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Profil

Tobias Hagleitner hat 2008 an der Kunstuniversität Linz im Fach Architektur diplomiert und 2018 promoviert. Seit 2007 freischaffend in den Bereichen Baukunst, Gestaltung und Architekturkommunikation. Als Architekturkritiker schrieb er u. a. für die OÖNachrichten, in Vorarlberg für die vom vai Vorarlberger Architektur Institut kuratierte Reihe zur Baukultur „Leben & Wohnen“ in den VN. Er ist freier Mitarbeiter und Kurator im afo architekturforum oberösterreich (2020/21 interimistischer Leiter) und Redakteur für die nextroom-Sammlungstätigkeiten von afo und vai.

Lehrtätigkeit

seit 2012 Lehraufträge zu Raum, Architektur und Kunst im öffentlichen Raum an Kunstuniversität Linz und KU Linz

Veranstaltungen

10/2025–04/2026 Mädchen* sein!?, Lentos Kunstmuseum Linz (Ausstellungsarchitektur gemeinsam mit Margit Greinöcker)
11/2023–04/2024 Stadtlabor, Nordico Stadtmuseum Linz (Gestaltung und Kuratierung gemeinsam mit Klaudia Kreslehner)
09/2023–09/2030 Linz Blick, Dauerausstellung Nordico Stadtmuseum Linz (Gastkurator)
04/2023–09/2023 schee schiach Ep. 1 & 2, afo architekturforum oberösterreich (Co-Kurator)
11/2021–02/2022 Kühne, Schulte, Gegenwart. Soziale Stadtbausteine der Zwischenkriegszeit in aktueller Perspektive, afo architekturforum oberösterreich (Konzept und Gestaltung)
11/2020–03/2021 Das gewisse Etwas. Über die Begeisterung für Architektur in fünfundsechzig Dingen, afo architekturforum oberösterreich (Konzept und Gestaltung)
05/2021–09/2021 Sehnsuchtsort Schule, afo architekturforum oberösterreich (Kurator mit Teresa König und Uschi Reiter)
01/2020–07/2020 Egon Hofmann–Linz. Künstler Industrieller Kosmopolit, Nordico Stadtmuseum Linz (Ausstellungsgestaltung mit Margit Greinöcker)
03/2019–08/2019 Es zog mich durch die Bilder. Kubin@nextcomic-Festival, Landesgalerie des OÖ Landesmuseums (Ausstellungsgestaltung)
03/2017–04/2017 Erfahrene Landschaft II, Architektur Haus Kärnten (Kurator, Konzept und Gestaltung)
05/2016–07/2016 Erfahrene Landschaft I, afo architekturforum oberösterreich (Kurator, Konzept und Gestaltung)
09/2013–02/2014 Kunterbunt. „Klasse Kunst“ zum Thema Farbe, Landesgalerie Linz (Ausstellungsgestaltung mit Margit Greinöcker)
04/2013–06/2013 Innenansicht Suedost. Vorarlberg, vai Vorarlberger Architektur Institut (Co-Kurator und Gestaltung mit Azra Akšamija, Margit Greinöcker et al.)
07/2012–08/2012 Innenansicht Suedost. Linz, afo architekturforum oberösterreich (Co-Kurator und Gestaltung mit Azra Akšamija, Margit Greinöcker et al.)

Auszeichnungen

2022 Forschungspreis Architektur der zt: Bundeskammer
2013 START Stipendium „Architektur und Design“ des bmukk
2011 Schütte-Lihotzky-Projektstipendium
2008 Kunstpreis der Diözese Linz
2008 Talentförderungsprämie Land Oberösterreich

Bauwerke

Artikel

4. Mai 2019 Oberösterreichische Nachrichten

„Es braucht Experimente“

Architekturprofessorin Sabine Pollak fordert neue Modelle, wie wir leben, wohnen und arbeiten. Städte wie Linz sollten den Raum dafür schaffen.

