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Lehmbau: ökologisch, ethisch, schön
Lehmbau: ökologisch, ethisch, schön, Pressebild: Stefania Ragusa © basehabitat





In einer globalisierten Welt, die sich, dem Druck internationaler Konzerne folgend, an der Nutzung von Beton, Stahl und Hochtechnologie orientiert, versuchen Querdenker, im Norden wie im Süden, neue Wege zu gehen.

5. Juli 2011
Geprägt sind diese Versuche alternativer Bauweisen von der Verwendung lokaler Baumaterialien, der Weiterentwicklung der örtlichen Tradition sowie der Suche nach handwerklicher Qualität. Neben Holz in waldreichen Regionen steht Lehm, der fast überall vorhanden ist, als Baumaterial einer nachhaltigen Zukunft zur Verfügung.

Ein Grundmaterial, viele Techniken. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute noch in Lehmhäusern. Was liegt auch näher, wenn man auf dem Land lebt und wenig Holz zur Verfügung hat, als mit der Erde unter seinen Füßen zu bauen? Angefangen hat es, sagen die Archäologen, vor circa 7000 Jahren im heutigen Irak. Traditionelle Adobe-Bauten sind jedoch auf allen Kontinenten zu finden: in Peru, China, Togo ... Weltweit am bekanntesten sind zwei Anlagen, die von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgewählt wurden: der Ksar Ben Ali bei Marrakesch in Marokko und vor allem die 500 Wohntürme mit fünf bis sechs Etagen aus dem 16. Jahrhundert im jemenitischen Shibam. Gebaut wurden sie aus Lehm, Sand, Wasser und Fasern (Stroh, Hanf oder Tierhaaren), die die Reißfestigkeit erhöhen. Die Mischung wird in Holzformen gegossen, die daraus entstandenen Ziegel werden ein paar Tage lang und vorzugsweise im Schatten, um Risse zu vermeiden, luftgetrocknet. Gemauert werden sie dann mit einem Lehmmörtel.

Vater der Wiederbelebung der Adobe-Bauweise um 1940 ist der ägyptische Architekt Hassan Fathy. Mit einer wiedererweckten Gewölbetechnik aus Nubien für die Dächer und meistens im Selbstbau der künftigen Bewohner entstanden mehr als 150 Projekte für die arme Bevölkerung im Irak, in Pakistan und Ägypten. Gourna, die bekannteste Siedlung, liegt im Tal der Könige. In einem Buch1, das zur Bibel alle Lehmbauarchitekten wurde, hat Fathy nicht nur über die Entstehung dieser zwei Dörfer ausführlich berichtet, sondern auch das Scheitern dieses Projekts offengelegt. Dies hatte mehrere Gründe, darunter einen soziokulturellen: In dieser kolonialistischen Zeit stand der internationale Stil für Fortschritt und jede Betonkiste wurde zur Ikone der Modernität. Heute ist es allerdings oft nicht viel anders ...

Neben Adobe steht eine andere Bautechnik, deren erste Spuren im pakistanischen Indus-Tal gefunden wurden und die auch in der griechisch-römischen Antike präsent war: Stampflehm. Einige Teilstrecken der Chinesischen Mauer sowie viele europäische Wohn- und Landwirtschaftsbauten wurden damit errichtet. Das Prinzip ähnelt dem, das heute für Beton verwendet wird: Zwischen zwei Schalungen werden mehr oder weniger dicke Schichten aus einer Lehm-Sand-Mischung gestampft. Die dadurch entstandenen Mauern sind meistens um die 50 Zentimeter stark. Ähnlich dick sind die Wände aus Wellerbau: Man bewirft einen wasserdichten Sockel aus Steinen oder Bachsteinen mit Kugeln aus Lehm und Stroh, bis der Haufen circa 70 Zentimeter hoch ist, und lässt die Masse etwa zwei Wochen lang trocknen. Dann werden beide Seiten mit einem Spaten begradigt, bevor man mit einer neuen Schicht anfängt. Diese Technik war lange Zeit in Ostdeutschland, in manchen Regionen Englands sowie in der französischen Normandie und Bretagne zu Hause. Dort, wie in vielen Gebieten Europas, wurden auch bis in das 20. Jahrhundert hinein sogar Stadthäuser aus Holzfachwerk mit einer Füllung aus Flechtwerk mit Lehmverstrich realisiert.

Als Lehm ein modernes Material wurde. Arbeitsintensive Lehmbautechniken waren zu der Zeit möglich, als die Bewohner eines Dorfes oder eines Stadtteils sich gegenseitig beim Bauen ihrer Häuser geholfen haben. Mit der Industrialisierung auf einem sich global entwickelnden Planeten ist sie wegen des sehr hohen Aufwands an menschlicher Arbeitskraft in Vergessenheit geraten, sogar in Ländern, wo die Arbeiterlöhne sehr niedrig sind und eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Heute blüht die Lehmarchitektur im Norden wie im Süden wieder auf, dank ein paar engagierter Spezialisten wie Francis Kéré, Anna Heringer und Martin Rauch. Sie betonen die Echtheit und die Schönheit der ländlichen Kultur und zeigen die negativen Seiten der Verwendung von Bautechniken und -materialien aus dem Westen auf: die klimatische Unangepasstheit von Betonsteinen, den hohen Anteil an grauer Energie für Herstellung und Transport, den Verlust an Identität. Eine nachhaltige Architektur, die sich nur ein Teil der Weltbevölkerung leisten kann, ist nicht zukunftsfähig. Der Lehmbau könnte Teil einer globalen Lösung sein. (Auszug aus dem gleichnamigen Artikel erschienen in KONstruktiv 281, März 2011. Dominique Gauzin-Müller)
1 Gourna, a Tale of Two Villages, in Kairo 1969 veröffentlicht. In Französisch Construire avec le peuple, Sindbad, 1970

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