Publikation

33 Interviews zur Architektur
33 Interviews zur Architektur
Herausgeber:in: nextroom
Fotograf:in: Lukas Hämmerle
ISBN: 978-3-99014-191-5
Beiträge von: Mit einem Apéro von Marina Hämmerle
Publikationsdatum: 2019
Umfang: 208 Seiten, 33 farbige Abbildungen
Format: Freirückenbroschur, 17 x 24 cm

Was macht den Kern der heimischen Architektur aus?

Architektur: 33 Interviews mit vornehmlich österreichischen Architekten bieten eine gute Bestandsaufnahme

23. Oktober 2019 - Maik Novotny
Internetjahre sind wie Hundejahre, und für eine Website sind 23 Lebensjahre ein Zeichen für Pioniergeist und Durchhaltevermögen. Exakt so lange, seit 1996, gibt es die von Jürg Meister gegründete Online-Architekturdatenbank nextroom. Seitdem ist sie organisch gewachsen, unaufgeregt, professionell und übersichtlich. Wer sich online schnell ein Bild von aktueller österreichischer Architektur machen will, findet kaum eine bessere Adresse. Seit 2017 sind hier auch Interviews mit Architektinnen zu lesen. Jetzt erscheinen 33 davon als Buch, editiert von der Architekturpublizistin Martina Pfeifer Steiner. Alle folgen dem gleichen Schema mit denselben fünf Fragen, und gerade diese Stringenz ergibt ein breites Bild des heutigen Architekturschaffens.

Es beginnt mit einer zu oft vernachlässigten Frage: „In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?“ Denn wie Architekten ihre Arbeit organisieren, in welchen Räumen sie arbeiten und wie sie mit Mitarbeitern umgehen, hat unmittelbaren Einfluss auf ihre Bauten und lässt sich auch an diesen ablesen. Etwas verwunderlich auf den ersten Blick ist, dass auch drei Schweizer Büros unter den Gesprächspartnern sind. Peter Zumthor als Promi-Zuckerl mag noch verständlich sein, aber angesichts der überaus reichen Schweizer Architekturszene wirkt die Auswahl minimal. Allerdings ist die Auswahl, wie die Herausgeber im Vorwort vermerken, „intuitiv und subjektiv“ erfolgt, und auch die vorgestellten Österreicher sind nicht als „Best of“ zu verstehen. Man kann es als Reise durch die Räume von nextroom sehen, man liest so, wie man sich durch die Website klickt, von Zimmer zu Zimmer. Bedauerlicher, aber leider immer noch bezeichnend für den Berufsstand, ist das Verhältnis von 50 Männern zu 14 Frauen.

Weiter zu Frage drei: „Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?“ Es überrascht kaum, dass hier meist die Flut an Normen und Regulierungen genannt wird. Andere stellen den Begriff der Vision in Frage, denn deren unbegrenzte Verwirklichung ist nicht immer das, was Architekten anstreben. „Sind es schlussendlich nicht die Einschränkungen, die die Kreativität auslösen?“, fragt Andreas Cukrowicz (Cukrowicz Nachbaur Architekten). Die Frage „Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?“ liefert die am wenigsten ergiebigen Antworten, denn Architekten antworten auf diesen Interview-Standard fast ausnahmslos mit „das neueste“ oder „alle“.

Die letzte Frage schließlich öffnet zahlreiche Türen in neue Räume. „Worüber sollten Architektinnen einen Diskurs anzetteln?“ holt die Interviewten hinter dem Arbeitstisch hervor und in die Gesellschaft hinein, in der sie ihren Platz einnehmen und ihre Rolle deklarieren. Auch ein Begriff, der von Architekten gerne nervös umschifft wird, kommt zur Sprache, wenn Georg Bechter sagt: „Wir denken, dass Schönheit nicht argumentierbar ist, dabei hat Schönheit sehr viel mit Angemessenheit zu tun.“

Ebenso stringent wie die Reduktion auf fünf Fragen ist der Verzicht auf Abbildungen der Architektur. Stattdessen werden die Architektinnen in Porträtfotos von Lukas Hämmerle in Szene gesetzt. Diese sind so etwas wie die Seele des Buchs, weil sie die Personen in ihrem Wesen exakt treffen. Manche ungezwungen bei der Arbeit oder im Gespräch miteinander, andere in einstudierter „Kunden aus Amerika, bitte ruft uns an!“-Pose, Zumthor in typisch salbungsvoller „Ich kultiviere das Bild des einfachen Baumeisters, aber eigentlich bin ich ein Priester“-Haltung.

Den notorisch uneitlen, aber eloquenten Wiener Architekten Werner Neuwirth dagegen sieht man nur als Schatten hinter einer Milchglastür: im nächsten Zimmer. „Die Architektenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten so stark mit allen möglichen Rändern beschäftigt, dass die Substanz der Architektur anderen überlassen wird“, sagt er. „Wir sollten darauf achten, dass wir beim Kern der Architektur bleiben.“ Dieses Buch liefert 33 Antworten auf die Frage, wo dieser sich Kern befindet.
Erschienen im FALTER 41/2019 vom 11.10.2019 (S. 50)

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