Das zehnte „Superstadt“-Symposium an der Kunstuniversität Linz ist der Zukunft der Stadt gewidmet. Zum runden Jubiläum der international ausgerichteten Veranstaltung für Stadtforschung und -entwicklung rückt Kuratorin Sabine Pollak den Austragungsort selbst in den Fokus. Ob Linz „super“ ist, bespricht sie mit OÖNachrichten-Architekturkritiker Tobias Hagleitner.

OÖNachrichten: Die Linzer Stadtentwicklung gerät derzeit immer wieder in die Kritik. Wie sehen Sie den planerischen Umgang mit der Stadt?

Sabine Pollak: Stadtplanung ist eine sehr komplexe Aufgabe. Es gibt kein Rezept, wie es richtig geht. Linz ist prinzipiell eine offene und vielfältige Stadt. Die Buntheit an Bauformen, die Durchmischung von dichten und leeren Flecken, von niedriger und hoher Bebauung – diese Vielfalt mag ich, und die sollte beibehalten werden. Aber es fehlt auch an vielem. Es gibt für die Randbereiche der Stadt keine sinnvollen Strategien. Es gibt ein massives Verkehrsproblem, das in vergleichbaren Städten viel entschiedener angegangen wird. Es fehlt an zeitgemäßen, urbanen Wohnformen.

Wie würden denn „urbane Wohnformen“ aussehen? Woran denken Sie?

Junge Leute tun sich zum Beispiel zusammen, gründen eine Genossenschaft und entwickeln in diesem Rahmen ganz andere Formen zu wohnen, zu arbeiten und zusammenzuleben. Solche Projekte wirken immer auch positiv ins Umfeld, da entstehen neue Dinge rundherum. Es wäre toll, wenn die Stadt das erkennen und Grundstücke zur Verfügung stellen würde, um alternative Konzepte ausprobieren zu können. Es braucht Experimente. Im geförderten Wohnbau, wie er derzeit durch das Land Oberösterreich reglementiert ist, geht leider gar nichts. Das ist eine Katastrophe für die Wohnbauentwicklung einer Stadt wie Linz.

Sie sind seit zehn Jahren in Linz tätig, Ihr Lebensmittelpunkt ist Wien. Ist Linz vielleicht doch zu klein, um mit dem Angebot einer Großstadt mitzuhalten?

Die Größe ist nicht entscheidend, wenn man sieht, was sich am Wohnsektor in vergleichbar großen Städten in Deutschland oder der Schweiz tut. Da gibt es eine Fülle an alternativen Angeboten, Baugruppenprojekte, neue Finanzierungsmodelle etc. Dasselbe gilt für den Arbeitsraum. Mit der Tabakfabrik gibt es ein positives Linzer Beispiel. Da ist sicher noch zu wenig los. Aber es ist ein Punkt in der Stadt, der das grundsätzlich leisten kann. Linz hat einige solcher Punkte zu bieten, die sehr spannend und städtisch werden können. Davon brauchen wir mehr, die vorhandenen müssen wir stärken.

Ein Themenblock des Symposiums ist dem öffentlichen Raum gewidmet. Worum geht es da?

Wir wollen vor allem die Rolle der Kunst im öffentlichen Raum diskutieren. Die erste „Superstadt“ war im Kulturhauptstadtjahr 2009. Das hat Linz verändert. Der Höhenrausch ist nicht mehr wegzudenken, die Museen gehen gut. Aber es gibt vieles auch nicht. Die Stadt wird kaum noch mit künstlerischen Interventionen bespielt, von denen wichtige Impulse für die Stadtentwicklung ausgehen könnten. Da hat Linz vom „Ausnahmejahr“ wenig gelernt. Stattdessen ist der öffentliche Raum kontrollierter geworden.

„Superstadt“ beschäftigt sich diesmal auch mit der Donau. Welche Bedeutung hat der Strom für Linz?

