nextroom.at

Schallschutz geht uns allen nahe. Lärm ist eine Art der Belästigung, die ständig zunimmt, aber dabei so unauffällig mehr wird, dass wir uns des Schadens, den sie anrichtet, oft gar nicht bewusst sind. Und je höher der Geräuschpegel ansteigt, je lauter unsere Arbeits- und Wohnumgebung wird, umso mehr sehnen wir uns nach Stille, weshalb auch die subjektiven Anforderungen an ruhige Häuser und Wohnungen in den letzten Jahren stark gestiegen sind. Dieses Phänomen macht den BauphysikerInnen zu schaffen, deren Forschungen und Erkenntnisse mit den erhöhten Ansprüchen kaum Schritt halten können.

Es herrscht ein allgemeiner Mangel an Erfahrungswerten und Informationen, wobei Ausnahmen auch hier die Regel bestätigen: So ist etwa in der Steiermark seit Ende der neunziger Jahre die Vergabe von Förderungen für mehrgeschossige Holzwohnbauten an den Nachweis der Einhaltung von bestimmten Schallwerten gebunden. Gründe dafür waren einst der regionale Holzbauboom und ein skeptischer Landesrat, der den Holz-Mehrgeschossern kein Vertrauen bezüglich des Schallschutzes entgegenbrachte. Dieses Misstrauen war – im Nachhinein betrachtet – wertvoll, denn kein einziges Gebäude fiel bei den Messungen durch, womit das Vorurteil, Holzhäuser seien schalltechnisch nicht in den Griff zu kriegen, widerlegt ist.

Trotzdem: Das niedrige Gewicht des Holzes – neben vielen anderen ein positiver Aspekt – ist beim Schallschutz kein Vorteil. Mit dem Wissen um das schallspezifische Verhalten des Materials, um einfache Gesetzmäßigkeiten, kann dieser Nachteil jedoch ausgeglichen werden und können Holzgebäude auch den „erhöhten Anforderungen“ gerecht werden.

Weitere Stolpersteine, nicht nur im Holzbau, sind uneinheitliche Ländergesetzgebungen und eine schwierige bis unüberschaubare Fach-Terminologie. Wir alle kennen die Problematik schlecht schallgedämmter Gebäude aus eigener Erfahrung, aber wer weiß schon, was genau ein Dezibel oder gar der „A-bewertete äquivalente Norm-Trittschallpegel“ ist?

Doch Zuschnitt hilft und hat nach anfänglichen Schwierigkeiten („Schallschutz? Das hat man als Architekt einfach im Gefühl!“) ExpertInnen gewonnen, deren Beiträge Licht ins Dunkel bringen:

Karl Brüstle erklärt die Phänomene und Gesetzmäßigkeiten des Schalls in Holzkonstruktionen. Heinz Ferk behandelt die verschiedenen möglichen Systeme von Holz-Trennwänden und gibt einen Überblick über die gesetzlichen Anforderungen. Judith Lang schreibt über Schallschutz bei Holzdecken und schließlich vervollständigt ein Glossar der wichtigsten Größen und Begriffe den technischen Teil dieses Hefts; drei Beispiele aus den Bereichen Wohn-, Büro- und Schulbau zeigen Anwendungen und konstruktive Innovationen in der Praxis und wir hoffen, dass nach der – zugegeben anstrengenden – Lektüre dieses Hefts nicht nur Gefühl, sondern auch Gewissheit ausschlaggebend für Ihre schalltechnischen Entscheidungen im Holzbau sein werden. Eva Guttmann

Zum Thema
Editorial | Eva Guttmann
Essay – Hellhörigkeit | Wolfgang Pauser
Schallschutz im Holzbau – Bauakustische Grundlagen | Karl Brüstle
Glossar Schallschutz – Begriffe und Größen

Projekte
Getrennte Wege – Impulszentrum Reininghausgründe | Eva Guttmann
Ruhe in der Kiste – Mehrfamilienhaus an der Lorze | Axel Simon
Relevante Gefühle – Bewohnerbefragung | Eva Guttmann
Schallschutz macht Schule – Volksschulen Karl-Morre und Wildon | Eva Guttmann

Anwendung
Schallschutz bei Holzdecken
Neubau und Sanierung | Judith Lang
Wohnungstrenndecken und -wände, Gesetzliche Anforderungen mit Blick in die Zukunft | Heinz J. Ferk
Schallschutz bei Wohnungstrennwänden
Holzbausystemen | Heinz J. Ferk

Weitere Informationen zu diesem Thema auf den proHolz Seiten:

Forschung
Züge mit Aussicht | Eva Guttmann

Holzrealien
Mit Betonung auf Holz | Text: Manuela Hötzl
Tok, Boing, Rrrrrrrrr | Esther Pirchner
Ein poetisches Ding | Renate Breuß
Trennen und Verbinden | Renate Breuß

Holz(an)stoß
Erweiterter Schwitters | Stefan Tasch

Artikel

24. Juli 2005 Wolfgang Pauser
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Essay Hellhörigkeit

Meine beste Tat vollbrachte ich im Dunklen. Auch wenn es keine gute Tat im Sinne des Christentums war, das ja den guten Willen zum Guten für eine solche verlangt, war die beste Tat, die ich in meinem Leben vollbrachte, ganz auf sündiges Tun gegründet und auf Eigennutz zielend. Erst ihre Wirkung erwies sie, wie ich später merkte, als dem Heil meiner Nächsten dienlich: Ich habe die Ehe meiner Nachbarn gerettet!

Diesen durchaus christlichen Effekt konnten meine nächtlichen Schandtaten freilich nicht allein bewerkstelligen. Nicht einmal im Verein mit meiner leidenschaftlich lauten Geliebten hätte ich dies Wunder der Nachbarschaftshilfe vollbringen können, wäre da nicht die hellhörigste aller Wände so dazwischen gestanden, dass eine unsichtbare Verbindung entstand, die den Funken übertrug und das „Eheleben“ drüben erneut entflammte. Und erst im Rückblick, als es diesseits der Wand leise und jenseits laut wurde, ging mir auf, was bisher nie von drüben hörbar gewesen war und wie es um die Beziehung der mir nächst wohnenden Menschen gestanden hatte. Etwas hatte gefehlt. Alles Unerhörte war verstummt gewesen. Doch nun, da es gefunkt hatte, brach eine neue Ära der Nachbarschaft an. Stumm wurden die Beschwerden über meine nächtlichen Ruhestörungen und aller Zwist im Hause ist eingeschlafen, seit harmonische Lautheit die Wände erzittern lässt.

