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anthos 2012/1
Pflanzen, schneiden, jäten
anthos 2012/1
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Grünflächenmanagement in Nantes

Die französische Metropole Nantes wurde als «Grüne Hauptstadt Europas 2013» ausgezeichnet und kann mit ihren seit Langem eingeleiteten Massnahmen zur Bewahrung der Biodiversität, zur ­Entwicklung des Nahverkehrssystems sowie für den Kampf gegen die globale Klimaerwärmung werben.

23. Februar 2012 - Jacques Soignon
Nantes zählt zu den Vorzeigegrossstädten Frankreichs, die sich aktiv für den Ausbau ihrer öffentlichen Grünflächen einsetzen. So ist deren Anteil in den letzten 30 Jahren von 400 Hektaren im Jahre 1977 auf 1050 Hektaren im Jahre 2011 angestiegen. Auf jeden Bewohner kommen so 37 Quadratmeter Grünfläche. Die Anzahl des für die Pflege der Grünflächen zuständigen Personals der Stadt hat in diesem Zeitraum ebenfalls konstant zugenommen, von 311 auf 450 Mitarbeiter. Es war unerlässlich, im Laufe der Zeit auch die Verwaltung an die wachsenden Umweltprobleme und die Entwicklung der gesellschaftlichen Nachfrage anzupassen.

Ökologisches Grünflächenmanagement

Der Ballungsraum Nantes hat das Glück, von etwa zehn Flüssen und Bächen durchzogen zu sein. In den 1980er-Jahren hat die Stadt dies genutzt, um grüne Korridore zu schaffen und städtische Naturräume zu erschliessen. Unter dem Namen «differenzierter (oder optimierter) Grünflächenunterhalt» wurden neue Kriterien für den Unterhalt definiert und seitdem fortlaufend weiterentwickelt. Auch sind sie Gegenstand des Wissensmanagements innerhalb der «Association française des directeurs de jardins» (französische Vereinigung der Gartenamtsleiter). Die bei der Stadt beschäftigten Landschaftsgärtner müssen sich weiterbilden, um das Fachwissen für den Unterhalt der unterschiedlichen Flächenarten zu erwerben. Sie werden so zu echten «Gärtnern der Biodiversität». Vierteljährlich tagen die Referenten für Biodiversität jedes Teams und erarbeiten gemeinsam mit nicht-staatlichen Organisationen wie den Vogelschutzvereinen LPO und «Bretagne vivante» oder dem Naturschutzbund «Groupe Mammalogique Breton» neue Projekte.

Vor einem Jahr wurde zudem der «Conseil nantais de la biodiversité» gegründet, eine Vereinigung der wichtigsten Akteure aus Wissenschaft, nichtstaatlichen Organisationen und Politik, die sich mit Projekten zur Schaffung nachhaltiger Strukturen für Nantes beschäftigen. Verschiedene französische Städte wollen nun mit dem kürzlich entwickelten Gütesiegel Ecojardin, für welches sich alle Städte in Frankreich bewerben können, ein Instrument schaffen, das die von den Städten ergriffenen Umweltmassnahmen kontrolliert und fördert.

Die für die Verleihung des Gütesiegels zu erfüllenden Kriterien liegen über dem vom französischen Staat im Plan ECOPHYTO festgelegten gesetzlichen Rahmen. Dieser sieht vor, dass der Pestizidverbrauch in der französischen Landwirtschaft bis 2017 um die Hälfte reduziert werden soll. Das Gütesiegel Ecojardin soll Städte dagegen dazu bewegen, gänzlich auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verzichten (dies ist in den meisten unserer öffentlichen Anlagen bereits der Fall). Auch sollen dadurch Anreize für eine strengere Kontrolle von Bodeneinträgen sowie für die Verwertung von Abfällen geschaffen werden.

Mit einem Besuch beim Square Mabon, einem aus einer ehemaligen Industriebrache neu geschaffenen öffentlichen Garten auf der Ile de Nantes, lässt sich der Begriff der Pflanzensoziologie gut veranschaulichen. Wo vor vierzig Jahren noch der Bau eines Schnell­strassenzubringers geplant war, wurde ein zwölf Hektare grosses Natura-2000-Gelände, das «Petite ­Amazonie», realisiert – nur einen Kilometer vom Botanischen Garten entfernt. Eine weitere Veränderung ist die Haltung von Rindern und Pferden, die auf dem Gelände weiden. Damit will man den Erhalt und die Wiederansiedelung einer spezifischen Graslandflora erreichen. So sollen Brombeeren Rubus sectio Rubus, Ampfer Rumex und Straussgräser Agrostis in Zukunft dem Kammgras Cynosurus cristatus, dem Ruchgras Anthoxanthum odoratum und dem Glatthafer Arrhenatherum elatius weichen.

