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Bauwelt 5.07
Wie authentisch ist Le Corbusiers letzter Bau
Bauwelt 5.07
zur Zeitschrift: Bauwelt

Le Tramway des Maréchaux. Die Wieder­geburt der Pariser Straßenbahn

Fast 60 Jahre gab es im Pariser Stadtgebiet keine Straßenbahn. Im Dezember sind die ersten acht Kilometer einer neuen Tramlinie eröffnet worden.

26. Januar 2007 - Boris Maninger
Schon Ende der 30er Jahre rangierte Frankreich weltweit an dritter Stelle der Autofahrernationen. Dem Automobil wurde sowohl in der nationalen Verkehrspolitik als auch im Städtebau höchste Priorität einge­räumt; man denke nur an Le Corbusiers Plan Voisin von 1925, mit dem er die gesamte Pariser Innenstadt in ein autogerechtes Hochhausviertel verwandeln wollte. Straßenbahnen galten zu jener Zeit bereits als veraltet, unbeweglich und laut. Sie waren dem zu­neh­menden Autoverkehr im Weg, und fast alle französi­schen Städte ersetzten sie nach und nach durch Busse. Im März 1937 wurde die letzte Straßenbahnlinie durch das Pariser Stadtgebiet eingestellt.

Die Nachteile des Autoverkehrs schlugen sich in den folgenden Jahrzehnten vor allem an der Pariser Stadtgrenze nieder: Sowohl die chronisch verstopfte Ringautobahn le Périphérique als auch der parallel dazu verlaufende Boulevardring les Maréchaux wa­ren zu einer fast unüberwindbaren Grenze zwischen Paris intramuros und seinen Vororten geworden. Zu­dem offenbarte sich hier das entscheidende Manko des Pariser Nahverkehrsnetzes: Alle Métro- und RER-Linien verlaufen konzentrisch. Und während früher einmal die Ringeisenbahn Petite Ceinture die Viertel am Stadtrand und die Vororte miteinander verband, verkehrte inzwischen nur mehr eine unzureichende Busringlinie. Als die Stadt Paris im Jahr 1995 eine Machbarkeitsstudie für eine Straßenbahn entlang ih­res vernachlässigten Südrands in Auftrag gab, konnten man von den Erfahrungen anderer französischer Städte profitieren, die bereits ab Mitte der 80er Jahre wieder moderne Trambahnnetze aufgebaut hatten. Und damit nicht nur Verkehrsprobleme lösten, sondern obendrein ganze Stadtviertel aufwerteten. Zu den Pionieren gehörten Grenoble, Nantes und Straßburg (Hefte 39.00 und 19.06); 1992 war auch im Großraum Paris die erste neue Linie eröffnet worden, Saint Denis–Bobigny, gefolgt von der Linie Issy–La Défense.

Für den Pariser Südrand wurden zwei mögliche Trassenführungen untersucht: die Nutzung der stillgelegten, aber noch existierenden Eisenbahntrasse Petite Ceinture oder auf dem Boulevardring les Maréchaux selbst. Die Eisenbahntrasse hätte den Vorteil einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit geboten, da sie kreuzungsfrei ist. Allerdings hätte es nur wenige Stationen geben können, die zudem schwer zugänglich gewesen wären, da der Schienenstrang
auf Viadukten, abgesenkt in Schluchten und teilweise im Tunnel verläuft. Die zweite Variante auf den Boulevards Maréchaux war deutlich kostengünstiger, bot bessere Verknüpfungsmöglichkeiten mit dem bestehenden Verkehrsnetz und ermöglichte obendrein eine Aufwertung der verkehrsgeplagten Stadtviertel, weshalb man sich auch für sie entschied.

Das erklärte Ziel der Stadt war es, den Autoverkehr um 25 Prozent zu senken, den Straßenraum zum Vorteil von Fußgängern und Radfahrern neu aufzuteilen und das Bild der Straßenzüge auch optisch aufzuwer­ten – womit der Architekt und Stadtplaner Antoine Grumbach beauftragt wurde. Er reduzierte den Autoverkehr auf zwei Spuren pro Richtung, verbreiterte die Gehwege, legte Radwege an, ließ über 1000 Bäume pflanzen und begrünte den gesamten Schienenbereich mit Rasen. Ein gestalterischer Höhe­punkt des Projekts: der Parcours artistique, eine Se­­-­rie von neun Skulpturen und Installationen zeitge­nössi­scher Künstler. Das Design der Haltestellen und des übrigen Mobiliars für die Boulevards, konzipiert von Jean Michel Wilmotte und Arnaud de Bussière, mischt Inspirationen aus dem traditionellen Pariser Stadtmobiliar und der Corporate Identity der Pariser Verkehrsbetriebe RATP. Braun, die charakteristische Farbe der hauptstädtischen Stadtmöbel, und Stahlgrau, ein Verweis auf die Technologie der RATP, dominieren. Das Licht an den Unterseiten der Haltestellenüberdachungen wechselt ständig Farbe und Intensität; die Form der Stützen ist den Ästen eines Baums nachempfunden.

Auch wenn der ganz große Ansturm auf die Immobilien entlang der neuen Straßenbahn noch auf sich warten lässt, sprechen die Makler doch schon von Preissteigerungen zwischen 5 und 10 Prozent in diesem vor kurzem noch unattraktiven Stadtgebiet. Die acht Kilometer lange Strecke zwischen dem Pont du Garigliano und der Porte d’Ivry wurde am 16. Dezember als Linie T3 eröffnet. Ihre Erweiterung bis zur Porte de la Chapelle am nördlichen Stadtrand ist inzwischen beschlossen. Mit dem Bau soll 2008 begonnen werden, die Inbetriebnahme ist für 2012 geplant. Gleichzeitig soll die parallel verlaufende Stadtautobahn teilweise mit einer begrünten Betonplatte abgedeckt werden.

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