Trennwände verbinden auf eine ganz besondere Art: Dem Licht sperren sie den Weg, Schall aber leiten sie (wenn auch verzerrt, gedämpft, gefiltert). Im Kopf des Menschen wirkt jede äußere Wand wie eine Mauer zwischen Aug und Ohr. Der Kopf will sich das nicht so recht gefallen lassen. Er reagiert auf die Entkoppelung seiner beiden wesentlichsten Sinnesorgane, aus deren Reizen er sich normalerweise die sogenannte „Welt“ zusammenkonstruiert, durch Ergänzung: er denkt sich sein Teil und phantasiert den fehlenden Rest hinzu.

Die beste Zeit der Hellhörigkeit ist die Dunkelheit. Nie sind einem die Ohren wacher, als wenn man den Schlaf sucht. Erfreulich und erotisch ist das nur selten, am ehesten noch im Hotel. In der Fremde ist man ohnehin neugierig auf Fremdes eingestellt. Langeweile hebt die Toleranz, während der vorübergehende Charakter der Störung den Ärger beschwichtigt. Vor allem im Urlaub vermögen auch noch die unschuldigsten Geräusche nebenan erfreuliche Bilder vor Augen zu zaubern.

Doch Urlaub ist selten. Viel häufiger machen einem nächtliche Geräusche „einen schlechten Film“. Kaum schließt man die Augen, fährt der Tonmeister den Regler hoch, die Projektion kann beginnen. Knauern, Knacken, ein Knistern im Gebälk, schon haben wir den schönsten Soundtrack für den inneren Horrorfilm. Pan, der unsichtbare Gott der Ohren, kennt weder Raum noch Richtung, sondern durchdringt und umfängt uns ganz und gar. Der Schrecken, den er verbreitet, ist vom lieblichen Laut seiner lockenden Flöte nicht zu trennen. In der griechischen Mythologie wird er laut in der Mittagshitze, wenn Hirt und Herde ruhen und es still wird, ganz still.

Gegen die von der Klangwelt provozierten Trugbilder wehrt man sich, indem man Licht macht, die Augen öffnet, selbst Lärm macht oder den Geräuschpegel der Umgebung anhebt. Die Einseitigkeit des Sehsinns rückt die Dinge an ihren rechten Ort, stellt die Welt wieder übersichtlich und gerahmt vor uns, bringt Licht in undurchsichtige Verhältnisse und vertreibt erfolgreich alle bösen Geister. Die Grenze zwischen Ich und Welt wird vom wachsamen Auge gesichert, während das ganzheitliche Ohr sie allzu gern verschwimmen lässt. Vor unsern Augen eröffnet sich ein kontrollierbarer Raum mit klar begrenzten Gegenständen, so wird es uns leicht, das zu vergessen, was wir im Rücken haben. Und im Rücken haben unsere Augen nicht nur das, wo wir gerade nicht hinsehen, sondern auch das eigene Gehirn. Dort wohnt jenes Gedächtnis, das jede Leere, Dunkelheit und Stille mit Ungewolltem füllt.

Das Ohr hingegen hört rundum, man muss es nicht von einem Gegenstand zum anderen bewegen. Man kann es nicht schließen wie das Auge. Weghören geht nicht, wehren kann man sich nur durch noch mehr Lärm, damit sich die Wahrnehmungsschwelle wieder hebt. Weil Klang aus allen Richtungen kommt und einen in sein Zentrum stellt, kann man in eine Hörwelt eintauchen, wie man nie ins Sehfeld eintauchen könnte. Störgeräusche sind so unangenehm, weil nicht nur das Ohr, sondern auch und vor allem die Ichgrenze der totalitären Grenzenlosigkeit des Klangs und dessen Durchdringungs-Potential ausgeliefert ist.

„Im Vergleich zu anderen Sinnesbereichen ist der Gehörsinn von Halluzinationen am häufigsten betroffen“ (Lexikon der Psychiatrie). Wo nicht das Haus, sondern der Mensch „hellhörig“ ist im pathologischen Sinne, wird heute das vermeintlich Vernommene nicht mehr Dämonen, sondern Antennen zugeschrieben. In seiner Studie über „Das Unheimliche“ hat Sigmund Freud dessen Entstehung aus dem Heimlichen des Heimeligen, aus dem Verdrängten des einst allzu Nahen hergeleitet.

Daran sollte man denken, wenn einem die Welt zu laut ist. Wenn bei den lieben Nachbarn wieder einmal Autorennen und Baby überbrüllt werden müssen, um den Streit weiterführen zu können. Es gibt etwas noch Schlimmeres als höllischen Lärm: die Totenstille. Ihr ist es vorbehalten, alle Dämonen der Hölle gleichzeitig zu uns ans Bett zu rufen. Dann wehe Dir!

24. Juli 2005 Karl Brüstle
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Bauakustische Grundlagen

Die Materialien des Holzbaus sind leichter als die des Massivbaus. Hohe Schalldämmungen können mangels Flächenmasse nicht mit einschaligen, plattenförmigen Holzbauelementen in annehmbarer Bauteildicke hergestellt werden. Die Lösung liegt im Einsatz von doppel- bis mehrschaligen Konstruktionen mit biegeweichen Schalen. Unabhängig davon ist es gelegentlich auch sinnvoll, eine schwere Masse ergänzend einzusetzen. Für die bauakustische Herangehensweise ist es zweckmäßig, die akustischen Gesetzmäßigkeiten und die generellen Schallschutzanforderungen zu berücksichtigen.

Beim Luft- und Trittschallschutz bilden die „wohnüblichen Geräusche“ bzw. nutzungsüblichen Normalgeräusche die Grundlage für die geforderten Mindest-Schalldämm-Maße, die bei benachbarten Funktions- einheiten oder Räumen einzuhalten sind. Zusätzlich gibt es den normgemäßen „erhöhten Schallschutz“. Auch innerhalb einer Funktionseinheit kann man „zu schützende Räume“ festlegen, die diesen erhöhten Anforderungen entsprechen sollen. Typisch hiefür ist z.B. der Schlafraum eines Einfamilienhauses.

Körperschall wird erzeugt von gebäudeinternen maschinellen Einrichtungen wie etwa Liftmaschinensätzen und Lüfteraggregaten. Dazu gehört auch die Geräuschentwicklung von den Installationsleitungen und Konstruktionselementen der Nassgruppen.

