Zeitschrift
ARCH+ 180
convertible city
Formen der Verdichtung und Entgrenzung
8. September 2006 - Almut Grüntuch-Ernst, Armand Grüntuch
Die 10. Internationale Architektur-Biennale Venedig 2006 „Cities, Architecture and Society“ thematisiert unter der Leitung von Richard Burdett die Veränderungen urbanen Lebens zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Mehr denn je wird städtisches Leben von vielfältigen Überlagerungen ökonomischer, sozialer, geografischer, politischer, kultureller und gestalterischer Transformationsprozesse geprägt.
Das Thema des deutschen Beitrages führt in die Kernbereiche deutscher Großstädte, zu Orten, an denen sich die ältesten Spuren aus der Vergangenheit mit den neuesten Spuren in die Zukunft überlagern. Die Zentrifugalkraft, die jahrzehntelang Familien und Unternehmen an den Stadtrand drängte, wird schwächer. Die Innenstadt, die lange Zeit nur als laut, unattraktiv und gefährlich angesehen wurde, erlebt über alle Altersschichten und Lebensstile hinweg neue Wertschätzung.
Die Europäische Stadt ist noch immer in ihrer Gestalt wesentlich durch Tradition und Historie bestimmt und somit anders als die rasant wachsenden neuen Metropolen im asiatischen oder lateinamerikanischen Raum. Das ist eine wunderbare Qualität, aber es geht nicht um die Musealisierung der Europäischen Stadt, sondern um ihre Weiterentwicklung, um Kontinuität und den Eigensinn einer jeden Epoche, d.h um das Weiterbauen an der Stadt.
Die Umstrukturierung der Industriegesellschaft, der aktuelle demografische Wandel und eine zunehmend pluralistische Gesellschaft stellen in Deutschland besondere Herausforderungen an Architektur und Städtebau. Die Stadt als Spiegel einer Gesellschaft lebendiger Vielschichtigkeit muss neu stabilisiert und generiert werden. Die demografische Entwicklung und der Wandel der Gesellschaft bringen neue Lebensentwürfe hervor. Ältere Menschen ziehen zurück in die Stadt, die Dreißig-und Vierzigjährigen wandern nicht mehr automatisch an den Stadtrand. An die Stelle der klassischen Kleinfamilie treten Single-, allein Erziehende-, Wohngemeinschafts-oder Mehrgenerationen-Lebensentwürfe. In den Städten stellt sich die Aufgabe der Integration von Zuwanderern in unsere Gesellschaft, die auch eine kulturelle Bereicherung anbieten. Der Umbau von einer Industrie-zu einer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft eröffnet neue Möglichkeiten, die vorhandenen Infrastrukturen der Städte, ihre Gebäude, Straßen und Versorgungseinrichtungen besser und nachhaltiger zu nutzen.
Die Revitalisierung der Städte beschäftigt uns als Architekten schon seit längerer Zeit. Wir stellen fest, dass dabei immer häufiger Aufgaben auf uns zukommen, die Architekten einen kreativeren Umgang mit Bestandssituationen und eine innovativere Auseinandersetzung mit Urbanität abfordern. Im Umbruch befinden sich viele deutsche Städte. Hamburg, Duisburg, Köln und Düsseldorf erobern den Stadtrand ihrer früheren Hafenareale wieder für die Stadt zurück. Berlin repariert und verdichtet sein historisches Zentrum. Frankfurt erweitert den Stadtraum seiner engen Innenstadt durch vertikale Verdichtung und die Transformation früherer Gewerbegelände. Umstrukturierungen des Bahnverkehrs eröffnen München und Stuttgart große Gebiete für neues städtisches Leben und Arbeiten. Wo sich ehemals Kasernen erstreckten, entstehen nicht nur in Tübingen und Freiburg neue Stadtquartiere.