Wir setzen uns an der Kunstuniversität seit einiger Zeit mit der Verbindung von Stadt und Wasser auseinander, mit den vielen Möglichkeiten, die der Freiraum der Donau für Linz bietet. Das ist speziell für die wachsende Industrie- und Kulturstadt, so nah an diesem großen Fluss zu sein, mit dem Schiffsverkehr direkt am Hauptplatz. Damit sollten wir uns stadtplanerisch viel mehr auseinandersetzen: einerseits die wertvollen Naturräume erhalten und noch besser zugänglich machen, andererseits vorausschauend überlegen, wo und wie die Uferräume bebaut werden können, wie sich die Stadt künftig mit der Donau entwickeln kann.

19. Mai 2018 Oberösterreichische Nachrichten

Familiäres Ensemble

Zwei Verandahäuser für drei Generationen: Eine Geschichte vom gekonnten Umgang miteinander und mit den Bedingungen des Ortes.

Initiiert hat das Projekt eigentlich das jüngste Familienmitglied. Wäre die kleine Tochter nicht gewesen, wären die jungen Eltern vielleicht nicht so oft aus Wien zu Oma und Opa nach Schärding auf Besuch gefahren und womöglich gar nicht auf die Idee gekommen, sich dauerhaft dort niederzulassen.

So aber wurde der Entschluss gefasst, das Metropolenleben aufzugeben und gemeinsam mit den (Groß-)Eltern das Projekt „Mehrgenerationen-Wohnen“ am ländlichen Rand des Städtchens zu wagen.

Das Bestandsobjekt wäre groß genug für alle gewesen. Aber der Zustand des einfachen Bauernhauses hätte eine so aufwändige Sanierung erforderlich gemacht, dass Überlegungen in diese Richtung schnell verworfen waren.

Also Neubau. „Wir haben uns wirklich viele Architekturbüros angeschaut“, erzählt Bauherrin Johanna Tschaikner. Sogar in Vorarlberg wurde recherchiert. Mit Tom Lechner alias LP architektur wurde schließlich im Salzburgischen ein Partner für das Vorhaben gefunden, der auch der älteren Generation zusagte und deren anfängliche Skepsis gegenüber Architekten schnell verfliegen ließ: „Da hat die Chemie gepasst.“

Gartenpavillons

Gemeinsam mit der kleinen Baugruppe entwickelte das Büro ein schlichtes Konzept aus zwei flachen Baukörpern, die auf die unterschiedlichen Wünsche der Familien, auf die Topografie und die umgebende Vegetation sensibel eingehen. Das Holzhaus für die Jungen nimmt in etwa die Stelle des ursprünglichen Gebäudes ein und hat ein Sockelgeschoß aus Beton untergeschoben, das sich talseitig zum unmittelbar anschließenden Wald öffnet.

Der Quader für die Eltern wurde im rechten Winkel dazu an die nördliche Grundgrenze positioniert. Das erhaltene Wirtschaftsgebäude nehmen die beiden „Pavillons“ in ihre Mitte. So ausgewogen arrangiert, ergibt sich insgesamt ein idyllisches Ensemble um den gemeinsamen Gartenhof. Bemerkenswert ist das vertrauensvolle Miteinander, das sich im Lauf der Umsetzung zwischen Bauherrschaft und Architekt, aber auch mit den Handwerksbetrieben entwickelt hat. So lag die gesamte Firmenrecherche, Ausschreibung und Kostenkontrolle bei der jungen Bauherrin und auch die Bauaufsicht übernahmen aufgrund der Distanz zwischen Architekt und Baustelle weitgehend die Auftraggeber – mit der „Rat-auf-Draht-Methode“, wie unbeschwert erklärt wird. Fragen und Probleme wurden via Telefon in Wort und Bild vermittelt, der technische Leiter im Architekturbüro half und koordinierte aus der Ferne.