Relevanter Frequenzbereich
Für den allgemeinen Schallschutz ist zur normgemäßen Beurteilung derzeit der „bauakustisch relevante Frequenzbereich“ maßgebend. Dieser Tonhöhenbereich reicht von 100Hz bis 3150Hz und ist zusammen mit den Schallschutzwerten ein Kompromiss zwischen zumutbarer subjektiver Belästigung und aktueller technisch wie kostenmäßig vertretbarer Realisierbarkeit.
Die iso 717 (önorm en iso 717) sieht zusätzlich zu den bewerteten Schalldämm-Maßen auch Spektrum-Anpassungswerte C für Messung und Nachweis-
Berechnung vor: Sie werden als Plus- oder Minus- Korrekturwerte dem Luftschall- oder Trittschall- dämm-Maß deutlich erkennbar hinzugefügt, wenn der erfasste Frequenzbereich erweitert wurde oder wenn andere als wohnübliche Geräusche schallgedämmt werden müssen.

Grundgesetzmäßigkeiten der Akustik
Mit einer gewissen Kenntnis der folgenden grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Akustik lassen sich die verschiedenartigen Erscheinungsformen von bauakustischen Maßnahmen und Konstrukten besser verstehen und unnötige Fehler vermeiden.
Berger’sches Massengesetz der Schalldämmung

Maßgebend für schwere Massivwände und Massivdecken ab einer Flächenmasse m' von ca. 100kg/m².
Gemäß diesem Gesetz steigt das Luftschalldämm-Maß mit Zunahme der Flächenmasse, also der Dicke der Bauteile, an. Daraus ergibt sich im Massivbau die bekannte Dickendimensionierung der Trennbauteile für die üblichen Normanforderungen, z.B. die für Wohnungstrennwände nötige Flächenmasse m' = 400kg/m² (ca. 20cm Betonwanddicke). Die geringere Wichte der Holzbaumaterialien würde für Wände und Deckenplatten eine nicht mehr praktikable, rund 2- bis 3-fach größere Dicke nötig machen. Folglich müssen im Holzbau die geforderten Schalldämm-Maße großteils unter Nutzung einer anderen akustischen Gesetzmäßigkeit hergestellt werden, nämlich des Resonanzphänomens.
Resonanzphänomen

Dieses Phänomen durchzieht mit seiner Gesetzmäßigkeit die gesamte Bau- und Raumakustik. Es beruht auf der Tatsache, dass jede gefederte Masse eine Systemresonanz mit einer definierten Eigenfrequenz besitzt. Teils wohlbekannte Beispiele für solche schwingungsfähigen Systeme sind z.B. Liftmaschinensätze, die auf federelastischen Gummielementen aufliegen. Solche „Feder/Masse-Systeme“ verhalten sich wie ein Gewicht, das an einer Schraubenfeder hängt. Wenn man das Gewicht dann frei vertikal schwingen lässt, tut es dies mit der typischen Eigenfrequenz, der Resonanz-Schwingungszahl pro Sekunde in Hertz. Bei dieser Eigenfrequenz und in deren Nähe entstehen bei nur geringem Anstoß große, überhöhte Schwingungsweiten. Es kommt zu einer „Resonanzverstärkung“ der Schwingungen. Liegt jedoch die Schwingungszahl der Anregekraft, z.B. der Maschinendrehzahl je Sekunde, weit über der Eigenfrequenz, dann wird das Mitschwingen intensiv unterdrückt, die Schwingungen nur mehr stark reduziert an die tragende Unterlage weitergegeben. Die Schwingungsunterdrückung ist bereits sehr ausgeprägt, wenn die Anregungsfrequenz dreimal größer ist als die Eigenfrequenz. Diese Mindestrelation ist in der önorm für Liftmaschinensätze vorgeschrieben. Bei noch höheren Anregungsfrequenzen steigt die Schwingungsunterdrückung massiv an.
Die gleiche Unterdrückungswirkung bildet die Basis für die hohen Luftschalldämmungen des Leichtbaus bzw. des Trockenbaus mit dünnen Doppelschalen (z.B. Bürotrennwände) oder mit Vorsatzschalen. Hier besteht ein Feder/Masse-System aus folgenden Komponenten: Federnd ist der Luftraum (mit Porösstofffüllung), die Masse wird gebildet durch die Schalen-Flächenmasse m' (Gewicht je m²). Auch hier wird die System-Eigenfrequenz so tief gelegt, dass die bauakustisch relevanten Frequenzen von 100Hz aufwärts entsprechend unterdrückt werden. In dem betreffenden önorm-Papier (önorm b 8115-4) sind einfache Formeln angegeben, mit denen die Resonanzfrequenz f0 auch von Nichtfachleuten leicht errechnet werden kann.

Trittschall

Im Holzbau muss auch der normale Trittschall als besonders kritischer Störschall-Erzeuger angesehen werden, verursacht durch die Leichtbauweise der Trockenestriche und der darunter liegenden Hohlraum-Holzdeckenelemente. Diese Konstruktionen neigen zum gefürchteten Dröhnen und Poltern mit hohen Energieanteilen unter 100Hz. Der für die Berechnungen und Messüberprüfungen verpflichtende bauakustisch relevante Frequenzbereich erfasst nur die Frequenzen von 100Hz aufwärts. Normale Schallmessungen liefern daher trotz des sehr störenden Dröhnens und Polterns normgerecht gute Ergebnisse, weil die Dröhnresonanzen unter 100Hz nicht erfasst werden. Daher wird im Holzbau das bewertete Luft- und Trittschalldämm-Maß häufig bereits für den erweiterten Frequenzbereich von 50Hz bis 5000Hz ermittelt. Im Falle des Polterns und Dröhnens wird die Trittanregung beim Begehen des Bodens im Bereich seiner Resonanzfrequenz kräftig verstärkt. Die Resonanzfrequenz muss folglich zu tieferen Frequenzen hin verschoben werden. Dazu braucht man für die obere Fußbodenschicht eine wesentlich größere Flächenmasse und eine weichere Unterlage mit zum Beispiel größerem, weicher-elastischem Luftraum.
Ungünstige Resonanzauswirkungen

Besonders problematisch ist die Körperschallenergie, die – in die Holzbaustruktur einmal eingedrungen – bedeutende Verstärkungen durch Resonanzanhebungen an verschiedensten Konstruktionsteilen erfahren kann. Deren Ausbreitung muss schon an der Vibrationsquelle unterbunden werden. Im Holzbau gibt es zahlreiche flächige und stabförmige Bauteile mit relativ geringem Gewicht, deren Eigenschwingungszahl zu hoch liegt, nämlich oft inmitten des bauakustisch relevanten Frequenzbereichs.

