Akteur

Tobias Hagleitner
Linz (A)

Österreich verliert an Boden: „Langfristig großer Schaden“

Architekturkritiker Hagleitner fordert höhere Steuern auf Widmungsgewinne und strengere Förderregeln.

20. September 2014 - Alexander Zens
OÖNachrichten: Zehntausende Hektar Gewerbe- und Industrieflächen in Oberösterreich liegen brach. Dennoch gibt es immer neue Widmungen. Woran liegt das?

Hagleitner: Erstens weil es wirtschaftlich interessant und Grund zu billig ist. Gewidmetes Bauland wird gehortet. Das führt zu Verknappung. Zweitens gibt es festgefahrene Planungsmodelle: Ein Neubau ist einfacher zu konzipieren als die Umnutzung eines brachliegenden Areals. Drittens gehen Verkehr und Widmungen oft Hand in Hand. Grundstücke sind vergoldet, ehe die Umfahrungsstraße errichtet wird.

Ist das gut für den Wirtschaftsstandort oder schlecht wegen Zersiedelung und teurer Infrastruktur?

Aus Sicht des einzelnen Investors oder Eigentümers ist es kurzfristig gut. Aber gesamtwirtschaftlich und langfristig entsteht großer Schaden. Zum Standort gehören auch Aspekte wie Lebensraumqualität.

Wie kann man das ändern?

Wir brauchen einen Bewusstseinswandel. Seit den 1950er-Jahren gab es Entballung, jetzt ist Zeit für Verdichtung. Das bedeutet nicht Käfighaltung oder Übereinanderstapeln etwa von Wohnungen, sondern intelligentes Nutzen vorhandener räumlicher Strukturen.

Generell werden in Österreich täglich 22 Hektar Boden verbaut und versiegelt. Freut das die Architekten wegen der Bautätigkeit?

Nein, die Zahlen müssen jeden alarmieren. Architekten, Bauunternehmer, Politiker, Investoren sind Menschen, die auf ihre Ressourcen achtgeben sollten. Leider herrscht der Massenbau vor. Nicht nur Fläche liegt brach, sondern auch geistiges Kapital der Architekten.

Wie soll man den Verbrauch landwirtschaftlicher Böden senken?

Es muss rentabel sein, Böden zu bewirtschaften. Regionale Nahrungsmittel müssen einen Wert haben. Außerdem braucht es höhere Steuern auf Widmungsgewinne. Und Einfamilienhäuser sollten weniger stark gefördert werden: Die Folgen eines Neubaus bei Energie, Raumordnung und Infrastruktur müssen berücksichtigt werden.

Derzeit wird auf Landesebene eine Raumordnungsnovelle verhandelt. Was erwarten Sie sich davon?

Dass Mängel behoben werden und der Flächenverbrauch sinkt. Ein Gesetz ist aber nicht alles. In Österreich gäbe es eines der strengsten Gesetze für den Einzelhandel, doch es scheitert an der Umsetzung. Bestehende Siedlungskerne sollten weiter entwickelt werden.
Zur Person
Tobias Hagleitner ist ab Oktober der neue Architekturkritiker der OÖNachrichten. Der gebürtige Vorarlberger hat an der Kunstuniversität Linz Architektur studiert und lebt hier seit dem Jahr 2001. Hagleitner arbeitet als Autor, Ausstellungsmacher und Architekturvermittler. Der 33-Jährige ist unter anderem Mitbegründer und -gastgeber des Formats „Theorie im Keller“ im afo architekturforum oberösterreich.

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