Möglich ist so ein Prozedere sicher nur, wenn die Handwerker mit Begeisterung dabei sind, ihr ganzes Know-how einbringen, umgekehrt aber auch die Professionalität der Planer und die Ansprüche der Bauherrschaft respektieren. „Und das hat super funktioniert“, erklärt die Bauherrschaft, die für das Projekt fast ausschließlich Betriebe aus nächster Nähe engagierte.
Geistesverwandte

Die beiden Häuser sind keine fotogenen Prachtkisten. Um Repräsentation ging es hier nicht. Die eigentliche Qualität erschließt sich im Gebrauch, im Wohnen. Ein lebendiges, gelebtes Verständnis von Schönheit und gutem Design, das sich im unterschiedlichen Inneren der verwandten Bauten beweist. Sehr authentisch und hier wie dort äußerst wohnlich und behaglich wurde je nach Geschmack, Bedürfnissen und Gewohnheiten ausgestattet und ein eigener, passender Stil gefunden. In beiden Fällen aber überzeugt das Gespür für die natürlichen Qualitäten der Materialien und der Mut, sie so zu zeigen, wie sie sind. „Das beeindruckt mich an dieser Architektur“, sagt Bauherr Vincent Tschaikner, „wenn du vorher gut überlegst, wie es sein soll, musst du nichts verstecken, nichts aufstemmen, nichts verputzen. Wenn die Wand steht, dann ist sie fertig. Das ist cool, das ist ein sinniger Gedanke. Nichts ist hier versteckt.“ „Na ja!“, entgegnet seine Frau verschmitzt und klopft auf das sägeraue Holz, „die Dämmung schon“.

7. März 2018 Oberösterreichische Nachrichten

Eine Ausnahmeerscheinung

Eigenheim muss nicht sein – das Land ist schon genug zersiedelt. Wenn, dann bitte kompakt, ökologisch und mit Sinn für die Umgebung.

Der Bauplatz liegt an einem sanft geneigten Osthang am Rand einer Einfamilienhaussiedlung, die hier, auf halbem Weg zwischen den Ortskernen von Windischgarsten und Roßleithen, seit gut zwanzig Jahren langsam aber kontinuierlich bergwärts wächst.

Verständlich, dass in dieser Lage gern gebaut wird. Das Panorama in die Bergwelt der Pyhrn-Priel-Region und hinunter ins Windischgarstener Becken ist phänomenal, hinterm Haus schließen Wiesen und Wälder an. Wer Sinn für dieses sensible Umfeld hat, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Es gilt, räumliche Qualitäten zu erhalten und zu nutzen, die zugleich mit dem neuen Haus ein weiteres Stück zurückgedrängt werden.
Reduziertes Repertoire

Das nötige Feingefühl für dieses Dilemma war beim „Haus mit Giebel“ gegeben. Und zwar von Seiten der Planenden genauso wie von der Bauherrschaft. Die junge Familie wünschte sich ein Haus, das sich in die Umgebung fügt, das die Natur und die Aussicht wirksam in den Wohnraum holt. Sie wollte ruhiges, aufgeräumtes Design in Holz, Beton und Glas. Das waren Qualitätsansprüche, die Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm alias mia2/ARCHITEKTUR mit Freude aufgriffen.

Mit einer bewusst reduzierten Auswahl an Materialien und Formen entwarfen sie ein Haus, das schlicht ist und komplex zugleich. Schlicht in der Art, wie es dasteht in seiner klaren, wohlproportionierten Struktur aus Sockel, Erdgeschoß und Dach. Komplex in der räumlichen Vielfalt, die es bietet. „Wir mögen keine Sackgassengrundrisse“, erklärt Sandra Gnigler: „Wir versuchen, den Raum als Kontinuum zu fassen.“ Und das ist gelungen. Es ist ein Haus der gut gestalteten Übergänge – hausintern von Raum zu Raum, aber auch von innen nach außen.

