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Corporate Architecture

Wie Gebautes die Wahrnehmung von Unternehmen steuert

Planende wie Auftraggeber profitieren von mit dem Unternehmen assoziierter qualitätvoller Architektur. Baukulturelle Verantwortung ist aber auch als Wahrung ethischer Grundsätze zu verstehen.

9. April 2012 - Iris Meder
Wenn in dieser Ausgabe des Architekturjournals wettbewerbe gleich vier neue Unternehmenszentralen vorgestellt werden, so ist das ein Anlass, das Prinzip Corporate Architecture näher zu beleuchten. Dass Architektur als Imageträger fungiert, ist kein neues Phänomen. War es in der Frühzeit der Industrialisierung vor allem die Größe, derentwegen Firmen Fabrikgebäude mit Reihen geschäftig rauchender Schlote auf Briefköpfen und in Annoncen abbildeten, so wurde und wird zunehmend auch über die Architektur selbst die Wahrnehmung von Unternehmen gesteuert, die oft abstrakte Konglomerate fusionierter Gesellschaften sind und, wie etwa Banken und Versicherungen, in der Außenwahrnehmung im Grunde keine positiv besetzte Identität mehr haben.

Man kann hier zu einem historischen Exkurs ausholen: Wer würde die Fagus Schuhleistenfabrik im niedersächsischen Alfeld an der Leine kennen, hätte ihr Chef Carl Benscheidt nicht einst den hoffnungsvollen jungen Architekten Walter Gropius beauftragt, sein Firmengebäude zu entwerfen? Das Fagus-Werk wurde 2011 zu seinem 100. Geburtstag mit dem UNESCO-Weltkulturerbe-Status ausgezeichnet und mit einer Ausstellung im Berliner Bauhaus-Archiv geehrt. Der Firma hat das architektonische Wagnis im Übrigen nicht geschadet: Sie erzeugt im Gropius-Bau nach wie vor erfolgreich Schuhleisten.

Identitätsschärfung durch Architektur

Corporate Architecture at its best also – auch wenn der Begriff als solcher erst in den 1990er Jahren geprägt wurde. Der Gedanke einer Identitätsschärfung durch Architektur war zu Benscheidts Zeiten für Unternehmen recht neu. Als erstes Corporate-Architecture-Konzept und Teil eines professionellen Corporate-Design Konzeptes gilt der Auftritt der Berliner AEG, die sich 1907 die Skills von Peter Behrens holte. Als Chefgestalter der AEG entwarf Behrens nicht nur die legendäre Turbinenhalle auf dem Werksgelände in Moabit, sondern, neben einem prägnanten Logo und der gesamten Grafik, auch elektrische Wasserkessel, Bogenlampen, Wanduhren und Ventilatoren. Behrens‘ gestalterisches Konzept, das konsequent schnörkellose, zuverlässige Modernität vermittelte – ähnlich wie die Baťa-Schuhfabriken im mährischen Zlín, Erich Mendelsohns Schocken-Kaufhäuser oder das ebenfalls stark auf Architektur ausgerichtete Corporate Design von Olivetti – bewährte sich hervorragend. Neben der Linzer Tabakfabrik realisierte Behrens auch die Zentrale des Chemiekonzerns Hoechst im gleichnamigen Frankfurter Vorort. Der expressionistische Bau aus den 1920er Jahren ist auch ein Beispiel dafür, wie eine ikonische Firmenzentrale zur Bildmarke werden kann – Behrens‘ Torgebäude zierte das Logo bis 1997, als der Konzern in einem gesichtslosen Konsortium mit einem nach Marketing-Kriterien generierten Fantasienamen aufging.

Jenseits des Atlantiks ging und geht es bei der virilen Parade glitzernder Firmenzentralen vor allem um Machtdemonstration in Form von Stockwerken, vom New Yorker Hochhaus der Nähmaschinenfirma Singer, das zur Zeit seiner Errichtung 1908 das höchste Gebäude der Welt war (und seit 1968 posthum den Weltrekord des höchsten jemals freiwillig abgerissenen Baus hält), über Woolworth und Chrysler zu Lever, Seagram, Pan Am und AT & T Building, die Architekturinteressierten heute oft präsenter sind als die Marken, die hinter ihnen stehen – auch die Tageszeitung Chicago Tribune wäre ohne ihren 1922 mit viel Medienpräsenz durchgeführten Hochhauswettbewerb schwerlich in die Architekturgeschichte eingegangen.

Gefahren der Corporate Architecture

Prinzipiell profitieren natürlich Planende wie Auftraggeber von mit dem Unternehmen assoziierter qualitätvoller Architektur – umso mehr, je besser das Gebaute das Image der Marke umsetzt. Die Bedeutung dieses Zweiges der Planung schlägt sich auch in der Einrichtung eines Masterstudiengangs mit Forschungsschwerpunkt Corporate Architecture an der Fachhochschule Köln vor vier Jahren nieder. Vermittelt werden Kriterien und Strategien für die Steuerung der Außenwahrnehmung von Unternehmen an den Schnittstellen zu Marketing, Design, IT, Soziologie, Raumplanung und Regionalentwicklung – wie nicht zuletzt Frank O. Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao zeigte, kann beispielsweise ein spektakulärer Museumsbau nicht nur die Aufmerksamkeit von seinem physischen und ideellen Inhalt – der Kunst – weg und auf sich selbst als Architekturikone ziehen, sondern ganze Regionen aufwerten.

Hier sind auch die Gefahren der Corporate Architecture zu sehen. Liegen neben einer Imageaufwertung auch die Schaffung guter Arbeitsbedingungen, ökologische Effizienz, Nachhaltigkeit und positive Auswirkungen auf Infrastruktur und städtebauliche Zusammenhänge im Interesse des Unternehmens, sind die Voraussetzungen für das Entstehen qualitätvoller Architektur gut. Als Beispiel einer gelungenen Umsetzung von Unternehmensgrundsätzen auch im Bereich einer Szenen-Credibility könnte man den Schiffscontainer-Turm des Zürcher Taschen-Labels Freitag nennen, dessen Entwurf des Büros Spillmann Echsle mit dem neu geschaffenen Schweizer Award für Marketing und Architektur ausgezeichnet wurde. Der markante Turm, der in kurzer Zeit ohne nennenswerten Ressourcenverschleiß um- und rückbaubar ist, setzt die auch in den Freitag-Produkten vermittelten Prinzipien Nachhaltigkeit und Flexibilität jenseits reiner Marketingstrategien überzeugend um. Ähnliches ließe sich vom flexibel konzipierten adidas brand center des Wiener Büros querkraft architekten sagen. In Österreich, wo alle sechs Jahre der Staatspreis Architektur in der Kategorie Industrie und Gewerbe vergeben wird, finden sich an vorbildlichen Lösungen neben den MPreis-Supermärkten in Tirol beispielsweise die prämierte Lustenauer Zentrale der Firma S.I.E von Marte.Marte Architekten oder Georg W. Reinbergs Niedrigenergie-Büro- und Werkstättenkomplex des Naturschwimmteich-Bauers Biotop in Weidling bei Wien. [...]

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Für den Beitrag verantwortlich: architekturjournal wettbewerbe

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roland Kanfer[at]Roland Kanfer[at]

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