Publikation

Pinsel, Paula und die plaudernden Häuser
Wiener Architektur für kleine & größere Menschen
ISBN: 3209053499
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2006
Umfang: 88 S.,
Format: Klappen-Broschure, 24 x 23 cm

Und woraus sind die Ziegel?

Wie plant man einen Tunnel? Wie baut man eine Moschee, einen Staudamm, einen Wolkenkratzer? Architektur-bücher für Kinder geben Antworten auf Fragen, die auch Erwachsene ratlos machen.

16. Juli 2006 - Franziska Leeb
Wenn das Urlaubsprogramm nicht nur Sandburgen-Bauen und Freizeitpark-Besuche vorsieht, sondern die Altvorderen sich zur Kulturbeflissenheit verpflichtet fühlen, kommt vielen Kindern das Gähnen. Baustile, Architektennamen, Jahreszahlen und historische Anekdötchen, von routinierten Fremdenführern heruntergerasselt, sind für Kinder fad, und die Begeisterung für Räume, Konstruktionen und das Entstehen von Bauten und Städten hält sich deshalb in Grenzen. Legoland ist unterhaltsamer, und Architektur en miniature gibt es dort ja auch.

Doch dieselbe Wissbegierde und Leidenschaft, die alle Kinder dank hervorragender Vermittlungsprogramme in den Zoos, zahlreicher Fernsehdokumentationen und nicht zuletzt Büchern für Tiere jeglicher Art entwickeln können, legen sie auch für Architektur an den Tag - wenn sie ihnen entsprechend dargeboten wird.

Besonders für die Kleinsten und die Vorschulkinder, die ja bekanntlich die meisten Fragen stellen, ist die Auswahl extrem dünn. Gut, Bilderbücher à la „Wie gehen auf die Baustelle“ oder „Unsere kleine Stadt“ gibt es in Hülle und Fülle. Aber sie widmen Baugruben und diversem Baugerät mehr Platz als den Häusern, die darin und damit gebaut werden, und bereiten das Verkehrsgeschehen interessanter auf als die gebauten Strukturen der Stadt.

Klar, Architektur ist ein komplexes Thema, aber warum so wenig Autoren und Verlage Spannendes darüber zu erzählen wagen, ist nicht ganz nachvollziehbar. So gut wie alle Kinderbücher, die unter dem Schlagwort „Architektur“ in den Verlagsprogrammen auffindbar sind, richten sich an Kinder ab acht. Da aber Kinder nicht acht Jahre lang von der Baukunst und von baukulturellen Sündenfällen ferngehalten werden können und sich bereits Zweijährige gotischen Domen, gläsernen Hochhäusern und gewagten Brückenkonstruktionen mit der gleichen Neugierde nähern wie dem Fassadenschaden nebenan, ist es jammerschade, zur unterstützenden Erklärung nichts Gedrucktes parat zu haben. Es ist keine Schande, wenn die Mutter der Dreijährigen nicht gleich erklären kann, wie der Brückenpfeiler ins Wasser kommt, warum ein Wolkenkratzer nicht abbricht und wie die Steine im Gewölbe halten. Die Bücher zur Architektur für Schulkinder und Jugendliche sind deshalb auch für alle Eltern eine nützliche Fundgrube für Erklärendes zu den großen Frage der Architektur und Ingenieursbaukunst.

An Kinder „ab acht Jahren und alle an Architektur Interessierten“ richtet auch der bekannteste Autor in Sachen Baukunst für Kinder, der Amerikaner Dacid Macauley, seine Geschichte über den Bau einer Moschee. Die Baugeschichte des im Auftrag eines Admiral Suha Mehmet Pascha und unter Leitung des Hofarchitekten Akif Aga errichteten Gebäudes ist frei erfunden. Unterstütz durch exzellente Zeichnungen, gelingt es dem studierten, aber nie praktizierenden Architekten Macauley, fundiertes Wissen über das inhaltliche Programm einer Moschee ebenso weiterzugeben, wie die Konstruktion von Kuppel oder die Herstellung von Ziegeln zu erklären. Die Baukultur der Christen erläuterte Macauley bereits in „Sie bauten eine Kathedrale“. Ob die Reise also ins Abendland oder ins Morgenland geht, beide Bücher liefern auf hohem Niveau Wissen über Bauten, die „auch jene beeindrucken und anrühren, die nicht den Glauben derer teilen, die sie errichteten“, heißt es im Vorwort.

