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anthos 2016/2
Stadtbäume
anthos 2016/2
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Garanten für Lebensqualität in der Stadt

Wenn Grünzüge mit Bäumen aus der Landschaft in die Quartiere führen, Parkplätze zu Baumplätzen werden, Strassenräume und Wege zu Alleen, ist viel für die Lebensqualität von Mensch und Tier in Verdichtungsgebieten erreicht. Trotz bestehenden guten Beispielen sind wir noch weit davon entfernt, Bäume als wichtige Strukturgeber in städtebaulichen Überlegungen zu akzeptieren.

5. Dezember 2016 - Gudrun Hoppe
Als im 18. Jahrhundert in Anlehnung an die französische Renaissance auch in der Schweiz die ersten Boulevards entstanden, veränderte sich das Bild der Städte. Im Gegensatz zu den engen mittelalterlichen Stadtstrukturen gab es nun neben Licht und Luft auch ausreichend Raum für Strassenbaumpflanzungen. Alleen, die bis dahin ausserhalb der Siedlungen Wege markierten, fanden Einzug in die Stadt. Neben ihrer raumgliedernden und damit städtebaulichen Bedeutung steigerten die Stadtbäume die Lebensqualität der Bevölkerung. Sie trugen effizient zur Staubreduktion bei und verwandelten die neu entstandenen Verkehrsschneisen in attraktive Räume mit Schattenspiel. Das Flanieren unter Bäumen wurde zu einem Qualitätsmerkmal der Stadt und ist es bis heute geblieben.

Bäume brauchen für ihre Entwicklung viel Zeit. Ihre volle Funktion und Schönheit entfalten sie erst nach Jahrzehnten und das auch nur, wenn Bedingungen und Standort optimal ausgebildet sind. Daher müssen sie vorausschauend und für kommende Generationen gepflanzt werden. Dessen sind sich vor allem Stadtplaner, Städtebauer und Architekten häufig leider zu wenig bewusst. In der aktuellen Verdichtungsdiskussion schliesst sich die Frage an, ob ­insbesondere dem Altbaumbestand ausreichende Aufmerksamkeit und entsprechender Schutz zukommen.

Baumstrategien entwickeln

Wir brauchen langfristige städtebauliche Strategien für den Baum! Dies sowohl im öffentlichen Raum wie auch bei Arealentwicklungen für den privaten Wohnungsbau. Ein kurz skizzierter Massnahmenkatalog könnte folgende Eckpunkte enthalten:
Dem Schutz und dem Erhalt gewachsener Strukturen mit alten gesunden Bäumen gebührt eine höhere Priorität.
Adäquate Ersatzmassnahmen bei Verlust von Bäumen, zum Beispiel durch Überbauungen, sind genauer und als verbindlich zu definieren.
Bei Neubauprojekten sind zusätzliche Bäume in ausreichender Anzahl im Verhältnis zur Bewohnerschaft vorzusehen, ähnlich, wie das heute bei Parkplatzverordnungen der Fall ist.
In Baugebieten mit vorwiegend privatem Grund sind parzellenübergreifende Strategien mit Bebauungs- und Baumkonzepten unter Einbezug der Eigentümer und Bewohnerschaft zu etablieren, die langfristig die Umstrukturierung beispielsweise von Einfamilienhausquartieren zu dichteren und doch attraktiven Wohngebieten gewährleisten.
Aufgrund des grossen Potenzials zur Nachverdichtung mit tragenden Grünstrukturen wird der Siedlungsrand als Entwicklungsschwerpunkt definiert, der als baumbestandener Grünraum seine vielseits geforderte vermittelnde Funktion zur freien Landschaft übernimmt. Der Versuch, die Vernetzung durch reduzierte Geschosszahlen in den Bauzonen zu erreichen, war bisher wenig erfolgreich und ist zumindest in der Agglomeration nicht mehr zeitgemäss. Der Siedlungsrand der Zukunft ist hoch – und dafür weniger flächig – bebaut, mit baumbestandenen Zwischenräumen für die Alltagserholung.
Zur Sicherung ihrer Ökosystemdienstleistungen in grösserem Kontext sind Bäume vermehrt als lineare Vernetzungs- und Durchlüftungsstrukturen entlang von Gewässern, Bahnlinien, Strassen, Fuss- und Radwegen und durchgehenden Grünkorridoren zu pflanzen. Erst, wenn diese Strukturen gesichert sind, ist eine Maximierung baulicher Verdichtung angezeigt.

Mithilfe dieses Massnahmenbündels könnte es uns gelingen, auch für künftige Generationen ein angenehmes Klima und eine hohe Lebensqualität in Verdichtungsräumen zu sichern.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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