Höchst individuelle Lösungsansätze für verschiedene Orte und Funktionen im Umbruch werden uns als Architekten abverlangt. Konversionen und Lückengebäude sind oft die ersten Pioniere für das Reprogrammierung städtischer Orte. Neue Lebens- und Arbeitswelten verlangen nach einer Neuinterpretation von Lebensqualität und stehen für ein neues Lebensgefühl, für eine neue Lust an der Stadt. Die erlebte und gefühlte Stadt wird zu einem Thema, das sich aus ganz persönlichen Erfahrungen entwickelt, wie etwa dem Wunsch Büro und Familie in der Innenstadt zu verbinden. Andererseits erreichen Events und temporäre Gebäude in der Stadt eine immer größere Aufmerksamkeit und wecken das öffentliche Interesse für eine Stadt weit über den Kreis ihrer Stadtbewohner hinaus. Gerade während der Fußball-Weltmeisterschaft haben wir erleben können, wie rasch sich Städte verwandeln und positive Energien aktivieren konnten.
Mit dem diesjährigen Thema der Biennale „Cities, Architecture and Society“ stellt sich uns auch die Frage nach der gesellschaftspolitischen Rolle der Architekten: Welchen Beitrag können Architekten zum Stadtumbau leisten? Welche Transformationsprozesse ökonomischer, sozialer, politischer, kultureller oder gestalterischer Art werden nicht zuletzt auch von Architekten mit vorangetrieben? Welche interdisziplinären Konzepte, Vernetzungen und Aktivitäten sind für eine lebendige Stadt erforderlich? Wie leben und erleben wir die verdichtete Innenstadt der Großstädte? Der Wandel der Städte ist vielschichtig, Architekten müssen Stellung beziehen. Dies legte es nahe, den deutschen Beitrag für die 10.Architekturbiennale auf stimulierende Projekte der Transformation bestehender stadträumlicher Situationen zu fokussieren, auf Projekte, deren Dynamik und Kreativität städtisches Leben bereichern. Die Transformation im urbanen Umfeld erfordert auch einen sich innerhalb der Architektur vollziehenden Wahrnehmungswandel. Die Ausstellung will die Neubewertung des noch vielen Architekten wenig attraktiv erscheinenden Aufgabenfeldes des Umbaus und der Umnutzung fördern. Die Thematisierung dieser Aufgaben soll aber nicht nur Resonanz in der Fachwelt, sondern auch im breiten öffentlichen Bewusstsein finden.
Die spannungsreiche Verwandlung von Architektur und Stadtgefüge sowie die nachhaltige Nutzung vorhandener Potenziale für neue urbane Wohn- und Arbeitswelten wird „Convertible City“ anhand beispielhafter Projekte aufzeigen. Grundlage sind programmatische Thesen:
Convertible City ist Ausdruck der Kontinuität und der Wandlungskraft urbanen Raumes Convertible City ist Appell für den Erhalt der Vielseitigkeit städtischen Lebens
Convertible City ist Aufforderung zur nachhaltigen Nutzung der Kernstädte
Convertible City ist Alternative zur Zersiedlung der Naturräume
Convertible City ist Auflösung von Grenzen im Lebensraum Stadt
Convertible City ist Aufruf zur kreativen Aneignung der städtischen Räume
Convertible City ist Ausdruck eines positiven Lebensgefühls in der Stadt
Convertible City ist Anregung und Stimulation für neue Lebensentwürfe
Über Wochen und Monate hinweg fand eine breite interdisziplinäre Diskussion statt; Projekte wurden erwogen, verworfen und erneut geprüft. Mit einem ganzheitlichen Ansatz wie beim Planen und Bauen näherten wir uns allen Projekten, Akteuren und Stadträumen. Viele Gespräche und Besuche vor Ort halfen das umfangreiche Material zu sichten, abzuwägen und den Kreis der für das Thema geeigneten Projekte zu präzisieren. Dabei verstanden wir unsere Tätigkeit als Kuratoren als ein Experiment und offenen Prozess.
