Akteur

Gerhard Steixner
Wien (A)

Mies auf dem Holzweg

Gespräch mit Gerhard Steixner

15. März 2005 - Christian Kühn
Kühn
Für das Kombinieren von Materialien gibt es unterschiedliche Gründe, einerseits technische, also jedes Material dort einzusetzen, wo es seine Qualitäten optimal ausspielen kann, andererseits ästhetische, etwa nach dem Prinzip der Collage. Bei einigen deiner Projekte, die sich aus dem Standard Solar-Typ entwickelt haben, war die Idee der Collage für mich deutlich zu spüren. Bei deinem jüngsten Projekt für ein Fertighaus, dem »art for art«-Haus, ist dieser Aspekt eher in den Hintergrund getreten.

Steixner
Von einer bewussten Collagierung würde ich hier nicht sprechen. Die Kombination von dichter Masse und der Leichtigkeit des Holzes hat mit Speicherfähigkeit zu tun, mit Raumklima und Behaglichkeit, auch mit der Statik, dass man hier einen starken Kern hat, an den der Leichtbau einfach angedockt wird. Aber es gibt natürlich einen Wechsel verschiedenster Oberflächentexturen, Farben und Härten, was sich nicht nur visuell, sondern auch akustisch auswirkt.

Kühn
Auf den Fotos sieht das Haus auf den ersten Blick aus wie ein Stahlbau von Mies van der Rohe.

Steixner
Stahl ist hier ganz minimal eingesetzt und hilft eigentlich nur, die Dimensionierung auf einem Minimum zu halten. Im Prinzip sind nur die beiden Stützen im Erdgeschoss und die diagonalen Zugstäbe aus Stahl. Das Volumen wird mit minimalem Materialaufwand erzeugt, was beim Holzbau nicht so einfach ist. Ich habe ein spezielles Tragprofil entwickelt, das diese weit gespannte Konstruktion erlaubt. Es erspart außerdem die Sekundärkonstruktion, weil die Verglasung direkt in die Tragkonstruktion eingesetzt ist, und im Fußbereich bildet das Profil einen Graben für die Heizung, in den man nur noch die Konvektoren anhängen muss. Das ganze Projekt ist aus dem Detail heraus entwickelt.

Kühn
Das wäre dann doch eine Beziehung zu Mies van der Rohe?

Steixner
Ja, von dem stammt ja das Zitat: »Gott wohnt im Detail.« Das Detail spielt bei mir immer von Anfang an eine Rolle im Entwurf.

Kühn
Ursprünglich ist der Typ als Bürobau entstanden?

Steixner
Ja. Ich habe einen komplett offenen Typ entwickelt, der unterschiedliche Funktionen aufnehmen kann. Das Verhältnis der Volumina von Massivbau und Leichtbau ist hier viel bestimmender als die Funktion, weil die Speichermasse eine entsprechende Größe haben muss.

Kühn
Die Speichermasse ist nur im massiven Teil?

Steixner
Nein, auch in der Decke. Das ist eine 16cm starke Brettstapeldecke, nach unten gedämmt, die gleichzeitig als Fußboden die fertige Oberfläche bildet. Die obere Decke ist aus Kostengründen eine Leichtkonstruktion. Abgesehen vom Massivteil ist das alles vorgefertigt und innerhalb von drei Tagen aufgestellt und dicht. Holz ist ein sehr präzises, schnell zu verarbeitendes Material, und es bedarf keiner weiteren Beschichtungen, wenn man das nicht haben will.

Kühn
Wenn man das Haus mit anderen Beispielen des vorgefertigten Bauens vergleicht, wie etwa dem Eames-Haus, dann hat es eine ganz andere Ästhetik, bei der nicht die Konstruktion im Vordergrund steht, sondern eine ruhige, fast klassische Gesamtform. Die abgerundeten Ecken verstärken diesen Eindruck noch.

Steixner
Durch die neutrale Gesamtform ohne allzu große gestalterische Attitüden ist das Haus relativ frei, und die Vielfalt an möglichen Nutzungen ist sehr gut ablesbar. Die abgerundeten Ecken sind der einzige Luxus. Sie sind eine Erinnerung an die 1970er Jahre: Das erste Haus, das ich in der htl gezeichnet habe, hatte auch solche Ecken. Inzwischen war das ja völlig out. Aber ich glaube, sie stehen dem Haus ganz gut.

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Gerhard Steixner, Foto: Gerhard Steixner