Akteur

Henke Schreieck Architekten ZT GmbH
Wien (A)

Präzise Details - präziser Raum

Das Wiener Architektenduo Henke und Schreieck

Die Wiener Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck führen in ihren oft einer strengen Orthogonalität verpflichteten und deswegen mitunter fast klassisch anmutenden Bauten und Projekten entwerferische und städtebauliche Konzepte vor, die sich durch besondere Klarheit und Direktheit auszeichnen. Dabei interessieren sie sich für präzise Detaillösungen ebenso wie für neue baukünstlerische Trends.

4. Oktober 2002 - Margit Ulama
Vermittelt über ihren Lehrer Roland Rainer, führten Dieter Henke (1952) und Marta Schreieck (1954) bis jetzt die Tradition der Moderne in einer ganzen Reihe von Bauten fort, die als klassisch bezeichnet werden können, auch wenn sie bestimmte Themen offensichtlich weitertreiben. Die Architekten erforschen selten konzeptionelle Grenzbereiche und erproben kaum gänzlich unbekannte Verfahren und Typologien. Mit ihren Bauten, mit denen sie oft im Rahmen einer strengen Orthogonalität bleiben und die auf exzessive Weise den modernen Baustoff Glas verwenden, führen sie Entwürfe bis hin zu städtebaulichen Konzepten vor, die sich durch besondere Klarheit auszeichnen. Zugleich sind diese immer wieder hinsichtlich der generellen Lösung, des Massstabs, der Proportion und insbesondere was die stadträumlichen Überlegungen betrifft, stimmig. Präzise präsentieren sich auch die Detaillösungen.

Vorbild Moderne

Ein 1997 fertig gestelltes Einfamilienhaus in Wien-Hernals publizierten die Architekten mit einer Baustellenfoto des rohen Stahlskeletts und deklarierten damit ihren Rückgriff auf das konstruktive Konzept der Moderne. Der längliche Quader ist mit geschlossenen Längs- und völlig verglasten Stirnseiten in den üppig überwucherten Hang gesetzt. Im Erdgeschoss liegen die Schlaf- und Kellerräume, im Obergeschoss fliesst der offene Wohnraum um die quer gelagerte Treppe und geht unmittelbar in das Grün des Aussenraums über. Raumfluss und Simultaneität von innen und aussen, die für die Moderne fortschrittliche Themen darstellten, wirken nun ganz selbstverständlich. - Der Wohnbau nimmt im Schaffen von Henke und Schreieck neben Bildungsbauten eine zentrale Stelle ein. Wegweisend war ein Mehrfamilienhaus, das für die Österreichische Beamtenversicherung (ÖBV) Anfang der neunziger Jahre, also noch vor der derzeitigen forcierten Entwicklung des Wiener Wohnbaus, unweit des Einfamilienhauses realisiert wurde.

Bereits die Durchführung eines Gutachterverfahrens seitens der ÖBV war damals ungewöhnlich; der Bau wurde frei finanziert und bot daher einen relativ grossen Gestaltungsspielraum. An der Strassenfassade dominieren zwei Geschosse hohe, verschiebbare Elemente mit Alulamellen als Sicht- und Sonnenschutz vor den Loggien, die den Bau vom Gründerzeitkontext abheben. Zudem sticht eine offene Treppenanlage ins Auge, die die beiden Flügel des Eckbaus trennt und modern interpretierte Laubengänge erschliesst. Im einen Hausteil liegen Geschoss-, im anderen Maisonettewohnungen. Ungewöhnlich an der Grundrisstypologie mag die freie Treppe im Wohnraum sein, die eine Galerie erschliesst. Wieder trägt die Ausstattung - eine blaue Stirnwand im Wohnraum, gläserne Schiebetüren, der raumhohe Glasstreifen zwischen Bad und Treppenaufgang - entscheidend zur architektonischen Qualität bei, und der Wohnraum lebt von der völligen Transparenz zu den Vorgärten. Zugleich ist Intimität auf Grund der flexiblen Lamellenelemente jederzeit möglich. Die zwei Geschosse hohe Loggia wird dabei zur raumhaltigen Schicht zwischen Innen- und Aussenraum.

Dynamisierung der Form

Henke und Schreieck beherrschen auch die grosse städtebauliche Geste. Exemplarisches Beispiel dafür ist die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck, wiederum Resultat eines Wettbewerbes und 1998 fertig gestellt. Die Architekten schufen nicht nur einen geschützten öffentlichen Raum vor dem Haupttrakt, sondern auch einen grosszügigen Innenraum. So liegt in der Mitte der beiden Längstrakte eine glasgedeckte Halle mit einer einläufigen Treppe, die den Raum kaskadenartig erschliesst. Eine weitere Besonderheit stellen die geschwungenen Elemente dar, die diesen 200 Meter langen Fakultätstrakt konterkarieren: ein amöbenhaft geformter Bauteil und eine lang gestreckte, gekrümmte Betonmauer, die den Bau quer durchschneidet. Auch wenn diesen Bauteilen eine räumliche und funktionelle Begründung zugrunde liegt, spiegeln sie doch die zunehmende organische Tendenz unserer Zeit wider.