So präsentiert „Convertible City“ weniger allgemeingültige Lösungen als vielmehr ein breites Spektrum von Projekten, die sich in ihrem Selbstverständnis, in der Interaktion ihrer Akteure und Wirkungen den Anforderungen einer sich verändernden Gesellschaft und Kulturlandschaft stellen: Projekte der Umnutzung, des gesellschaftlichen Wandels und der Reprogrammierung städtischen Raumes, die den Erwartungen an eine reale Architektur des Alltags standhalten können. Dazu präsentiert die Ausstellung realisierte sowie nicht realisierte Arbeiten bekannter und weniger bekannter Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Künstler. Durch flexibles Denken und Konzepte der Nachhaltigkeit zeigen diese Projekte neue Chancen der Architektur und des Stadtraumes auf. Sie geben den Ausstellungsbesuchern einen Einblick in die große Vielfalt kreativer Transformationen im urbanen Raum Deutschlands. Die 36 ausgewählten Projekte thematisieren exemplarisch verschiedene Formen der Umwandlung und Verdichtung zeitgenössischen Stadtraums:
Manche Projekte zeigen die Möglichkeiten architektonischer Anlagerung an bereits vorhandene Bauten. Durch Überlagerung, Verschiebung und Durchdringung werden bestehende Gebäudestrukturen erweitert, neu verbunden und definiert. Andere Projekte demonstrieren einen spielerischen und spontanen Umgang mit der Wahrnehmung und Nutzung städtischen Raumes. Dabei handelt es sich sowohl um mediale Bespielungen urbaner Oberflächen als auch um Aktivierungen stadturban naher Leerflächen zu urban vernetzten Räumen. Einige Projekte zeigen die Möglichkeiten der Auflösung und Neudefinition der Nutzungsformen vorhandener Bauten. Dazu zählt auch die Neuentdeckung architektonischer und städtebaulicher „Erblasten“, etwa wie ungeliebte Bauten und Räume der Nachkriegszeit, die mit neuen Funktionen und Wahrnehmungs-Angeboten für die Stadt zurückgewonnen werden können.
Beim Betreten des Deutschen Pavillons erlebt der Besucher einen Schauplatz städtischer Vitalität und architektonischer Vielfalt. Hier findet sich Stadt in lebendiger Enge als Ort der Kommunikation und Kontraste inszeniert. Im Kontrast zur Belebtheit der Haupthalle laden die Seitenflügel zur konzentrierten Beschäftigung mit den Projekten ein. Eine überraschende Erweiterung sind auch die „Convertible Boxes“. Die aufklappbaren, über die Projekte hinausweisenden Objekte der Architekten, die von jedem Teilnehmer individuell gestaltet wurden reagieren ebenso kreativ wie eigensinnig auf die gestellte Aufgabe.
Erstmals durchstößt und erweitert der Pavillon seinen Raum mit dem gestalterischen Element eines von der Haupthalle zur Dachebene führenden Treppenkörpers. Mit einer aufgesetzten „Altana“ – einem typisch venezianischen Architekturelement – wird die erhöhte Lage des deutschen Pavillons erfahrbar und den Besuchern eine Aussichtsplattform und ein Treffpunkt geboten. Die temporären Ergänzungen definieren den Deutschen Pavillon als transistorischen Raum neu und aktivieren die bislang nicht genutzte Dachfläche als einen unerwarteten Ort der Kommunikation mit überraschenden Perspektiven. Der Deutsche Pavillon dient nicht mehr allein als Hülle für Exponate, sondern kann nun für die Dauer der Biennale als Exponat einer strukturellen Überlagerung von Vergangenheit und Gegenwart entdeckt werden. So wird er auch Ort mehrerer Begleitveranstaltungen, die zur Diskussion über die vielen offenen Fragen der zeitgenössischen Stadt und Architektur einladen.
Das Prinzip der Konversion bereits existierender Strukturen haben wir auch auf die Publikation übertragen, auf die existierende Architekturzeitschrift „archplus“, deren Redaktion und Gestaltung wir für die Ausgabe „Convertible City“ übernahmen. Neben den Projekten konzipierten wir für diese andere Art eines Ausstellungskatalogs thematische Essays und interdisziplinäre Beiträge mit unterschiedlichen Perspektiven zum Phänomen städtischen Lebens. Dazu haben wir u.a. Zukunftsforscher, Filmemacher, Choreografen eingeladen, um ihren Blick und ihre Position zur Stadt einzubringen. Wie die Stadt ein Laboratorium für unterschiedliche Lebensformen ist, so ist „Convertible City“ das Bild vielfältiger Wahrnehmungen und Interpretationen umgesetzt in der Ausstellung, dem Katalog und durch die Verwandlung des deutschen Pavillons.