Raffinierte Räume

Hangseitig verschwindet das Erdgeschoß gut einen halben Meter tief im Gelände, sodass der Wohnraum wie ein Gefäß vom Sockel und der anschließenden Wiese umfangen wird. Talwärts, vier Stufen nach oben, entfalten sich Essbereich und Küche mit viel Luftraum bis hinauf zum First. Noch luftiger lässt es sich im Sommer einrichten, wenn die großen Fenster übers Eck zur Gänze aufgeschoben werden.

Das leicht erhöhte „Zwischenpodest“ der Wohnküche verdankt sich dem darunterliegenden kleinen Keller für Lager und Haustechnik. Die versetzte Geschoßigkeit macht sich die topografischen Eigenheiten des Grundstücks ideal zunutze. Die leicht erhabene Position, die sich so ergibt, bietet beste Sichtverhältnisse, über die Nachbarschaft hinweg, hinaus in die Bergkulisse.

Formal und organisatorisch raffiniert, ist das Haus auch ökologisch vorbildlich. Das Volumen wurde kompakt gehalten, der Flächenverbrauch bestmöglich beschränkt. Es wurde konsequent aus Holz errichtet und natürlich gedämmt. Bemerkenswert ist zudem der hohe Anteil an Eigenleistung. Beim Betonieren des Kellers, bei der Fassade aus geflämmten Brettern am Giebeldreieck oder der Inneneinrichtung beteiligte sich die Bauherrschaft mit etlichen Arbeitsstunden.

Das Haus strahlt das aus. Es ist spürbar, dass es etwas zu tun hat mit den Leuten, die es für sich errichtet haben und mit der Landschaft, in der es steht. Das macht eine sympathische Aura. Und darin unterscheidet es sich so angenehm von den vielen Häusern, die blind Vorbilder von anderswo kopieren oder gleich laut Katalog geliefert werden. Im Preis zeigt sich letztlich, dass dieses individuelle, maßgeschneiderte Planen und Bauen nichts mit überteuertem Luxus zu tun haben muss, wenn die Architekten ihr Handwerk beherrschen.

Und das tun die beiden: Anlässlich der Heinrich-Gleißner-Preisverleihung an die Welser Architekten Luger&Maul vor wenigen Wochen wurde auf deren Vorschlag der Förderpreis an Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm vergeben.

In ihren Arbeiten zeige sich „hohes Engagement für gute zeitgemäße Architektur ohne Hang zum modisch-spektakulären, wohl aber zum handwerklich richtigen und gestalterisch überlegten Bauen“, so Luger&Maul in ihrer Begründung.

25. November 2017 Oberösterreichische Nachrichten

Reinhard Seiß: „Das ist zu wenig!“

Stadtplaner Reinhard Seiß kritisiert die mangelnde Planungskultur im Land. Die Hochhauspolitik in Linz hält der Oberösterreicher für verantwortungslos

OÖNachrichten: Der geplante Bruckner-Tower oder das Weinturm-Hochhaus werden in Linz derzeit heiß diskutiert. Hochhäuser polarisieren. Sind Sie pro oder contra?

Reinhard Seiß: Das Problem sind nicht Hochhäuser an sich, sondern ihr unreflektierter Einsatz. Es ist erschütternd, mit welcher Oberflächlichkeit Projekte oft argumentiert, ja schöngeredet werden. Gebäude mit 80, 100, 120 Metern haben einen großen Wirkungsradius. Da wäre ein vertiefter Diskussionsprozess vonnöten. Doch wird so getan, als gingen Hochhäuser nur jene etwas an, die sie planen, bauen und genehmigen. Das mag bei Projekten von ortsüblicher Dimension funktionieren, aber nicht bei Höhen, die den bestehenden Bebauungsplan um ein Vielfaches sprengen.

