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anthos 2015/1
Heilige Landschaften
anthos 2015/1
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Eine Meditationslandschaft

Mihintale in Sri Lanka ist eine von 2300 Jahren Buddhismus geprägte Landschaft. Unter den zahlreichen ­sakralen Bauten ist das Kloster Kaludiya Pokuna ein Meisterwerk sri-lankischer Landschaftsarchitektur.

Der Buddhismus wurde auf der Insel Ceylon im 3. Jahrhundert vor Christus von Mahinda, einem indischen Weisen, eingeführt. Der Mönch und Missionar liess sich in den bewaldeten Bergen von Mihintale, 15 Kilometer östlich von der antiken Hauptstadt Anuradhapura, nieder. Mahinda und seine Anhänger wohnten in den zahlreichen natürlichen Höhlen, und mit der Zeit waren die gesamten Berge von Mönchen bevölkert. So entstand im Lauf der Jahrhunderte ein Netzwerk von Klöstern. Die Überreste bezeugen heute noch das grosse Können der Architekten, Ingenieure und Handwerker jener Zeit.

Mihintale, Geburtsort der singhalesisch buddhistischen Zivilisation, ist bis heute einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte des Landes. Eine grosse, feierliche Treppe lädt die Pilger ein, im Schatten der westindischen Frangipanis Plumeria alba zum zen­tralen Tempel hinaufzusteigen und erschliesst das Wegenetz, das die sakralen Orte untereinander verbindet. Mehrere Gipfel waren mit weissen Stũpas1 bekrönt. Heute ist einzig der grosse Maha Sëya noch als Landmarke intakt.

Ein Meisterwerk der sakralen Landschaftsarchitektur

Eines der diversen alten Klöster fällt besonders auf, durch seine landschaftliche Schönheit, seinen besseren Erhaltungsgrad und seine perfekte Eingliederung in die Landschaft. Es ist Kaludiya Pokuna, «dunkler See». Das Ensemble, im Westen von Mihintale gelegen, besteht aus einem künstlichen See und einer Reihe von Bauten und Gartenanlagen entlang einer Nord-Süd-Achse. Seine Entstehung geht ins 9. Jahrhundert nach Christus zurück. Chroniken und archäologische Funde bezeugen, dass es sich auch durch die spirituelle und asketische Ausrichtung seiner Klostergemeinschaft auszeichnete, welche eine einzigartige architektonische und handwerkliche Perfektion kultivierte.

Von der kleinen Strasse aus gibt es nur einen diskreten Zugang. Es ist ein Fussweg aus Steinplatten, der durch eine Gruppe grosser Boulders2 hindurch schlängelnd ansteigt. Das Kloster liegt versteckt, bis man vor der Pforte steht. Sobald man die Schwelle überschreitet, kommt der Überraschungseffekt!
Der See wurde durch die Auffüllung des Auslaufs einer natürlichen Mulde geschaffen. Der grösste Teil seiner Ufer ist nach einem geometrischen Plan mit behauenen Steinen gebaut, dabei wurden aber die Unregelmässigkeiten der Granitfelsen bewusst integriert. Dieses Kontrastspiel zwischen architektonischer Strenge und den Rundungen der vorhandenen Boulders ist eine typische Besonderheit der sri-lankischen Landschaftsarchitektur.

Im See, am östlichen Ufer angebunden, liegt eine schiffsförmige Insel, in deren Mitte das Podest einmal von einem Pavillon gekrönt war.

Die Gebäude sind entlang einer Achse arrangiert, die am Eingang beginnt und auf den Felsengipfel ­Anaïkuttikanda ausgerichtet ist. Rechts davon befindet sich eine Gruppe von Mönchswohnungen, und der höchste Boulder am Waldrand ist von einer doppelten Terrasse, der «Padhanagara Parivena», gekrönt.

Links von der Achse liegt, weit in den See vorspringend, der Meditationsfelsen. Er ist die räumliche und geistige Mitte, das Auge der Anlage.

Auch wenn vom einstigen Kloster nur Reste vorhanden sind, ist der Anaïkuttikanda immer noch bewohnt von einigen Mönch-Eremiten, die im Schutz der enormen Boulders leben. Jeder Mönch pflegt seinen kleinen Garten und hält ihn sauber. Ein wichtiges Element ist der gradlinige Meditationspfad aus Sand, ungefähr 25 Meter lang. Er dient der schreitenden Meditation. Die Stille und die diskrete, aber spürbare Präsenz der Eremiten tragen zur geheimnisvollen Stimmung des Ortes bei.

Die geborgte Landschaft

Kaludiya Pokuna wurde im Brennpunkt der umgebenden Landschaft angelegt und erinnert an die japanische Technik des «Shakkeï», der «geborgten Landschaft». Die drei Berge sind Teil der Inszenierung, spiegeln sich im Wasser und definieren die Sichtbeziehungen. Zentrales Element der Anlage ist der See, er gibt ihr eine heitere, faszinierende Ruhe.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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