Bauwerk

Karikaturmuseum
Rudolf F. Weber, Gustav Peichl - Krems an der Donau (A) - 2001
Karikaturmuseum, Foto: Martin Vavra

Kronleuchten am Witzmeiler

Die Karikatur hat hierzulande längst eine zentrale permanente Würdigung verdient. Gustav Peichl wagt mit seinem Kremser Karikaturmuseum den Spagat zwischen Deix-Andacht und Aufdeckung einer Kunstgattung.

5. Januar 2002 - Walter Chramosta
Wovor muß ein Politiker auf der Hut sein: vor freien Wahlen, vor freien Meinungsäußerungen, vor Fanatikern. Und vor Witzen. In einem totalitären Staat kann er die Wahlen verfälschen, die Meinungsäußerungen knebeln, die Fanatiker unschädlich machen. Nur gegen den Witz ist er machtlos. Allenfalls kann er den Witzerzählern an den Kragen. Die Witze selbst entziehen sich jeder Verfolgung. Die lauteste Propaganda, die gängigste Phrase, die raffinierteste Lüge: - ein treffender Witz, und sie werden lächerlich, das Schlimmste, was ihnen passieren kann!" Was der Politkabarettist Werner Finck dem Witz im Totalitarismus zuschreibt, gilt gleichermaßen für die Karikatur - zumal auch in der besten aller schlechten Staatsformen, der Demokratie.

Witz und Karikatur sind bewährte homöopathische Entschlackungsmedizin für sich
demokratisierende Staatskörper. Das mag den Landeshauptmann von Niederösterreich motiviert haben, das schon mancherorts ventilierte Deix-Museum nach Krems zu holen und zum Karikaturmuseum aufzuwerten.

„Humor ist das Gütesiegel einer entwickelten Gesellschaft. Humorlosigkeit, Lachfeindlichkeit ist ein Zeichen von Diktatur“, stellt der künstlerische Leiter des Karikaturmuseums Krems, Severin Heinisch, klar; sein Haus will dementsprechend als politisches Zeichen gesehen werden. Pröll stellt mit feiner Dialektik das Karikaturmuseum in das herrschende System: „Die Karikatur ist Kritik in einer lustigen Form. Wo gibt es denn heute noch Humor? Wir bieten ihn hier - denn hier ist eine Oase des Humors.“

Oasen sind deswegen so anziehend, weil sie in Wüsten liegen. Rundum ist weniger zu lachen. In Krems heißt das: Das Karikaturmuseum wird als Teil der sogenannten „Kunstmeile“ vermarktet: Kunsthalle, Literaturhaus und gastronomische Angebote werden mit ihm gemeinsam als kulturbeflissener Ort definiert, der die touristische Attraktivitätssenke zwischen den Kernen von Krems und Stein überbrücken soll. Das Präsenzdilemma des Karikaturmuseums ist aber seine Eingebundenheit in die Stadt. Einerseits unmittelbar flankiert vom vollbunt hochaufragenden Literaturhaus, andererseits ein auf frisch gebügeltes, freistehendes Altwirtshaus.

Jede architektonische Manifestation ohne kritische Baumasse gerät hier in Bedrängnis. Besonders die sich als „Kunst-am-Bau-Fassade“ des Literaturhauses dem Passanten mächtig andienende Informationsausschwitzung konterkariert jeden Ansatz zu einem Ensemble. Vergleichsweise wirkt die vis-à-vis gelegene Justizanstalt Stein in ihrem unverhohlenen Sichtbetonbrutalismus geradezu sympathisch; an architektonischer Präsenz ist das Gefangenenhaus an diesem Ort jedenfalls unerreicht. Die hinter historischem Gemäuer siechende Kunsthalle steht von jeher im strengen Schatten der Strafanstalt. Schon allein deswegen war es ein falscher Schachzug, an der bislang „unsichtbaren“ Kunsthalle eine „Kunstmeile“ festzumachen.

Die Standortentscheidung für das Karikaturmuseum ist also offenbar eine politische gewesen, sie ist weniger an Ort und Stelle nachvollziehbar als im landesweiten Zusammenhang. Die Wahl des Architekten war dagegen eine persönliche: Manfred Deix, der den größten Teil der Ausstellungsfläche bespielt, wünschte sich Gustav Peichl für das etwa 3 Millionen Euro (40 Millionen Schilling) schwere Projekt. Von „Ironimus“ wird die Reaktion überliefert: „Ich dachte an einen Scherz, denn dieser Deix ist ja ein Bold.“ Tatsächlich ließe sich zum Werk von Deix eine expressiv-organische Architektur als narratives Superzeichen imaginieren, ein Ansatz, den Peichl als Vertreter einer von Pragmatismus und manchmal unernst zwinkerndem Rationalismus getragenen Baukunst nie verfolgen würde.

Deix setzte für das Haus, das sich dem Besucher wegen der vorgestellten Werke eher als Deix-Kultstätte mit vorgeschalteter Wechselausstellung und angeschlossener „Ironimus“-Ex- positur denn als „nationales“ Karikaturmuseum darbietet, auf Kontrast: architektonische Abstraktion mit weißer Moderne statt bauformale Selbstähnlichkeit mit den obsessiven Gedankenwelten und Gefühlsabgründen seiner Protagonisten. Auf den von einigen populären Wiener Künstlern naiv als leicht begehbar eingeschätzten Abschnei- der von der Malerei zur Baukunst hat er sich glücklicherweise nicht eingelassen; ohne Erfolg hat er sich aber als Bildhauer versucht. Er ließ aber seinem Architekten Freiheit, die engen Serpentinen zur angemessenen gebauten Form auszugehen.

Aber die Finanziers hätten diesen Weg leichter begehbar machen können. Der Witzmeiler ist solide, aber er muß ohne die einem Kunsthaus gut anstehende Sinnlichkeit der Materialisierung auskommen - und er ist unterdimensioniert: Eine fragwürdige Landesausstellung weniger, und man hätte ein Haus von europäischem Zuschnitt. Die zwei Geschoße wirken schon mit den Eröffnungspräsentationen überfrachtet. Die Ausstellung „Alles Karikatur - Das gezeichnete 20. Jahrhundert“ versammelt zwar die wichtigsten Zeichner, aber die Dichte der Hängung und die fehlende didaktische Begleitung trüben den Genuß. Die Deix-Schau im Obergeschoß ist von vielen brillanten Arbeiten getragen, aber unzureichend strukturiert. Peichls scharf gezeichnetes Panorama der Raab-Figl-Ära kommt im graphischen Kabinett räumlich noch am besten weg.

Ob es nur ein Freudscher „Verschreiber“ im Vorwort der Baudokumentation ist, wenn vom nicht existierenden zweiten Obergeschoß die Rede ist, das „durch eine Rundtreppe erschlossen“ wird? Peichls Skizzen, die von einem den Eingang überhöhenden Kopfmotiv mit Augen und Mund ausgehen, das in die unregelmäßige Dachbekrönung eingearbeitet ist, belegen, daß er in zwei auf einem gläsern aufgelösten Sockel stehenden Stöcken gedacht hat. Der Wille zu physiognomischer Bereicherung tangiert ein heißes Thema heutiger Architektur: die Rückgewinnung der sprechenden Architektur nach einer zwei Jahrzehnte währenden Ära minimalistischer Verschwiegenheit.

Das Kremser Kronleuchten könnte stärker sein. Das ultimative „Ironimus“-Museum ist das sicher noch nicht.

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