Bei anderen Projekten wurde diese Haltung schliesslich konstitutiv für den Baukörper, und besonders beim Baumarkt «Baumax» in Schwechat drückt sich das Interesse an einer «dynamischen Weiterentwicklung der Moderne» aus. hier verbindet eine breite Rundung die lang gestreckten Seitenfassaden. Die abstrakte Organik steigert sich zu einer expressiven Dynamik. Die zunächst geschlossenen, breiten Lamellen vor den Glasfronten drehen sich zur Rundung hin kontinuierlich in die Horizontale, die Front kippt zudem nach vorne. Der Baukörper hebt sich allmählich vom Boden ab, und die Dachkante schwingt nach oben. Die Schnittzeichnung suggeriert in der Folge das Dampfermotiv - mit dem Werbeobjekt des «Mega bau-Max» als Schornstein.

Ein besonders prestigeträchtiges Projekt ist derzeit die Renovierung und Erweiterung des ehemaligen Turmhotels Seeber von Lois Welzenbacher in Hall in Tirol, errichtet im Jahr 1931. Das Gebäude führt mit seinen auskragenden, eine Drehbewegung andeutenden Balkonen eine exemplarische Gestaltung des abstrakten Baukörpers der Moderne vor. Die jetzige Renovierung beziehungsweise Adaptierung geht auf die Initiative einer Architektengruppe zurück, die auch die Gefahr des Abrisses abwendete. Bei dem Wettbewerb, der zudem eine Erweiterung zum Thema hatte, erlangte das Projekt von Henke und Schreieck zwar nur den zweiten Preis, dennoch realisieren sie ihr Projekt, was zu Kontroversen führte. Doch ihr Entwurf überzeugt in seiner Prägnanz. Sie setzen einen sich nach oben verbreiternden Zylinder in einiger Entfernung zum Bau von Welzenbacher, auch hier mit Glasfassade und breiten, horizontalen Lamellen davor. Trotz oder vielleicht gerade wegen des Gegensatzes und seiner In-sich-Geschlossenheit lässt dieser Körper den Bau von Welzenbacher nach wie vor wirken. Es entsteht ein Dialog des Konträren. Die erdgeschossige Verbindung des Neubaus mit dem Welzenbacher-Bau und dem Kurhaus, die den Gastronomiebereich aufnimmt, war ein zentrales Argument, dieses Projekt zu realisieren.

Fokus Fassade

In jüngerer Zeit findet man bei den Projekten mäandernde Baukörper, die Freiräume definieren und zugleich ausfliessen lassen. Die Assoziation Mäander entsteht natürlich primär beim Blick von oben auf das Modell. Auf diese Weise geformte Baukörper lagen dem Wettbewerbsentwurf für die Fachhochschule in Kufstein zugrunde, bei dem drei intimere Höfe in einen zentralen, grösseren übergehen. Letztes Jahr stellte man die erste Baustufe, gewissermassen die Grundform des Mäanders fertig. An drei Seiten nimmt man jetzt einen einfachen Kubus wahr. Einmal mehr findet man hier eine klare räumliche Organisation mit zentraler Aula und ringsum laufenden Klassenräumen. Wettbewerb und Projekt entstanden auf Initiative des Bauherrn, dessen Engagement es zudem ermöglichte, ein innovatives Fassadensystem zu entwickeln. Dieses oszilliert zwischen dem Eindruck der Flächigkeit, den die leichte gläserne Aussenhülle weckt, und der Tiefe unmittelbar dahinter. Denn die Isolierverglasung sitzt weit innen, dazwischen liegen die langen und dünnen «Fassadenpfosten», die einen prägnanten Vertikalrhythmus entstehen lassen. Auf diesem modernen Typus des Kastenfensters beruht die zweischalige Klimafassade mit kontrollierter Be- und Entlüftung, die dem anschaulichen Unterricht von Facility-Management dient.

Bei einem aktuellen Projekt wird das Thema der zweischaligen Fassade im Sinne von transluzenter Verhüllung und differenzierten Aus- und Durchblicken weiterentwickelt. Ein neuer «Kaipalast» soll den alten am Franz-Josefs-Kai mit Blick auf den Donaukanal ersetzen. Der Bau von 1912 repräsentierte einen der ersten Eisenbetonbauten von Wien, doch dessen Konstruktion war zu marod, um erhalten zu werden. Der Abbruch war dennoch umstritten, zugleich führte Zürich Kosmos als Bauherr einen geladenen Wettbewerb durch. Das Siegerprojekt von Henke und Schreieck nimmt die Eck-Konfiguration auf und entwickelt seine Eigenart einmal mehr über die Fassade. Ganz im Sinne der Zeit, die den einfachen Kubus immer weiter differenziert, entwickelt schliesslich der Hofraum eine besondere skulpturale Eigenart. Bei dem unregelmässigen Gebilde mit etlichen Vor- und Rücksprüngen durchstossen einzelne Lufträume die Fassaden und paraphrasieren tatsächliche Fenster, die es sonst an der milchigen Aussenhaut mit den lamellenartigen Drehelementen nicht gibt. In funktionaler Hinsicht lockert diese Form den allzu engen, schlecht belichteten Innenhof auf und versucht, über die Fassade zusätzliches Licht hereinzuholen. In ästhetischer Hinsicht bildet der skulpturale Hofraum den Gegenpol zum homogenen äusseren Kubus und erinnert verblüffend an Skulpturen von Eduardo Chillida.

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