Das Thema des deutschen Beitrages führt in die Kernbereiche deutscher Großstädte, zu Orten, an denen sich die ältesten Spuren aus der Vergangenheit mit den neuesten Spuren in die Zukunft überlagern. Die Zentrifugalkraft, die jahrzehntelang Familien und Unternehmen an den Stadtrand drängte, wird schwächer. Die Innenstadt, die lange Zeit nur als laut, unattraktiv und gefährlich angesehen wurde, erlebt über alle Altersschichten und Lebensstile hinweg neue Wertschätzung.
Die Europäische Stadt ist noch immer in ihrer Gestalt wesentlich durch Tradition und Historie bestimmt und somit anders als die rasant wachsenden neuen Metropolen im asiatischen oder lateinamerikanischen Raum. Das ist eine wunderbare Qualität, aber es geht nicht um die Musealisierung der Europäischen Stadt, sondern um ihre Weiterentwicklung, um Kontinuität und den Eigensinn einer jeden Epoche, d.h um das Weiterbauen an der Stadt.
Die Umstrukturierung der Industriegesellschaft, der aktuelle demografische Wandel und eine zunehmend pluralistische Gesellschaft stellen in Deutschland besondere Herausforderungen an Architektur und Städtebau. Die Stadt als Spiegel einer Gesellschaft lebendiger Vielschichtigkeit muss neu stabilisiert und generiert werden. Die demografische Entwicklung und der Wandel der Gesellschaft bringen neue Lebensentwürfe hervor. Ältere Menschen ziehen zurück in die Stadt, die Dreißig-und Vierzigjährigen wandern nicht mehr automatisch an den Stadtrand. An die Stelle der klassischen Kleinfamilie treten Single-, allein Erziehende-, Wohngemeinschafts-oder Mehrgenerationen-Lebensentwürfe. In den Städten stellt sich die Aufgabe der Integration von Zuwanderern in unsere Gesellschaft, die auch eine kulturelle Bereicherung anbieten. Der Umbau von einer Industrie-zu einer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft eröffnet neue Möglichkeiten, die vorhandenen Infrastrukturen der Städte, ihre Gebäude, Straßen und Versorgungseinrichtungen besser und nachhaltiger zu nutzen.
Die Revitalisierung der Städte beschäftigt uns als Architekten schon seit längerer Zeit. Wir stellen fest, dass dabei immer häufiger Aufgaben auf uns zukommen, die Architekten einen kreativeren Umgang mit Bestandssituationen und eine innovativere Auseinandersetzung mit Urbanität abfordern. Im Umbruch befinden sich viele deutsche Städte. Hamburg, Duisburg, Köln und Düsseldorf erobern den Stadtrand ihrer früheren Hafenareale wieder für die Stadt zurück. Berlin repariert und verdichtet sein historisches Zentrum. Frankfurt erweitert den Stadtraum seiner engen Innenstadt durch vertikale Verdichtung und die Transformation früherer Gewerbegelände. Umstrukturierungen des Bahnverkehrs eröffnen München und Stuttgart große Gebiete für neues städtisches Leben und Arbeiten. Wo sich ehemals Kasernen erstreckten, entstehen nicht nur in Tübingen und Freiburg neue Stadtquartiere.
Höchst individuelle Lösungsansätze für verschiedene Orte und Funktionen im Umbruch werden uns als Architekten abverlangt. Konversionen und Lückengebäude sind oft die ersten Pioniere für das Reprogrammierung städtischer Orte. Neue Lebens- und Arbeitswelten verlangen nach einer Neuinterpretation von Lebensqualität und stehen für ein neues Lebensgefühl, für eine neue Lust an der Stadt. Die erlebte und gefühlte Stadt wird zu einem Thema, das sich aus ganz persönlichen Erfahrungen entwickelt, wie etwa dem Wunsch Büro und Familie in der Innenstadt zu verbinden. Andererseits erreichen Events und temporäre Gebäude in der Stadt eine immer größere Aufmerksamkeit und wecken das öffentliche Interesse für eine Stadt weit über den Kreis ihrer Stadtbewohner hinaus. Gerade während der Fußball-Weltmeisterschaft haben wir erleben können, wie rasch sich Städte verwandeln und positive Energien aktivieren konnten.
