Akteur

Rafael Moneo
Madrid (E)

Architektur als Kultur

Rafael Moneos erfrischender Blick auf den Kontext

Im Wettstreit der Städte sind architektonische Markenzeichen gefragt. Doch einige Architekten stellen sich dieser Tendenz entgegen. Beispielsweise Rafael Moneo, der sich auch von Moden wie der gegenwärtigen Blob-Manie nicht beeindrucken lässt.

4. Februar 2005 - Christoph Schütte
Manche Architekten gelten längst als Marke. Unverkennbar sind die Gebäude von Richard Meier, Daniel Libeskind, Frank Gehry, Zaha Hadid oder Mario Botta. Dekonstruktivismus, Rationalismus, Neue Einfachheit, die Begriffe purzeln, die Etikette sind schnell verteilt. Ein Bauherr, der einen grossen Architekten beauftragt, weiss, was er will. Ein Museum wie in Bilbao oder Berlin, einen Konzertsaal wie in Luzern. Doch was ist ein echter Moneo? «Er hat nicht einen Stil, sondern eine Haltung», hat «Le Monde» über den Spanier Rafael Moneo geschrieben. Und in der Tat zieht er die Freiheit der individuellen Lösung einer unverkennbaren Handschrift vor, die seinen Namen in grossen Buchstaben auf jedes seiner Gebäude setzte.

Analyse der Umgebung

Moneo realisiert, indem er immer wieder «bei null anfängt», wie er sagt, wunderbare, stimmige Bauten wie das Museum für römische Kunst in Mérida oder das Rathaus in Murcia. «Die Frage ist doch: Kann Architektur ein bestimmtes Problem lösen?» Es müsse nicht immer die grosse, kraftvolle Geste sein. Der urbane Raum, der städtische Kontext interessieren ihn im Zweifel mehr. Dabei ist der 1937 in Tudela geborene Pritzker- Preisträger durchaus zum spektakulären Entwurf fähig. Wenn es die Umstände erlauben. Sein international vielleicht bekanntestes Bauwerk, der 1999 vollendete «Kursaal» am Strand von San Sebastián, der aus zwei monumentalen, puristischen Glaskuben besteht, scheint die angrenzende Blockbebauung aus dem 19. Jahrhundert gar zu ignorieren (NZZ 16. 10. 99). Hier ist es ganz die Landschaft, die Lage zwischen Bergen, Fluss und Meer, auf die er sich bezieht. Moneo hat ihr lediglich zwei weitere, schillernde Felsen vor der Brandung hinzugefügt.

Dieser Bezug und die genaue Analyse der Umgebung zeichnen fast alle seine Arbeiten aus. Und so verbindet sich mit seinem Namen vor allem die Vorstellung eines Mannes mit einem ausgeprägten Sinn für den Genius Loci, ohne Masche und mit mehreren Handschriften. Im persönlichen Gespräch unterstreicht der bescheiden und fast schüchtern wirkende Moneo diese kontextuelle Herangehensweise. «Der Ort, die Stadt, die Landschaft sind von Bedeutung.» Über den Ort nachzudenken, zwinge geradezu zu bestimmten Lösungen. «Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass das, was man tut, die Leute angeht, die dort leben.» Das schliesst kunstvolle Lösungen keineswegs aus. Mit seinem Rathaus in Murcia etwa hat er nicht nur den von Kathedrale und Kardinalspalast gerahmten Platz geschlossen und dabei die barocke Bebauung respektiert. Das Gebäude selbst, eigenständig und selbstbewusst, setzt ein Zeichen, ohne auftrumpfend nach Dominanz zu streben. Im Gegenteil, was entsteht, ist ein fruchtbarer, beinahe lustvoller Dialog, ist der Versuch, Brücken zu schlagen: «Ich wollte ein Gebäude, durch das man alles Bestehende mit neuen Augen sehen kann.» Das ist das Geheimnis aller seiner Arbeiten. Architektur als Kultur zu begreifen, war immer Moneos Anliegen, ob als Architekt oder während seiner intensiven Lehrtätigkeit in Madrid, Harvard oder Princeton. Und diese Reflexion, das Wissen darum, was war, das Erklären und Rechenschaft ablegen darüber, «was man tut und warum», erklärt wohl auch, weshalb er als der Intellektuelle der spanischen Architektur bezeichnet wird.

Moneo baut für die Stadt und ihre Menschen, nicht, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Fast wirkt er ein kleines bisschen stolz, wenn ein Gebäude schlicht funktioniert, wie das einzige in Deutschland realisierte Projekt, ein von aussen wenig aufregend anmutendes Hotel am Potsdamer Platz in Berlin; wenn die Menschen in San Sebastián den «Kursaal» gerne und intensiv nutzen oder wenn die Kathedrale «Our Lady of the Angels» in Los Angeles als Ort der Gemeinde und der gemeinschaftlichen Liturgie ebenso wie als Raum der Kontemplation angenommen wird. Die Kirche sei die wahrscheinlich schwierigste Bauaufgabe gewesen, die er zu lösen gehabt habe. «Im Barock, im Rokoko waren alle Teil einer Gemeinschaft, dachten und glaubten auf die gleiche Weise. Heute hat jeder seine eigene Vorstellung von Spiritualität.»
Bauten mit vielen Bezügen

Auch das ist für Rafael Moneo Teil des zu reflektierenden Kontexts. Und dennoch sollte beides möglich sein bei dieser Kathedrale, die in einem schwierigen Umfeld mitten in der City steht, durch einen Ring von Strassen und Autobahnen isoliert ist und doch ausstrahlt auf die Stadt mit ihren sozialen Problemen, ihren verschiedenen Religionen und Minderheiten. Entstanden ist ein Bauwerk mit vielen Bezügen, in dem die alabasterverkleideten Fenster für gedämpftes, gefiltertes Licht sorgen. Hier sind byzantinische, gotische und romanische Anklänge ebenso auszumachen wie Verweise auf die frühen spanischen Missionskirchen oder auf Le Corbusiers Wallfahrtskapelle in Ronchamp. Und doch erscheint es nicht als ein Monument postmoderner Spielerei, sondern als ein durchdachtes, aus Beton, Stein und Alabaster errichtetes Gotteshaus. Und wie auch immer man es nennen möchte, es trägt eine eigene, deutliche, sehr ausgeprägte Handschrift.

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