Koinzidenzeffekt – Spuranpassungseffekt
Dieses Phänomen kann die Luftschalldämmung von Wänden und Deckenplatten stark verringern. Die plattenförmigen Trennbauteile werden durch den auftreffenden Luftschall auch zu Biegeschwingungen angeregt, die sich in diesem Bauteil wie Wasseroberflächenwellen ausbreiten und auf der anderen Bauteilseite wieder zu einer Schallabstrahlung führen. Wenn nun die Luftschallwelle und die dadurch verursachte Biegewelle mit gleicher Geschwindigkeit parallel an einer Wand entlanglaufen, dann entsteht Koinzidenz bei einer bestimmten Frequenz, der Koinzidenzgrenzfrequenz fG. Damit verbunden ist eine resonanzähnliche „Aufschaukelung“, die eine Verstärkung des Schalldurchtritts und ein Absinken der Schalldämmung zur Folge hat. Im Gegensatz zur Luftschall-Ausbreitungsgeschwindigkeit ist die Biegewellengeschwindigkeit abhängig von Frequenz und von Materialdicke. Das starke Abnehmen der Luftschalldämmung setzt ein bei der Koinzidenzgrenzfrequenz fG und erreicht ein tiefes Absinken der Schalldämmung bei etwa der zweifachen Koinzidenzgrenzfrequenz, entsprechend einem Schalleinfallswinkel von 45°, wenn nämlich die dazugehörende schnellere Wellenspur mit der Biegewelle wieder parallel läuft. Schalleinfallswinkel um die 45° sind sehr häufig und folglich wirksamer bezüglich des Schalldurchgangs. Etwa oberhalb der dreifachen fG wird wieder das Berger’sche Massengesetz maßgebend. Es ist wichtig, dieses starke Schalldämmungs-Absinken außerhalb des bauakustisch relevanten Frequenzbereichs zu halten. Das heißt, dass die Koinzidenzgrenzfrequenz fG bei 3150Hz oder höher bzw. bei 100Hz oder darunter liegen soll. Die einschlägige önorm b 8115-4 Seite 3 enthält diesbezügliche Diagramme zur einfachen Ermittlung der jeweiligen Material-Maximaldicken.
Verlustfaktoren

Sie kennzeichnen die inneren Reibungsverluste der verschiedenen Materialien, die zur wichtigen Schwingungsdämpfung, speziell in den überschwingenden Resonanzbereichen, zum Einsatz kommen. Auch beim Trockenestrich des Holzbaus können Antidröhnmaterialien z.B. Schwerfolien nützlich werden.

Die in diesem Beitrag erwähnten Basisgesetze der Schalldämmung sind fundamental für die richtige Dimensionierung von schalldämmenden Bauteilen, insbesondere bei Anforderungen durch neue Materialien und Konstruktionen außerhalb der bisherigen Routine, wie dies für den modernen Holzbau zutrifft. Es sollen Impulse dahingehend gesetzt werden, sich mit diesen Grundgesetzen stärker vertraut zu machen, um mit Sicherheit zu akustisch erfolgreichen Lösungen zu gelangen.

24. Juli 2005 Eva Guttmann
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Getrennte Wege

Die Reininghausgründe sind ein ausgedehntes Areal im Herzen des „Stadtentwicklungsgebietes Graz-West“. Das Gelände der ehemaligen Brauerei ist Teil eines westlich des Hauptbahnhofs gelegenen breiten Industriegürtels, der im Lauf der Zeit immer lückenhafter wurde, heute die letzten, relativ zentral gelegenen, großen, unbebauten Flächen der Stadt enthält und im Zentrum der aktuellen stadtplanerischen Aufmerksamkeit liegt. Der Errichtung der Fachhochschule Joanneum im Jahr 1995 folgten in der näheren Umgebung weitere Ansiedlungen mit stark wirtschaftlich, wissenschaftlich und technologisch ausgerichteten Nutzungen, viel Geld fließt in moderne Bebauungs- und Infrastrukturpläne.

Im Bereich der Brauerei Reininghaus, deren Betrieb vollständig ausgelagert wurde, stehen sowohl ehemalige, zum Teil denkmalgeschützte Betriebsgebäude, die im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts saniert und adaptiert werden, als auch ausgedehnte Freiflächen zur Verfügung. Hier wurde in zwei Bauabschnitten das Impulszentrum, geplant von Architekt Hubert Rieß, in einer Bauzeit von eineinhalb Jahren errichtet. Ursprünglich als Projekt im Rahmen des Programms „Haus der Zukunft“ des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie geplant, wurde das Bauvorhaben schließlich in Zusammenarbeit mit der sfg, der Steirischen Wirtschaftsförderung, realisiert. Den Vorgaben dieser Ausgangslage entsprechend erfüllt das Gebäude, das als Beginn einer „Gründerstadt“ konzipiert ist, hohe Anforderungen an konstruktive, gebäudetechnische sowie inhaltliche Innovation und Nachhaltigkeit.

Grundidee ist die Schaffung von autonomen Basiseinheiten für Büro- bzw. Labor- oder Werkstättennutzung, die von Start-up-Firmen angemietet werden. Ein Büromodul ist ca. 80m² groß, über einen Fertigteilschacht infrastrukturell versorgt und damit technisch unabhängig. Die Größe der stützenfreien Labor- bzw. Werkstätteneinheiten im massiven Teil des Gebäudes beträgt zwischen 50m² und 200m². Je nach Bedarf ist die Belegung mehrerer Einheiten durch eine Firma möglich, die Unternehmen können sich Geräte und/oder Personal teilen.

Die Stärke dieses Systems liegt in erster Linie in der flexiblen Kombinierbarkeit einer fast beliebig großen Anzahl von Büros sowie in der Möglichkeit, mehrere Module zu Gruppenbüros zu koppeln. Das erlaubt große räumliche Vielfalt und unterstützt ein abwechslungsreiches, anregendes Arbeitsklima. Das Energiekonzept erfüllt die Standards eines Niedrigenergiehauses, besonderes Augenmerk liegt sowohl auf der Vermeidung eines großen Kühlenergiebedarfs durch ein modular aufgebautes, kombiniertes System von Fußbodenheizung und Deckenkühlung als auch auf einer Senkung des Energieverbrauchs durch entsprechendes Benutzerverhalten. Jede Büroeinheit kann heiz- und kühltechnisch separat angesteuert werden, die nötigen Haustechnikelemente sind im vertikalen Installationsschacht integriert.