Mit dem diesjährigen Thema der Biennale „Cities, Architecture and Society“ stellt sich uns auch die Frage nach der gesellschaftspolitischen Rolle der Architekten: Welchen Beitrag können Architekten zum Stadtumbau leisten? Welche Transformationsprozesse ökonomischer, sozialer, politischer, kultureller oder gestalterischer Art werden nicht zuletzt auch von Architekten mit vorangetrieben? Welche interdisziplinären Konzepte, Vernetzungen und Aktivitäten sind für eine lebendige Stadt erforderlich? Wie leben und erleben wir die verdichtete Innenstadt der Großstädte? Der Wandel der Städte ist vielschichtig, Architekten müssen Stellung beziehen. Dies legte es nahe, den deutschen Beitrag für die 10.Architekturbiennale auf stimulierende Projekte der Transformation bestehender stadträumlicher Situationen zu fokussieren, auf Projekte, deren Dynamik und Kreativität städtisches Leben bereichern. Die Transformation im urbanen Umfeld erfordert auch einen sich innerhalb der Architektur vollziehenden Wahrnehmungswandel. Die Ausstellung will die Neubewertung des noch vielen Architekten wenig attraktiv erscheinenden Aufgabenfeldes des Umbaus und der Umnutzung fördern. Die Thematisierung dieser Aufgaben soll aber nicht nur Resonanz in der Fachwelt, sondern auch im breiten öffentlichen Bewusstsein finden.
Die spannungsreiche Verwandlung von Architektur und Stadtgefüge sowie die nachhaltige Nutzung vorhandener Potenziale für neue urbane Wohn- und Arbeitswelten wird „Convertible City“ anhand beispielhafter Projekte aufzeigen. Grundlage sind programmatische Thesen:
Convertible City ist Ausdruck der Kontinuität und der Wandlungskraft urbanen Raumes Convertible City ist Appell für den Erhalt der Vielseitigkeit städtischen Lebens
Convertible City ist Aufforderung zur nachhaltigen Nutzung der Kernstädte
Convertible City ist Alternative zur Zersiedlung der Naturräume
Convertible City ist Auflösung von Grenzen im Lebensraum Stadt
Convertible City ist Aufruf zur kreativen Aneignung der städtischen Räume
Convertible City ist Ausdruck eines positiven Lebensgefühls in der Stadt
Convertible City ist Anregung und Stimulation für neue Lebensentwürfe
Über Wochen und Monate hinweg fand eine breite interdisziplinäre Diskussion statt; Projekte wurden erwogen, verworfen und erneut geprüft. Mit einem ganzheitlichen Ansatz wie beim Planen und Bauen näherten wir uns allen Projekten, Akteuren und Stadträumen. Viele Gespräche und Besuche vor Ort halfen das umfangreiche Material zu sichten, abzuwägen und den Kreis der für das Thema geeigneten Projekte zu präzisieren. Dabei verstanden wir unsere Tätigkeit als Kuratoren als ein Experiment und offenen Prozess.
