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Bauwelt 7.07
OMA, Arup und das CCTV
Bauwelt 7.07
zur Zeitschrift: Bauwelt

Metropolitan Architecture?

Die Zentrale des Chinesischen Staatsfernsehens in Peking

Das Hochhaus reizt, mit seiner Form und seiner Statik näher betrachtet zu werden. Nach der Lektüre der Beiträge des Projektarchitekten und des Chefingenieurs werden die Gründe deutlich, warum für das Gebäude an diesem Ort 100.000 Tonnen Stahl benötigt werden.

9. Februar 2007 - Sebastian Redecke
Man mag beim Office for Metropolitan Architecture das faszinierende, über Jahrzehnte weiterentwickelte theoretische Gerüst zu ihrer Sicht der globalen Stadt noch immer bestaunen, doch nun, bei näherer Betrachtung ihres bislang größten Bauwerks, dem neuen Fernsehzentrum CCTV, scheint die Aura von Rem Koolhaas und seinen Partnern etwas zu verblassen. In Peking wird trotz des imposanten Planungsmarathons kein Entwurfsprozess erkennbar, der Bestandteile gestalterischer und konstruktiver Neuerungen in einen wirklich schlüssigen Zusammenhang bringt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich bei den zwei geneigten Türmen und der bedrohlich wirkenden Auskragung alles auf ein rein auf Zeichenhaftigkeit ausgerichtetes Denken reduziert. Einmal konzipiert und von den Auftraggebern begeistert aufgenommen, wird nun alles in größter Eile umgesetzt.

Im neuen Central Business District der chinesischen Hauptstadt ist der Bau von politischer Bedeutung. Das Staatsfernsehen wird im nächsten Jahr die Olympischen Spiele in alle Welt übertragen. Hierfür ist eine markante und unverwechselbare Form gefragt, die die Größe des Landes und die neue Dimension der zentral gelenkten Fernsehanstalt verkörpert. Die Zahl der Programme soll im nächsten Jahr nochmals rasant wachsen. Unter diesen Prämissen ist der Koloss etwas ganz anderes als – um nur ein Beispiel zu nennen – die Casa da Música in Porto (Heft 21.05), die mit ihrem Reichtum an spannungsvollen internen Raumsequenzen und ihren vielschichtigen Bezügen zum Außenraum unverkennbar die Handschrift von Rem Koolhaas trägt. Koolhaas’ Standpunkt ist bekannt und hat Generationen von Architekturstudenten geprägt. Seine beständige Suche, sich aus der Behäbigkeit einer Nachmoderne zu lösen und aus den Zwängen der Globalisierung heraus eine neue Sicht der Dinge zu entwickeln, hat Konstanz. Ganz anders in Peking: Angesichts der Größe und der Wucht des über 230 Meter hohen „Loop“ kommt man nicht umhin, diesen Bau mit Entwürfen und Realisierungen von Macht und Prosperität zu vergleichen, die aus der Baugeschichte bekannt sind. Von seiner Intention her ist der Bau nicht neu.

Errichtet wird ein Doppel-Hochhaus mit einer hoch oben weit auskragenden Stahlkonstruktion. Dabei entsteht eine besondere Spannung, man meint, der Block sei instabil und könnte vielleicht sogar umkippen. Doch das gesamte Gebäude ist als eine biegesteife rechteckige Röhre ohne Anfang und Ende zu begreifen, deren Tragstruktur gleichzeitig die Fassade bildet. Damit ergeben sich große Freiheiten bei der Gestaltung der unterschiedlich genutzten Geschossebenen. Es handelt sich also um eine Umkehrung des – von wenigen extravaganten Beispielen einmal abgesehen – üblichen Hochhausbaus, bei dem der Kern den Halt bietet und eine meist leichte Stahlglas-Fassade an die Konstruktion der Stützen und Geschossdecken angehängt wird. Diese Umkehrung hat jedoch allem Anschein nach zur Folge, dass die Fassade schwer wirkt, viel Stahl die Sicht einschränkt und der Ausbau mit zahlreichen Sonderformen zurechtkommen muss.

Nimmt man die Originalität der mit einem System von intelligenten Werkzeugen errechneten Konstruktion einmal beiseite, ist CCTV aber auch ein Bürogebäude, wie man es schon früher als große Errungenschaft einer modernen Stadtplanung präsentiert bekam: Ein isoliert stehender Baukörper mit einem eigenen Kosmos, die Stadt außer Acht lassend. Der gesamte Business District von Peking mit rund 300 geplanten und zum Teil bereits gebauten Hochhäusern passt in dieses Bild. Warum wird eine solche „altbekannte Stadt“ der Hochhäuser, die bei uns niemanden mehr begeistert, in China, aber auch an anderen Orten wie zum Beispiel dem Business District „Moscow City“ von hiesigen Stadtplanern und Architekten so euphorisch gefeiert? Hier stellen sich grundsätzliche Fragen, die nicht nur mit kommerziellen Interessen zu tun haben können.
Sicherlich ist es für Rem Koolhaas und Ole Scheeren, sein Partner und Chefarchitekt für das Asiengeschäft, eine einmalige Herausforderung, in dieser Hast ein auch von der inneren Organisation her innovatives Gebilde zu planen und auf der größten Baustelle von Peking zu realisieren. Mit ehrgeizigen und verschwenderischen Bauherrn, die das Medienzeitalter beschwören, wird aus dem Vollen geschöpft. Konsequenzen für die Unabhängigkeit der Berichterstattung von Journalisten wird der Prachtbau jedoch nicht haben.

Die erwünschte Aufmerksamkeit wird das Gebäude wie auch das Olympiastadion von Herzog & de Meuron auf jeden Fall bekommen. Aber ob mit dem größten Fernsehzentrum der Welt – abgesehen von den rein formalen Eigenarten und dem tonnenschweren Kraftakt der Ingenieure – eine Entwicklung der Architektur sichtbar wird, die mehr ist als ein kleiner Baustein im Bild der schnellen Megacity von Koolhaas, bleibt zu bezweifeln.

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