Das Impulszentrum besteht aus zwei parallelen dreigeschossigen, unterkellerten Baukörpern, die an ihren Enden durch zweigeschossige Brückengebäude miteinander verbunden sind. Die außenliegenden Teile der beiden Zeilen sind aus Stahlbeton, an die zueinander gewendet die übereinander gestapelten Holzmodule paarweise andocken. Auch die Brücken enthalten jeweils zwei Büroeinheiten und eine Seminareinheit pro Geschoss, damit verfügt die gesamte Anlage über 40 Holzboxen mit jeweils einer Fensterreihe an ihrer Längsseite und sechs Höfe, die alle nach innen gerichtet sind.

Entscheidend für den Einsatz der Holz-Modulbauweise waren neben dem extrem hohen Vorfertigungsgrad die bauphysikalischen Vorteile, welche den erhöhten Materialaufwand durch doppelte Wand- und Decken- bzw. Fußbodenaufbauten durchaus wettmachen.
Die Holzmodule wurden vom Architekten, der Holzbaufirma und dem Statiker in mehrjähriger gemeinsamer Arbeit entwickelt, auf Brand-, Wärme- und Schallschutz (Luft- und Trittschallschutz) geprüft und optimiert. Sie bestehen aus mit gkf-Platten beplankten Kreuzlagenholz-Massivwänden, einer Dämmschicht, Winddichtungsfolie, Hinterlüftungsebene und einer unbehandelten Lärchenholzschalung, werden vollständig im Werk vorgefertigt und dann mit dem lkw verliefert. Die Boxen sind mit allen Anschlüssen, einer abgehängten Kühldecke, Fenstern, Fensterbänken und malerfertigen Gipskartonwänden ausgestattet. Aufgrund ihrer Größe wurden jeweils halbe Einheiten transportiert und erst auf der Baustelle aneinander gefügt.

Ein wichtiges Ziel – nicht zuletzt hinsichtlich einer Kostenoptimierung – war die Erfüllung der schalltechnischen Erfordernisse ohne wesentlichen konstruktiven Zusatzaufwand. Um jede Möglichkeit von Schallbrücken auszuschließen, sind die Einheiten horizontal und vertikal baulich so stark wie möglich voneinander entkoppelt. Die Module stehen punktuell auf Distanzhölzern mit genauestens einnivellierten Elastomerlagern. Zwischen unterer Decke und den Auflagern sorgen eine Trittschalldämmung und eine Weichfaserplatte für zusätzliche Masse und Elastizität. Eine großzügige Luftschicht, deren Stärke auch mit dem ebenen Anschluss an die Massivbauteile zusammenhängt, stellt eine weitere Barriere für etwaige Schallübertragungen nach unten dar. Zum Schallschutz zwischen den Wänden zweier Module wurde ein Mindestabstand von einem Zentimeter eingehalten. Diese knappe Luftschicht reicht aus, um den Anforderungen zu genügen und eine Schallpegeldifferenz von DnT,w = 62dB zu erreichen. Zuletzt wurden die Winddichtungen über die vertikalen Fugen hinweg verklebt, ein Deckbrett verbirgt Ungenauigkeiten und strukturiert die lärchenholzverschalte Fassade formal, ebenso wie die horizontalen Schürzen, die jeweils auf Höhe der Geschossdecken als Witterungsschutz angebracht wurden.

Bereits bei 1:1-Modellversuchen im Werk konnte mit der Summe dieser Maßnahmen eine Schallpegeldifferenz erreicht werden, die auch den Anforderungen im Wohnbau entspricht. Erste entsprechende Projekte wurden bereits umgesetzt bzw. sind zur Zeit in Planung: Beim dreigeschossigen „Mehrfamilienhaus Sigmund“ in Wien wurden auf ein massives Sockelgeschoss Holzmodule für insgesamt sechs Wohnungen gesetzt, die Wohnanlage „Mühlweg“, ebenfalls in Wien, funktioniert ähnlich wie das Impulszentrum: An einen zentralen Stahlbetonkern, der Erschließung, Nasszellen und Küchen enthält, docken beidseitig Holzmodule an, die zu unterschiedlich vielen bzw. großen Wohnräumen zusammengeschlossen werden und ihrerseits noch Holzbalkone tragen. Details sind aufgrund anderer Voraussetzungen, insbesondere was technische Infrastruktur sowie Raumgrößen und -höhen betrifft, anders gelöst, aber auch hier werden Schallbrücken durch sorgfältige Entkopplung der einzelnen Bauteile vermieden und die geforderten Schalldämmwerte erreicht.

24. Juli 2005 Axel Simon
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Ruhe in der Kiste

Ein Ort wie viele in der Schweiz: Die banal-alltägliche Mischung kleiner und großer Wohnhäuser, mittleren Gewerbes, übrig gebliebener Bauernhöfe und Wiesen strahlt eine gewisse Ruhe aus, die der Blick auf See und Alpen bekräftigt. Diese Ruhe bleibt jedoch eine visuelle: Baukräne künden vom Wunsch vieler, sich im Steuerparadies Zug niederzulassen. Zwischen der Sackgasse namens Lorzenstrasse und dem Ufer des Zugersees wälzt sich unaufhörlich der Agglomerationsverkehr und parallel dazu gleitet die Bahn auch nicht gerade geräuschlos auf ihrer leicht erhöhten Trasse. Baut man an einem solchen Ort, ist der Schallschutz zwangsläufig ein Thema – auch wenn er in diesem Fall eher ein hausgemachtes ist, wie immer im Mehrfamilienwohnhausbau aus Holz.

Das Haus, um das es hier gehen soll, entstand im Rahmen eines ungewöhnlichen Wettbewerbs. Die Allgemeine Wohnbaugenossenschaft Zug (awz) bat fünf Architekturbüros um einen Vorschlag für das Grundstück in der Lorzenebene am westlichen Stadtrand von Zug. Das Ziel, das die Genossenschaft sich und den Planern steckte, war hoch: flexible Wohnnutzung, nachhaltige Bauweise, ökologische Materialien, sparsamer Energieverbrauch und hoher Wohnwert. Über den üblichen Rahmen eines Wettbewerbs hinaus wurden von den Architekten Nachweise verlangt. So zum Beispiel über die graue Energie der Konstruktion, die Wartungskosten, die Möblierbarkeit und Flexibilität der Grundrisse, den Tageslichteinfall und die Sicht ins Freie.