So präsentiert „Convertible City“ weniger allgemeingültige Lösungen als vielmehr ein breites Spektrum von Projekten, die sich in ihrem Selbstverständnis, in der Interaktion ihrer Akteure und Wirkungen den Anforderungen einer sich verändernden Gesellschaft und Kulturlandschaft stellen: Projekte der Umnutzung, des gesellschaftlichen Wandels und der Reprogrammierung städtischen Raumes, die den Erwartungen an eine reale Architektur des Alltags standhalten können. Dazu präsentiert die Ausstellung realisierte sowie nicht realisierte Arbeiten bekannter und weniger bekannter Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Künstler. Durch flexibles Denken und Konzepte der Nachhaltigkeit zeigen diese Projekte neue Chancen der Architektur und des Stadtraumes auf. Sie geben den Ausstellungsbesuchern einen Einblick in die große Vielfalt kreativer Transformationen im urbanen Raum Deutschlands. Die 36 ausgewählten Projekte thematisieren exemplarisch verschiedene Formen der Umwandlung und Verdichtung zeitgenössischen Stadtraums:
Manche Projekte zeigen die Möglichkeiten architektonischer Anlagerung an bereits vorhandene Bauten. Durch Überlagerung, Verschiebung und Durchdringung werden bestehende Gebäudestrukturen erweitert, neu verbunden und definiert. Andere Projekte demonstrieren einen spielerischen und spontanen Umgang mit der Wahrnehmung und Nutzung städtischen Raumes. Dabei handelt es sich sowohl um mediale Bespielungen urbaner Oberflächen als auch um Aktivierungen stadturban naher Leerflächen zu urban vernetzten Räumen. Einige Projekte zeigen die Möglichkeiten der Auflösung und Neudefinition der Nutzungsformen vorhandener Bauten. Dazu zählt auch die Neuentdeckung architektonischer und städtebaulicher „Erblasten“, etwa wie ungeliebte Bauten und Räume der Nachkriegszeit, die mit neuen Funktionen und Wahrnehmungs-Angeboten für die Stadt zurückgewonnen werden können.
Beim Betreten des Deutschen Pavillons erlebt der Besucher einen Schauplatz städtischer Vitalität und architektonischer Vielfalt. Hier findet sich Stadt in lebendiger Enge als Ort der Kommunikation und Kontraste inszeniert. Im Kontrast zur Belebtheit der Haupthalle laden die Seitenflügel zur konzentrierten Beschäftigung mit den Projekten ein. Eine überraschende Erweiterung sind auch die „Convertible Boxes“. Die aufklappbaren, über die Projekte hinausweisenden Objekte der Architekten, die von jedem Teilnehmer individuell gestaltet wurden reagieren ebenso kreativ wie eigensinnig auf die gestellte Aufgabe.
Erstmals durchstößt und erweitert der Pavillon seinen Raum mit dem gestalterischen Element eines von der Haupthalle zur Dachebene führenden Treppenkörpers. Mit einer aufgesetzten „Altana“ – einem typisch venezianischen Architekturelement – wird die erhöhte Lage des deutschen Pavillons erfahrbar und den Besuchern eine Aussichtsplattform und ein Treffpunkt geboten. Die temporären Ergänzungen definieren den Deutschen Pavillon als transistorischen Raum neu und aktivieren die bislang nicht genutzte Dachfläche als einen unerwarteten Ort der Kommunikation mit überraschenden Perspektiven. Der Deutsche Pavillon dient nicht mehr allein als Hülle für Exponate, sondern kann nun für die Dauer der Biennale als Exponat einer strukturellen Überlagerung von Vergangenheit und Gegenwart entdeckt werden. So wird er auch Ort mehrerer Begleitveranstaltungen, die zur Diskussion über die vielen offenen Fragen der zeitgenössischen Stadt und Architektur einladen.
Das Prinzip der Konversion bereits existierender Strukturen haben wir auch auf die Publikation übertragen, auf die existierende Architekturzeitschrift „archplus“, deren Redaktion und Gestaltung wir für die Ausgabe „Convertible City“ übernahmen. Neben den Projekten konzipierten wir für diese andere Art eines Ausstellungskatalogs thematische Essays und interdisziplinäre Beiträge mit unterschiedlichen Perspektiven zum Phänomen städtischen Lebens. Dazu haben wir u.a. Zukunftsforscher, Filmemacher, Choreografen eingeladen, um ihren Blick und ihre Position zur Stadt einzubringen. Wie die Stadt ein Laboratorium für unterschiedliche Lebensformen ist, so ist „Convertible City“ das Bild vielfältiger Wahrnehmungen und Interpretationen umgesetzt in der Ausstellung, dem Katalog und durch die Verwandlung des deutschen Pavillons.
[ Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Deutschen Beitrags zur 10.
Architekturbiennale in Venedig. Alle Rechte vorbehalten. ]
Architekturbiennale in Venedig. Alle Rechte vorbehalten. ]
Für den Beitrag verantwortlich: ARCH+
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