin in Berlin und Wien. Sie war Project Researcher am internationalen Forschungsprojekt »Culture of Cities. Toronto, Montreal, Berlin, Dublin« und arbeitet zurzeit als Universitätsassistentin am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien. Soeben erschien ihre Ethnografie Kosmonauten des Underground. Ethnografie einer Berliner Szene.

Literatur

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Anmerkungen
1
Ursprünglich sollten an der Hafencity-Universität nur die harten Disziplinen wie Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik und Stadtplanung angeboten werden. Dem Zug der Zeit folgend, ergänzte man diese durch weiche Zugangsweisen, neben Kultur der Metropolen auch Urban Design.
2
Wichtige Einflüsse erhielt sie von der Chicagoer Schule der Stadtforschung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstmalig die Großstadt mit den ethnografischen Methoden der Feldforschung zu untersuchen begann, sowie von den britischen Cultural Studies, die urbane Popular-, Sub- und Konsumkulturen zum Gegenstand systematischer Forschung machten.
3
Die Einführung der Stadtforschung geschah im Zuge der Reformierung des Faches (bei der auch die Rolle der Volkskunde in der Geschichte, insbesondere im Nationalsozialismus, kritisch aufgearbeitet wurde).
4
Rolf Lindner, ursprünglich Soziologe, hat die Stadtforschung der Chicago School und die Cultural Studies nach Deutschland und Österreich gebracht.
5
Labor Stadtanthropologie am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin, 1. 8. 2010, www.euroethno.hu-berlin.de/forschung/labore/stadtanthropologie.
6
Auch das Institutskolloquium des Instituts für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin befasste sich dieses Jahr mit der Ethnografischen Stadt.
7
Wobei andererseits eine gewisse Trägheit nicht von der Hand zu weisen ist, wie die späte Einführung der Stadtforschung in das ehemalige Volkskunde-Fach zeigt.
8
Im deutschen Bundestag gab es 2006 eine Debatte, ob der Begriff Unterschicht stigmatisiert (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16. 10. 2010). Sieht man ihn als Ausdruck einer sozial determinierten Kultur, bezeichnet er jedoch treffend die kollektive Erfahrung einer ins soziale Abseits, also »nach unten« verdrängten Gruppe.


9
Siehe auch: CCA Montreal Sensing and the City und das Wiener Projekt Duft – Haptik (Peter Payer).


10
Siehe auch Embedded Industries. Cultural entrepreneurs in different immigrant communities of Vienna, ein Wiener Kooperationsprojekt der Institute Europäische Ethnologie und Volksmusikforschung, http://euroethnologie.univie.ac.at/index.php?id=19288.
11
Die Ethnologin Barbara Lang hat bereits 1994 eine viel beachtete Studie zur U-Bahn herausgebracht (Lang 2004).
12
Siehe auch den von Alexa Färber herausgegebenen Sammelband Hotel Berlin (2005).
13
Crossing Munich, Studienprojekt und Ausstellung, 2.8.2010, http://crossingmunich.org/ausstellung.html


14
Auch außerhalb der Europäischen Ethnologie wird Rolf Lindners Konzept aufgegriffen, am prominentesten in dem von Martina Löw geleiteten Forschungsschwerpunkt Eigenlogik der Stadt. Durch ihre starke mediale Präsenz wird Martina Löw vom Fachpublikum sowie von urbanistisch arbeitenden Künstlern und Künstlerinnen oft sogar fälschlicherweise als Urheberin jenes Denkansatzes gesehen.
15
www.sensingthestreet.de.
16
Schwellenland, Einführung, 22. 4. 2010, 
www.schwellenland.at.
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Siehe auch: Donkey X-press. Slow Trip. Langsame Fortbewegung ist jetzt modern. In: Dolmusch X-press. Katalog, hg. von raumlaborberlin. Leipzig 2007.

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