David Macauley: Sie bauten eine Moschee. Aus dem Amerikanischen von Cornelia Panzacchi (96 S., geb., € 20,50; Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

Baugeschichten erzählt der gleiche Autor in seinem „Großen Buch der Bautechnik“. Hier wird nicht fabuliert, sondern es werden die Planungsprobleme und Konstruktionen berühmter Brücken, Tunnel, Kuppelbauten, Wolkenkratzer und sogar Staudämme so erklärt, dass kaum Fragen offen bleiben.

Großartig sind die Zeichnungen, die zum Beispiel anhand des New Yorker Citigroup Centers erklären, wie ein „asynchroner Massedämpfer“ funktioniert. Die Texte sind sachlich und wohl nur für fortgeschrittenere Architekturfreaks zum Selberlesen geeignet. Aber selbst in Baudingen vermeintlich sattelfeste Eltern können hier noch etwas dazulernen.

David Macauley: Macauley's Großes Buch der Bautechnik. Aus dem Amerikanischen von Werner Leonhard. (192 S., geb., € 30,80; Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

Die Geschichte von Joe Carbonelli, der als Waterboy die am Bau des Empire State Buildings arbeitenden Handwerker mit Trinkwasser labte, ist mit zusätzlichen Erklärungen auch schon für jüngere Kinder als das angepeilte Zielpublikum ab acht Jahren spannend zu hören. Zur Illustration wurden auch Fotografien von Lewis Hine herangezogen, dessen 1932 unter „Men at Work“ veröffentlichte Aufnahmen bis heute berührende Dokumente über die Arbeitsbedingungen von Bauarbeitern im Spannungsfeld zwischen Ausbeutung und Heldentum sind. Da der Verlag seine Reihe „Abenteuer Architektur“ bedauerlicherweise eingestellt hat, ist das Buch nur antiquarisch erhältlich.

Dietrich Neumann: Joe und der Wolkenkratzer - Das Empire State Building in New York (28 S., geb., ca. € 7; Prestel Verlag, München).

Großen Bauwerken und wie sie geplant, konstruiert und organisiert sind widmet sich der üppig bebilderte Band „Kühne Konstruktionen“. Detailreiche Einblicke in technisch aufwendige Bauwerke vom Atomkraftwerk zum Theater werden geboten, und man erfährt sogar, wie die Toiletten in das Hochhaus der Bank of Hongkong eingebaut wurden. Wer die jeweiligen Architekten sind, erfährt man leider nur nebenbei oder gar nicht, und der geniale Architekt und Ingenieur Ove Arup mutiert gar zu „Ove Astrup“.

Kühne Konstruktionen. Aus dem Englischen von Elisabeth Erpf (44 S., geb., € 13,30; Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

Nicht der Konstruktion, sondern dem Wesen von Gebäuden widmet sich das herzerwärmende Buch „Pinsel, Paula und die plaudernden Häuser“, verfasst von drei Wiener Architekturstudenten. Architektur wird nicht beschrieben, sondern kommt - nur für den Jungen namens Pinsel hörbar - selbst zu Wort. Während die Secession mit der Kunsthalle Eifersüchteleien austrägt, die Hofburg mit dem Looshaus über Dekor streitet, der Stephansdom seine Verbundenheit mit dem Messeturm kundtut oder die alten und neuen Museen ein Plädoyer für Vielfalt und gegenseitigen Respekt halten, lernen die Kinder Pinsel und Paula viel über sich selbst. Kindersorgen finden ihre Entsprechung in den Befindlichkeiten der Gebäude, und nebenbei erfährt das junge Publikum, was unter Symmetrie zu verstehen ist und worin die Errungenschaften des sozialen Wohnbaus liegen.

Sophie Hochhäusl, James Skone, Alex Mayer: Pinsel, Paula und die plaudernden Häuser (88 S., brosch., € 18; öbvhpt, Wien)

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