Das Wirksamkeitsmanagement

Die Ergebnisse im Aufgabenbereich Grünflächenmanagement werden mittlerweile nach den Methoden des Controllings analysiert. Anhand von vorab definierten Indikatoren soll eine Wirksamkeit kontrolliert werden, die weit über die Kriterien für eine wirtschaftliche Rentabilität hinausgeht. Die Anforderungen steigen ständig – vor 35 Jahren bewirtschaftete ein Gärtner durchschnittlich eine Hektare Fläche, mittlerweile ist es dreimal so viel …

Um diesen Arbeitsaufwand bewältigen zu können, haben wir zunächst die Arbeitszeiten erfasst und unsere Aufgaben besser organisiert. Die Performance misst sich allerdings in erster Linie am erreichten Grad der Zufriedenheit. Ein qualitätsorientiertes Management ermöglicht es uns seit fünf Jahren, die Entwicklung unserer Ziele nachzuverfolgen.

Der Stadtrat hat in einem Aktionsplan grundlegende Massnahmen festgelegt, deren Umsetzung in den einzelnen Teams kontrolliert wird. Dabei geht es insbesondere um die Bepflanzung, die allgemeine Sauberkeit, den Zustand der Aussenanlagen, den barrierefreien Zugang und die Benutzerfreundlichkeit der Freiflächenmöblierung. Alle Mitarbeiter werden in die Kontrolle der Einhaltung der Massnahmen einbezogen. Auch wird ihre Wahrnehmung über das Tagesgeschäft hinaus geschärft mit dem Ziel, dass alle ihren Teil an zukünftigen Verbesserungen beitragen sollen.

Mitbestimmung

Bei der Bewirtschaftung öffentlicher Grünanlagen muss es vor allem darum gehen, möglichst viele Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und dadurch den Angehörigen aller sozialen Schichten einen Begegnungsort in einem geschützten Raum zu geben. So sind in Nantes die Gemüsegärten entstanden, eine Strategie, die im Jahre 2003 mit der Verleihung des «prix Eurocités» honoriert wurde. Die im Vorhinein zu leistende Abstimmungsarbeit ist intensiv und das über mehrere Jahre laufende Projekt dann sozusagen massgeschneidert. Beispielsweise finden die verschiedenen Aktivitäten im Parc de la Crapaudine oder im Parc Croissant sowohl auf gemeinsamen als auch auf individuellen Parzellen statt: Spiel- oder Sportplätze, Hundebereiche, Lehrparzellen, gemeinsame Kompostsammelstellen, Obstwiesen et cetera. Der öffentliche Raum wird mithin gemeinsam von Amateur- und Stadtgärtnern gepflegt, eine für beide Seiten bereichernde Beziehung. In allen Gärten und kleinen Grünanlagen (von denen es in Nantes etwa Hundert gibt) finden – bei steigenden Besucherzahlen – Veranstaltungen und Events wie Pflanzenbörsen und Jazzkonzerte statt. Die Pflanzenausstellung «Folie des Plantes» zu den Themen Kochen und Garten, die vom 8. bis 9. September 2012 im Parc Grand Blottereau veranstaltet wird, wird ein wichtiger Anziehungspunkt für über 40 000 Pflanzenliebhaber aus dem Nordwesten Frankreichs sein. Dort werden die besten Köche und Pflanzenzüchter für eine gesellige Atmosphäre sorgen. Im Jahre 2014 findet in einem grösseren Massstab die internationale Gartenausstellung «Les Floralies Internationales de La Beaujoire» statt, zu der mehrere hunderttausend Besucher erwartet werden.

Die Anzahl der Besucher von Parks und öffentlichen Gärten ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für die geleistete Arbeit der Stadt. So ist beispielsweise die Attraktivität unseres Botanischen Gartens durch die vermehrt dort angebotenen Veranstaltungen enorm gewachsen. Mit etwa 1,5 Millionen Menschen im Jahre 2011 ist die Zahl der Besucher im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent angestiegen. Die Aufrechterhaltung eines Teams aus zurzeit vierzig Mitarbeitern für die Bewirtschaftung und Bewachung der öffentlichen Parks, die das ganze Jahr im Einsatz sind, ist ausserdem ein Garant für ein gut funktionierendes Grünflächenmanagement. Dank dieses Mitarbeiterstabs kann die Sicherheit in unseren öffentlichen Grünanlagen gewährleistet werden. Dies erklärt weitgehend die hohen Besucherzahlen. Diese Organisation kann ein sehr wichtiges Element sein, durch welches sich die Nutzung der Anlagen von Stadt zu Stadt unterscheidet.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bewirtschaftung von öffentlichen Grünanlagen heutzutage den Einsatz einer Vielzahl von Fachleuten erfordert. Unser Organigramm wurde daher entsprechend erweitert, und weitere Berufe wurden integriert: Landschaftsgärtner, Soziologen, Ökologen, Animateure, Controller, Qualitätsfachleute, Eventmanager, Personalsachbearbeiter. Mit diesem gesammelten Fachwissen ist es uns möglich, besser auf die Anforderungen der Öffentlichkeit zu reagieren und Werkzeuge zu schaffen, um den sozialen Zusammenhalt und die Umweltqualität zu verbessern. Die Kontrollindikatoren sind sicherlich mittlerweile zahlreicher geworden. Sie dürfen aber nicht als Zwang empfunden werden und müssen genug Freiraum lassen für Eigeninitiative, eine unerlässliche Bedingung für eine Weiterentwicklung all dieser Berufe, die für diejenigen, die sie ausüben, gleichzeitig Passion ist …

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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