Die genannten Projekte zeigen immerhin architektonischen Anspruch…

Nur, weil etwas in zeitgenössischem Gewand daherkommt, heißt das nicht, dass es gut ist. Architektur muss mehr sein als Form und Oberfläche. Zu sagen, ein Gebäude sei schön, ist bei Hochhäusern zu wenig, vor allem wenn diese Behauptung von den Planern und Betreibern selbst stammt. Die meisten Türme in Österreich sind architektonisch banal und zeigen bloß die serielle Vervielfältigung ein und desselben Geschoßes. Da bieten historische Bauten auf vier Geschoßen mehr Differenziertheit. Aber es geht um mehr: Wie nachhaltig sind diese Hochhäuser beispielsweise? Wie teuer kommt ihre Sanierung oder Umnutzung? Es ist sicher zu wenig, das geforderte Raumprogramm des Investors zu erfüllen, insbesondere, wenn Architektur gesellschaftspolitische Verantwortung für sich reklamiert.

Da ist auch die Verantwortung der Stadt angesprochen, der Politik, die solche Projekte genehmigt?

Natürlich! Vor allem die Planungspolitik ist in der Pflicht. Ein Hochhaus hat vielfältige Auswirkungen auf das Umfeld. Da geht es um die Struktur des Viertels, um Verkehrsfragen, um Beschattung, um Windturbulenzen und nicht zuletzt um das Stadtbild, die Silhouette. Jahrhundertelang war Städtebau auch akribische Stadtkomposition. Heute meinen Kommunalpolitiker selbstüberschätzend, über Stadtgestalt autonom entscheiden zu können.

Als Raumplaner kritisieren Sie Bodenverbrauch und Zersiedelung. Hochhäuser wären doch ein Gegenmittel?

Als Stadtregion betrachtet – und so müssen wir Städte heute betrachten – braucht Linz für sein Wachstum keine Hochhäuser. Linz leidet nicht unter Baulandknappheit wie etwa Innsbruck, sondern unter fehlender Flächeneffizienz. Was wir in Gewerbegebieten, Fachmarktzentren und bei Supermärkten allein für Parkplätze an Boden vergeuden oder für freistehende Einfamilienhäuser verbrauchen. Das Argument des Wachstumsdrucks ist unzulässig, solange im Umkreis von 15 Kilometer um den Linzer Dom auch nur eine einzige Einfamilienhausparzelle zur Bebauung ansteht und verdichtete Flachbauten weiterhin bloß Ausnahmeerscheinungen sind.

Können Hochhäuser als private Investments nicht auch Impulsgeber für die Stadtentwicklung sein?

Immobilienprojekte sind keine Gefälligkeit von Investoren, sondern eine attraktive Anlageform. Und Hochhäuser sind nur eine sehr eitle Spielart davon. Dabei vergisst die Politik: Jede Hochhauswidmung widerspricht dem Gleichheitsprinzip. Ein einzelner Grundeigentümer wird mit einer Vervielfachung des Grundstückswerts gegenüber allen anderen, die dieses Recht nicht bekommen, begünstigt. Bei frei finanzierten Wohn- oder Bürobauten müsste dieser Mehrwert adäquat abgegolten werden. In München oder in Basel und anderen Schweizer Städten wird das bei Großprojekten konsequent betrieben. Selbst in US-Städten zahlen Begünstigte sowohl an die Anrainer als auch an die Allgemeinheit. Dass man sich hierzulande wehrt, auf diese Weise Gerechtigkeit zu schaffen, sagt viel über unsere Politik.

15. Juli 2017 Oberösterreichische Nachrichten

Franz Riepl: „Baut angemessen!“

Architekt Franz Riepl aus Sarleinsbach stört, wie oberösterreichische Kommunen bauen. Auf der Baustelle des Gemeindeamts Wilhering macht er seinem Ärger Luft.

OÖNachrichten: Sie haben Amtshäuser der vergangenen Jahre fast lückenlos im ganzen Land dokumentiert. Was beschäftigt Sie so sehr daran, dass Sie sich die Arbeit antun?