Das Siegerprojekt, das die Architekten Hegi Koch Kolb aus Zug zusammen mit dem Holzbauingenieur Pirmin Jung erarbeitet hatten, war der einzige Holzbau im Wettbewerb. Er überzeugte den Bauherrn vor allem in Bezug auf seine Nachhaltigkeit. Der viergeschossige, holzverkleidete Baukörper, in den Worten seiner Autoren ein „ruhiger, ausdrucksstarker, geschlossener Holzquader“, zeichnet die nördliche Grenze des Baufeldes nach und liegt damit am Rand einer weiten, über längere Zeit noch unbebaut bleibenden Wiese. Im Süden ist ihm eine Balkonschicht aus Betonplatten und Stahlstützen vorgelagert, die auch die beiden offenen Treppenhäuser sowie die verglasten Eingangsbereiche der einzelnen Wohnungen aufnimmt – eine Schallschutzmaßnahme zur nahen Straße und Bahntrasse. Ein begrünter Spielhof bildet das Zentrum des Grundstücks, im Süden begrenzt von einem eingeschossigen Nebengebäude. Das nimmt zum Hof hin die vielen Fahrräder und einen gemeinschaftlichen Grillplatz auf, an seiner Rückseite dient es als Carport.

Im westlichen Kopf des Wohngebäudes liegt im Erdgeschoss ein großzügiger Gemeinschaftsraum – Usus bei genossenschaftlichen Häusern in der Schweiz. Ein Spielplatz, Kreidezeichnungen auf dem Asphalt und herumliegende Spielgeräte lassen bereits den Kinderreichtum dieses Hauses ahnen und damit die Wichtigkeit eines internen Schallschutzes. Die Gliederung der 15 Wohnungen ist einfach: Wohn- und Essbereich mit offenem, architektonisch stark forciertem Küchenblock in der Mitte orientieren sich nach Süden und damit zum Eingangshof und zur Aussicht auf See und Alpen. An der Nordseite liegt eine Schicht kleiner Räume, die sich an der Fassade als Reihe identischer Fenster abzeichnet. Durch Versetzen der Trennwand im Gang davor können die äußeren Räume auch der jeweiligen Nachbarwohnung zugeschaltet werden. So entsteht die mögliche Bandbreite von Wohnungen mit 2, 3, 4 und 5 Zimmern.

Sogar eine noch größere räumliche Flexibilität wäre denkbar, da sämtliche Zimmertrennwände nicht tragen. Zwei Betonkerne im Anschluss an die Treppenhäuser übernehmen zusammen mit je einer Stütze pro Wohnung diese Funktion sowie die Aussteifung des Baukörpers. Sie beherbergen die beiden Lifte, die Bäder sowie die vertikalen Installationsschächte. Durch den Einsatz vorfabrizierter Holzelemente konnte das Haus effizient erstellt und der Primärenergieverbrauch gering gehalten werden. Die Außenwände bestehen aus großformatigen, bis zu 12 m langen Holzrahmenelementen, die Holzständer sind 220mm stark. Ihre Breite variiert aufgrund der abnehmenden Belastung vom Erd- zum Dachgeschoss zwischen 120 und 60mm. Beidseitig mit Gipsfaserplatten beplankt und mit Mineralfaserwolle gedämmt, wurden sie am Bau luftdicht abgeklebt und abschließend innen mit Gipskartonplatten und außen mit sägerauen, horizontalen Brettern aus Schweizer Douglasie verschalt.

Um den Schallschutzanforderungen der Norm sia 181 (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Schallschutz im Hochbau) gerecht zu werden, reichte bei den nicht tragenden Wohnungstrennwänden eine Metallständerkonstruktion mit doppelter Gipskartonschale. Bei den Decken bediente man sich eines noch relativ neuen Systems: einer Holz-Beton-Verbunddecke. Der Verbund besteht aus Brettstapelelementen, deren stehende Lamellen abwechselnd 100 und 120mm hoch sind, und einer ebenso starken, vor Ort eingebrachten Betonschicht. Diese 220mm dicke Rohbaudecke wurde unten mit zwei Gipskartonplatten verkleidet. Auf dem Beton liegt Trittschalldämmung, Trennfolie und Unterlagsboden, darauf im Wohnbereich Eichenparkett und in den Zimmern grüner Linoleum. Die sehr guten Schallschutzwerte, die während der Planung berechnet wurden, bestätigen die Bewohner nach dreijährigem Gebrauch: lediglich starker „Hackengang“ des oberen Nachbarn wird als störend empfunden.

Da das Haus die Schweizerischen Minergie-Anforderungen erfüllen musste, besitzen die Wohnungen eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung und Erdregister. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert Strom. Zusätzlich sorgen 100m² Sonnenkollektoren für warme Räume und warmes Wasser, den fehlenden Rest liefert eine Holzpellets-Feuerung im Keller.
Brandschutz: Seit dem 1. Januar 2005 dürfen in der Schweiz Wohnhäuser aus Holz sechs statt vorher zwei Geschosse hoch gebaut werden. Bei dem Haus in Zug haben die Architekten und Ingenieure bereits in der Wettbewerbsphase mit der kantonalen Gebäudeversicherung zusammengearbeitet und ein projektbezogenes Brandschutzkonzept aufgestellt:
Alle Außen- und Wohnungstrennwände und auch die Decken besitzen einen Feuerwiderstand von
60 Minuten. Pro Geschoss finden sich zwei Brandschutzabschottungen in der Hinterlüftungsebene der Holzfassade. Die Flächen aus Chromstahlblech, die zwischen den Fenstern an der Nordseite sind, haben übrigens keine Brandschutzaufgabe – sie sind reine Gestaltung.

24. Juli 2005 Eva Guttmann
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Relevante Gefühle

Bewohnerbefragung

Mehrgeschossige Wohnbauten in Holzbauweise sind zwar nach wie vor nicht in der Überzahl, ihre Menge nimmt jedoch – in der Schweiz ebenso wie in Österreich – kontinuierlich zu. Nach wie vor fehlen aber genaue Erfahrungswerte bezüglich der Wohnbefindlichkeit von Mietern und Eigentümern, obwohl entsprechende Untersuchungen und Veröffentlichungen sowohl für Architekten und Planer als auch für ausführende Firmen und Bewohner hilfreich wären und dazu beitragen könnten, den Standard von mehrgeschossigen Holzwohnbauten zu optimieren.

