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anthos 2019/02
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anthos 2019/02
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Eine Geschichte von Luft und Liebe

Der grosse Marktplatz von Vevey wird runderneuert. Zwischen dem historischen Kornspeicher «Grenette» und dem «Kiosque du Bois d’Amour» sowie von «La Grenette» bis zum Genfersee wird der Raum den FussgängerInnen zurückgegeben. Auch der Uferbereich wird aufwertend umgestaltet, unter anderem durch einen sanft abfallenden Uferstreifen.

3. Juni 2019 - Cristina Woods
Mit Blick auf die Flussmündung der Veveyse, dort wo sich Alt- und Neustadt begegnen, mit freier Sicht auf den See und die Alpen, befindet sich der «Grande Place du Marché», der symbolträchtige und aussergewöhnlich schön gelegene Marktplatz von Vevey. Im Zuge der Jahrhunderte wandelte sich die Nutzung dieses ehemaligen Warenumschlaghafens, Lager- und Zollstandortes und späteren Marktplatzes hin zu einem beliebten Ort für Festivitäten und die Betrachtung der prächtigen Landschaft.

Heutzutage dient der «Place du Marché» als Parkplatz für 450 Fahrzeuge und wird weiterhin für bestimmte zeitlich beschränkte Veranstaltungen genutzt, zum Beispiel den Wochenmarkt, das Festival «Images», Zirkusvorführungen, das Sankt-Martin-Fest oder das Winzerfest. Durch seine grosse ­Attraktivität und die Möglichkeiten für Geselligkeit und Freizeitgestaltung hat diese 2,5 Hektare grosse Fläche zwischen Stadt und See dennoch ein hohes Entwicklungspotenzial.

Der Rahmen für die zukünftige Räumlichkeit erfordert einige starke Eingriffe: eine neue Materialisierung des Bodens, eine reichhaltige und differenzierte Baumbepflanzung, Flächen für Entspannung und Freizeit, eine neue Beziehung zum Wasser, eine Grössenänderung der Parkplatzfläche und eine sensible Lichtgestaltung.

Das Zentrum offenbaren

Vom Kiosk «Bois d’Amour» aus erstreckt sich der grosse geneigte Teppich des Platzes zum klaren Wasser des Sees hin. Die zentrale Freifläche wird weiterhin für Veranstaltungen beibehalten. Zwischen «La Grenette» und dem Ufer weitet sich der Platz hin zur beeindruckenden Landschaft des ­Genfersees und der Alpen. Der Platz lädt uns dazu ein, ihn zu überqueren, doch auch dort innezuhalten, die frische Luft aus den Bergen zu geniessen, die Gedanken in die Weite schweifen zu lassen oder sich hinzusetzen, da er ein komfortables und einladendes urbanes Ambiente in unmittelbarem Kontakt mit der Natur bietet.

Dem Raum Dynamik gewähren

Querende Bewegungen und visuelle Durchbrüche beleben diese grosse Öffnung. Als Musterbeispiel eines Entfaltungsraums für offenes, freies Atmen lädt der Platz Blick und Körper ein, umherzuschweifen. Es gibt viele Möglichkeiten, unterschiedlichste Strecken zu erkunden und auf Entdeckungstour zu gehen. Die Wege sind miteinander verwoben, Blicke begegnen sich, es entstehen Verbindungen; die einmündenden Strässchen laden ein, sie zu erforschen. Alles ist möglich in diesem mit neuer Dynamik versehenen Raum.

Der Parkplatz für 200 Fahrzeuge im östlichen Platzteil wird ebenfalls umgestaltet. Durch eine Verbreiterung der einzelnen Parkfelder können FussgängerInnen ihn komfortabel durchqueren. Seine Kapazität wird je nach Bedarf angepasst und könnte schrittweise sinken.

Die Randbereiche des Platzes bewohnen

Alle Fassaden der angrenzenden Gebäude sind unterschiedlich. Das Architekturerbe wird aufgewertet, während das Naturerbe durch Anpflanzung von circa 60 neuen Bäumen verschiedener Arten (Linden, Platanen, Eichen, Zierobstbäume) verstärkt wird, die das Bioklima dieses städtischen Raums verbessern.

Unter diesen Bäumen laden die Terrassen der Cafés und die Stadtmöblierung Einheimische und BesucherInnen ein, sich auszuruhen und auszu­tauschen, im Winter in der wärmenden Sonne, im Sommer im kühlen Schatten der Bäume. Rabatten strukturieren diese Bereiche. Die urbane landschaftsarchitektonische Gestaltung der Randbereiche des Platzes führt zur Entstehung von baumgesäumten Lounges, die im Kontrast zum Massstab und der steinernen Ausdehnung des Platzes stehen.

Durch die Präsenz der Pflanzen und Bäume, des Schattens und der Stadtmöblierung, auf einem lockeren und durchlässigen Boden, fühlt der Mensch sich unter den verschiedenartigen natürlichen und erfrischenden Baumkronen willkommen. Die entsprechend angepasste Beleuchtung und der dazugewonnene Komfort laden zum Flanieren ein.

Den See berühren

Wasser fasziniert und stimuliert alle Sinne: Durch die Allgegenwart der Geräusche und Gerüche des Wassers und seiner Anziehungskraft auf Tastsinn und Blick übt der See einen ausserordentlichen Reiz aus. Die diversen auf der Wasseroberfläche vom Wind geschaffenen Muster werden durch den zentralen Bodenbelag aufgenommen, der zwischen glatter und rauer Oberfläche wechselt.

Das freigewordene Ufer lädt dazu ein, sich dem See zu nähern. Die Uferneigung wurde sanft abgeflacht, und die Schanzenbefestigung wird aus langgezogenen, geneigten Stufen aus vorhandenen Steinen und Betonstreifen neu gebaut.

Der Sandstrand schmiegt sich ans Ufer an und wird von einem begrünten Saum mit doppelseitigen Sitzbänken begleitet, die zwischen der Promenade und dem Platz zu einer subtilen Trennung zugunsten von Ruhe und Entspannung führen. Hölzerne Stege überqueren den Sandstrand, und städtische Liegestühle laden dazu ein, sich am Wasser hinzulegen.

Vevey, Stadt des süssen Lebens

Der Platz ist für eine so kleine Stadt einfach riesig. Aufgrund seines Massstabes in Verbindung zu seiner grandiosen natürlichen Umgebung sowie seiner Konfiguration als überdimensioniertes geneigtes Trapez ist er eindeutig eine Besonderheit. Die Herausforderung besteht darin, die Offenheit beizubehalten, dank derer der multifunktionelle Charakter weiterbesteht und ein angenehmes städtisches Klima gewährleistet wird. Aufgrund der Durchlässigkeit der mehrheitlich verwendeten, auf einem Kiesbett liegenden Bodenbeläge integriert das Projekt auch den Zyklus des Wassers. Ein System zur Rückgewinnung des Oberflächenwassers dient zusätzlich zur Bewässerung der grosszügigen Pflanzmulden der Bäume im lockeren Boden. So können sich die Bäume natürlicher entwickeln und ihre Bewässerung kann auf ein Mindestmass reduziert werden. Die durch Pflanzen, Bäume und Schatten erzeugte Frische wird in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Das süsse Stadtleben am Wasser und in der Nähe eines solchen öffentlichen Raums ist ein Privileg in Vevey.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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