Riepl: Mich stört vor allem deren Unangemessenheit. Es interessiert offenbar nicht mehr, was zu einem Ort passt und stimmig ist. Vorbilder von irgendwo werden übernommen, die nichts mit der Region zu tun haben. Da überraschen mich die Gegensätze: Jeder rennt im Trachtenjanker herum und muss bio essen, aber wenn gebaut wird, reicht der letzte Schmarren von der Stange. Ursprünglichkeit und Echtheit sind en vogue – beim Kochen. Beim Bauen interessiert man sich nur für den besten Preis und die einfachste Montage.

Was konkret finden Sie denn am Neubau des Gemeindeamts hier in Wilhering problematisch?

Das alte Amtshaus in Wilhering-Ufer ist ein ganz normales Haus. Ein ordentliches, einfaches Gemeindeamt. Warum braucht es jetzt eine höchst komplizierte Verschränkung einander widersprechender Bauteile in unterschiedlichen Materialien? Zwei zusammengeschusterte Körper, die sich nicht richtig verschneiden! Es gelingt nicht mehr, ein einheitliches Haus zu gestalten.

Sie denken, dass das früher besser gelungen ist. Was war so anders als heute?

Rathäuser aus dem 19. Jahrhundert werden bis heute erhalten und genutzt. Warum? Sie bleiben im Maßstab. Sie waren in ihrer Struktur verwandt mit dem Ort. Früher ist ein Amtshaus integriert worden – wenn nicht in den Ort, dann in die Landschaft, zum Beispiel mit Bäumen. Hier ist nichts als Asphalt vorgesehen. Wir haben ein Gemeindeamt ohne Beziehung zum Ort. Und warum ein Flachbau? Riesige Fladen von Amtshäusern werden gebaut. Das braucht zu viel Grund und ergibt Proportionen, mit denen nicht ortsgerecht gearbeitet werden kann. Ein einfaches Haus wie ein Gemeindeamt käme mit einem viel flächensparsameren Körper aus.

Das Land Oberösterreich zeigt sich aber stolz auf „seine“ Baukultur. Was läuft da schief?

Was Politiker in Sonntagsreden vertreten und was sie fördern, stimmt nicht überein. Es gibt wohl – oft nur halbherzig durchgeführt – einen Wettbewerb, gewissermaßen als Leitbild. Aber dann wird von Bauträgern übernommen. Die wollen nicht Architektur entwickeln, sondern Bauten realisieren, oft ohne Mitwirkung des Architekten, ohne Verständnis. Das ist ein Bruch. Schlimm ist, dass die öffentliche Hand dieses Prozedere vormacht. Sie müsste Vorbild sein.

Und wie könnte das gelingen? Was wäre vorbildhaft aus Ihrer Sicht?

Man darf die Gemeinden nicht alleinlassen. Das Geld wird zwar zur Verfügung gestellt, aber Qualität braucht auch Betreuung. Es braucht Leute in Land und Gemeinden, die sich kümmern, die eine Haltung haben und das einfordern. Das müssen gar nicht immer Fachleute sein. Viele in der Verwaltung wissen zwar, dass die öffentliche Bauentwicklung im Land nicht gut ist. Aber sie halten sich zurück. Widerspruch ist offenbar nicht gewünscht. Es wird viel zu stur nach übergeordneten Leitbildern gearbeitet. Nur weil an einem Ort etwas tauglich ist, muss das nicht überall richtig sein. Da wird zu schemenhaft gedacht und am Ende hat das Gebäude mit der Örtlichkeit und dem tatsächlichen Bedarf einer Gemeinde nichts zu tun.

Sie reden von Unangemessenheit. Was zeichnet denn das Angemessene aus?

Was im Bauen angemessen ist, wird nur über Zahlen beurteilt und nicht über das „Feeling“. Aber Lebensglück gibt es nur übers „Feeling“, über Atmosphären. Das ist entscheidend beim Bauen. Darum denke ich, sollte man etwas vorsichtiger und bedächtiger vorgehen. Und man sollte sich auch erlauben, kritischer darüber nachzudenken.

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