Mit dem Ziel, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen, verfasste Iwan Besmer im Rahmen seines einjährigen Praktikums im Ingenieurbüro Pirmin Jung eine Diplomarbeit, die allerdings ausschließlich 21 mehrgeschossige Wohnbauprojekte des Ingenieurbüros Pirmin Jung erfasst und daher nicht als allgemeingültige Aussage zum mehrgeschossigen Holzbau gewertet werden kann.
Trotzdem können die Ergebnisse als generelle Gradmesser für die Wohnzufriedenheit von Mietern und Eigentümern in Holzwohnbauten betrachtet werden, wie sie auch für österreichische Verhältnisse gelten würden.

Die für die Arbeit angewandte Methodik einer Umfrage mittels Fragebogen zielte darauf ab, durch einfache Grundsatzfragen allgemeine Tendenzen und allfällige Schwachpunkte zu erkennen. Die Fragen betrafen die generelle Berechtigung des Einsatzes von Holz im Mehrfamilienhausbau, die subjektive Wohnbefindlichkeit sowie die Beurteilung von Schallschutz-, Lüftungs-, Energie- und Sicherheitsfragen, wobei eine ausgezeichnete Rücklaufquote von 75% der ausgesandten Fragebögen erreicht wurde und generell eine sehr positive Einstellung zu Holzwohnbauten ablesbar war. Besonders hervorzuheben ist die Beurteilung der Brandsicherheit: 95% aller Bewohner betrachten ihre Wohnung als ebenso brandsicher wie Wohnungen in Massivbauweise.
Der Schallschutz hingegen ist das wohl anspruchsvollste Teilgebiet im mehrgeschossigen Holzbau und wurde differenzierter bewertet.

* Luftschall: 87% der Befragten gaben an, das Sprechen ihrer Nachbarn nicht zu hören. Von den verbleibenden 13% empfanden 7% es als nicht störend, wobei es bei dieser Frage keine erkennbare Abhängigkeit des Resultats von den Objekten gab.
* Trittschall: 64% hören die Schritte ihrer Nachbarn. 34% fühlen sich dadurch nicht gestört, 8% jedoch sehr gestört. Bei der Untersuchung der Verbindung zwischen Antwort und Wohnobjekt konnte festgestellt werden, dass sich Bewohner von Häusern mit Holz-Beton-Verbunddecken weit weniger durch Trittschall belästigt fühlen, als solche von Häusern mit reinen Holzdecken. Allerdings relativierten viele der Befragten ihre Aussagen, indem sie angaben, sich „nur nachts“ oder „nur bei hüpfenden“ Kindern gestört zu fühlen bzw. sich trotz des Trittschalls in der Wohnung sehr wohl zu fühlen.
* Knarren: 87% nehmen beim Gehen kein Knarren wahr, 6% hören ein Knarren, fühlen sich davon aber nicht gestört. 7% fühlen sich gestört, wobei die Hälfte dieser Antworten aus einer einzigen Wohnanlage stammt, wo das Knarren weniger mit der Konstruktion der Holzdecke als vielmehr mit dem Unterlagsboden zu tun hat.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im mehrgeschossigen Holzwohnbau das Schallproblem geringer als befürchtet, jedoch gerade bezüglich des Trittschalls durchaus vorhanden ist. Die Wahl geeigneter Deckenaufbauten und der Einsatz von Masse ist unter dem Aspekt des Schallschutzes sinnvoll, weitere Untersuchungen zur Erlangung von umfassenden Erfahrungswerten ebenso. Insgesamt wurde die Befindlichkeit in Holzwohnbauten mit 38% der Antwortenden, die sich in Holzbauten behaglicher und mit 33%, die sich in Holzbauten viel behaglicher als in Massivbauten fühlen, extrem positiv bewertet und der gerechtfertigte Trend zum mehrgeschossigen Holzwohnbau, der sich bereits auch in der Gesetzgebung niederschlägt, bestätigt.

24. Juli 2005 Eva Guttmann
zuschnitt

Schallschutz macht Schule

Vergangenen September wurde die neue Volksschule von Wildon, einer kleinen Gemeinde in der südlichen Steiermark, eröffnet. Ihre nahe Verwandschaft zur Volksschule Karl-Morre in Graz ist unverkennbar. Nicht nur äußerlich ähneln die beiden Gebäude einander, auch konstruktive und bauphysikalische, besonders den Schallschutz betreffende Details, die für Karl-Morre entwickelt wurden, kamen in Wildon – zum Teil in verfeinerter Weise – zum Einsatz.

Im Jahr 2000 ging das Architekturbüro Nussmüller als Sieger aus dem Wettbewerb um den Neubau von Hort und Volksschule Karl-Morre im Grazer Stadtteil Eggenberg, der hier von alten Arbeitersiedlungen geprägt ist, hervor. An der Ostseite des Grundstücks gibt es eine Hauptschule aus der Gründerzeit, früher, in einem Zubau rechtwinklig dazu, einen Turnsaal. Zunehmende Platznot führte in den fünfziger Jahren dazu, dass Ausweichbaracken für einzelne Klassenzimmer errichtet wurden, bis sich die Stadt Graz schließlich zum Abbruch der Provisorien und für die Ausschreibung eines Wettbewerbs zum Neubau einer achtklassigen Volksschule und eines Kinderhorts auf dem großen, fast quadratischen Grundstück entschloss.

Während der Hort als punktförmiger, formal völlig eigenständiger, massiver Baukörper in Form einer schiefen Wiese nun den westlichen Teil des Bauplatzes besetzt, schließt die Volksschule aus organisatorisch-funktionalen Gründen westseitig an den Bestand an. Die beiden langen, rechteckigen Gebäude bilden gemeinsam einen L-förmigen Grundriss, die Lage des Neubaus entspricht ungefähr der des ehemaligen Zubaus.

Wichtiger Entwurfsaspekt für die Volksschule war es, die Offenheit des Grundstücks zu bewahren und keine optischen Barrieren zu schaffen, sondern Blickbezüge in alle Richtungen zuzulassen. Daher wurde der östliche Teil des Baukörpers aufgeständert, der westliche hingegen sitzt zweigeschossig auf einem massiven, halb eingegrabenen Untergeschoss, in dem Turnsäle und entsprechende Nebenräume untergebracht sind. Erschlossen wird das Gebäude über einen leicht aus der Achse gedrehten Stiegenhauskubus, der wie ein Gelenk den Baukörper in Längsrichtung teilt bzw. die Funktionen spiegelt und von dem aus ein Gang an der Südfassade die östliche, ein Gang an der Nordseite hingegen die westliche Hälfte des Hauses auf kurzen Wegen erschließt. Diese Teilung setzt sich auch formal fort, je nach Nutzung und Ausrichtung ergeben sich an den Gebäudelängsseiten vier verschiedene Fassadengestaltungen: die Gangbereiche sind jeweils verglast, an der Südseite mit Holzlamellen als Sonnenschutz versehen, die regulären Klassenräume haben eine lebhafte Lochfassade, die Funktionsräume hingegen eine strenge, regelmäßige Fensteranordnung.
Das Holzgebäude ist ein Plattenscheibenbau mit tragenden Trennwänden aus Brettsperrholzelementen (klh-Platten), die sich in den Gangbereichen in Unterzüge mit Stützen auflösen. Die Fassaden sind in klassischer, verschalter Holz- bzw. verzinkter Stahlriegelleichtbauweise ausgeführt, letztere mit innenliegender Verglasung und an der Außenseite der Konstruktion an der Südfassade befestigten Konsolen als Auflager für die Holzlamellen. Decken aus Brettstapelplatten, die quer zum Baukörper gespannt sind, gewährleisten eine hohe Flexibilität der Grundrisse, während dem natürlichen Quell- und Schwindverhalten durch den Einsatz von Fremdfedern Rechnung getragen wurde. Deren Stärke beträgt über dem Erdgeschoss bei Spannweiten von bis zu siebeneinhalb Metern 23cm, im Obergeschoss reichen 18cm.

Vor allem aus atmosphärischen Gründen bestand von Anfang an die Absicht, sowohl die Deckenuntersichten als auch die Fußböden und so viele Wandflächen wie möglich mit Holzsichtoberflächen zu realisieren, wodurch besonderes Augenmerk auf Raum- und Bauakustik gerichtet wurde. Zwischen den Klassenräumen war die Standard-Schallpegeldifferenz Dn,Tw = 50 dB gefordert, an die Bauteile zwischen Klassenzimmern und Gang gab es keine speziellen Anforderungen. Problematisch war das weitgehende Fehlen von Erfahrungswerten für Klassentrennwände in dieser Sicht-Bauweise. Schließlich wurden auf den zwölf Zentimeter starken klh-Wänden nur einseitig Gipskartonvorsatzschalen, die an der Rückseite gelocht sind, mit Schwingbügeln befestigt. An den leichten Trennwänden zu den Gängen hin stehen raumseitig Sperrholz-Schränke, deren Flügeltüren aus Gründen der Raumakustik gelocht sind. Gangseitig wurden osb-Platten aufgebracht, in einem Fußbodenkanal aus dicht verklebten Blechwannen verläuft die Leitungsführung.

Eine ebenso große Herausforderung war es, die Decken schalltechnisch in den Griff zu bekommen, ohne auf deren Holzuntersicht verzichten zu müssen und auch ohne Estriche zu verwenden, um einen reinen Holzaufbau zu realisieren. Dabei kam die Höhe der Brettstapeldecken, die statisch ohnehin gefordert war, diesen Wünschen sehr entgegen. Auch hier fehlten jedoch Erfahrungswerte und Messungen, von industrieller Seite wurde den Planern unbedingt nahegelegt, abgehängte Akustikdecken einzusetzen. Schließlich entschied man sich in Absprache mit dem beteiligten Bauphysiker dafür, über den Holzdecken eine Splittschicht zur Erhöhung der Masse, zwei Lagen Trittschalldämmplatten und kreuzweise verleimte Spanplatten zu verlegen. Der Fußbodenbelag in den Klassenzimmern ist Massivparkett, in den Gängen Linoleum. Von außen kann man sehen, wie die Stirnseiten der Brettstapeldecken an die Gangfassaden heranreichen, der Kontrast zwischen Glas und massiver Holzdecke ist hier besonders reizvoll.

Sowohl bezüglich des Trittschalls als auch der Nachhallzeit haben die abschließenden Messungen Werte ergeben, die innerhalb der zulässigen Mindestanforderungen liegen, trotzdem wurden auf Empfehlung des Bauphysikers für die Volksschule in Wildon weitere Verbesserungen des Deckenaufbaus und der Anschlussdetails an flankierende Bauteile angestrebt.

Die Volksschule von Wildon funktioniert – mit geringen Unterschieden – nach dem gleichen, sichtbaren Konstruktionsprinzip wie Karl-Morre in Graz. In einem massiven Sichtbeton-Stirngebäude befinden sich Turnsaal und Funktionsräume der Schule, der zweigeschossige, schwebende Klassentrakt ist eine einhüftig erschlossene Holzkonstruktion mit transparentem, straßenseitigem Gangbereich und zum bewaldeten Berghang orientierten Klassenräumen, deren Fensterfassade mit unbehandeltem Lärchenholz verschalt wurde. Der Holzbaukörper ist über seine gesamte Länge parallel zur Bergflanke gekrümmt, der dadurch verkürzte Klassenteil überragt daher den Gangbreich am Ende des Gebäudes. Im Unterschied zu Graz konnten aufgrund geringerer Lasten sowohl die tragenden Klassentrennwände als auch die Brettstapeldecken geringer dimensioniert werden. Trotzdem gelang es, die Schallschutzanforderungen einzuhalten. Verbesserungen gab es im Bereich der Längsfugen zwischen den einzelnen klh-Platten, die zusätzlich silikoniert wurden, sowie im Anschluss zwischen Klassen- und Außenwand, um Längsschallwege zu vermeiden. Auch bei den Geschossdecken konnten Anschluss-Details optimiert werden.

Während die Volksschule Karl-Morre noch als schalltechnisches Experiment mit prototypischen konstruktiven Lösungen angesehen werden kann, wurden für Wildon die Erfahrungen von Graz herangezogen, Arbeitsabläufe und Details weiterentwickelt und optimiert. Beide Schulen können heute als gelungene Beispiele für modernen Holzbau bezeichnet werden, die alle Vorurteile widerlegen, nach denen Holzgebäude schalltechnische Problemfälle wären, und die zeigen, dass Holz das geeignete Material für innovative Planung ist.

Bauwerk