Bauwerk

Topografie des Terrors
Peter Zumthor - Berlin (D) - 1993
Topografie des Terrors, Foto: Klaus Frahm / ARTUR IMAGES
Topografie des Terrors, Foto: Klaus Frahm / ARTUR IMAGES

Die Republik in der Pflicht

Das Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors ist gefährdet

31. März 2004 - Claudia Schwartz
Er griff zum letzten Mittel, das übrig blieb: Reinhard Rürup, der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Topographie des Terrors, ist, wie bereits gemeldet, von seinem Amt zurückgetreten. Nach nahezu zwei Jahrzehnten unermüdlichen Engagements und nachdem der auf dem Gebiet des Nationalsozialismus international renommierte Historiker trotz allen Rückschlägen während Jahren mit bewundernswerter Integrität an dem Neubauprojekt der Stiftung festgehalten hat. In dem vom Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfenen Dokumentationszentrum soll dereinst über die Mechanismen des Machtapparates im «Dritten Reich» informiert werden.

Seit Ende 1999 dauert mittlerweile der Baustopp auf dem brachliegenden Gelände in Berlin- Kreuzberg, wo einst Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt ihren Sitz hatten. Von den seither regelmässig aus der Verwaltung tropfenden Meldungen über einen geplanten Weiterbau nimmt kaum noch einer Kenntnis, erweisen sie sich doch ausnahmslos als jene - wie es ein ehemaliger Berliner Kultursenator einmal formulierte - «Bemühenszusagen», mit der die Politik in dieser Stadt unermüdlich, aber folgenlos die eigene Entschlossenheit demonstriert.

Rürups Rücktritt ist, wie die «Frankfurter Rundschau» anprangert, nicht nur eine «Schande für alle übrigen Beteiligten», sondern auch ein Schuss vor ihren Bug. Denn was in Berlin Bemühenszusage heisst, nennt sich auf Seiten der Bundesregierung seit längerem Absichtserklärung: Als das Erinnerungsprojekt vor drei Jahren bereits im Berliner Treibsand aus Inkompetenz und Finanznot zu versinken drohte, kündigte der Bund an, die Baukosten zur Hälfte zu übernehmen - vorausgesetzt, der Kostenrahmen von rund 39 Millionen Euro werde eingehalten. Doch liess man die Lokalpolitik in gewohnter, wenig kostensparender Weise weiterwursteln: Die unendliche Geschichte nahm ihren Fortgang mit dem Konkurs von am Bau beteiligten Firmen, Neuausschreibungen sowie Überarbeitungen durch den Architekten, dessen Entwurf sich Berlin in den Neunzigern gerne ans Revers heftete, wenn es um den Nimbus einer Stadt der Architektur ging.

Schwere Vorwürfe richtet der scheidende Direktor nun nicht zuletzt an die Adresse der Kulturabteilung im Kanzleramt unter Christina Weiss. Offenbar wollte man dort in Anbetracht der anhaltenden Unsicherheit des Bauprojektes Druck auf den Berliner Senat ausüben und kündigte die Streichung von Sondermitteln für die Erstausstattung der geplanten Einrichtung an. Man will den Berliner Schlendrian schlagen und trifft damit die Stiftung Topographie des Terrors mitten ins Herz, indem man dem nicht bestehenden Haus nun auch noch den Inhalt nimmt. Die zur Diskussion stehenden Mittel sind bereits fest eingeplant in die zukünftige Darstellung der Geschichte des nationalsozialistischen Unterdrückungsapparates. Als Beitrag zum diesjährigen Gedenken an den Widerstand des 20. Juli 1944 zogen Rürup und sein Team einen diesbezüglichen Schwerpunkt vor mit einer Schau über das Gestapo-Gefängnis, über «Terror und Widerstand 1933-1945». Sie sollte ab Mai auf dem Topographie-Gelände zu sehen sein und muss nun abgesagt werden.

Verärgert zeigt sich der für gewöhnlich sehr zurückhaltende Rürup auch deshalb, weil das Kanzleramt nicht erst das Gespräch mit der Stiftung suchte, um die akuten Folgen abzuwägen, sondern es der Berliner Kulturverwaltung überliess, die Einrichtung vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ein wahrlich berlinischer und jedenfalls unwürdiger Umgangston gegenüber einer Institution, die einen international hoch angesehenen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen leistet. Die Bundesregierung will mit ihrem Vorstoss die Hauptstadt an ihre Hausaufgaben erinnern und versetzt der Topographie des Terrors womöglich den Todesstoss. Die Einrichtung steht schon länger auf der Kippe. Mit dem Abgang von Reinhard Rürup, mit dessen Person das Projekt aufs Engste verknüpft ist, erscheint die Vollendung des Ausstellungszentrums unsicherer denn je.

Der Bund hat sich mit Vehemenz zwei Grossprojekte der Erinnerungskultur zur eigenen Angelegenheit gemacht: das zentrale Holocaust-Mahnmal und das Jüdische Museum - repräsentative Einrichtungen mit hohem Symbolwert das eine wie das andere. Umso stärker tritt die Halbherzigkeit zutage, mit der sich die Politik der Topographie des Terrors zuwendet. Für einmal geht es nicht darum, wohlwollend Gesinnung kundzutun. Es geht darum, Verantwortlichkeit in die Tat umzusetzen. Das Gelände Topographie des Terrors ist ein historischer Ort des Schreckens inmitten der deutschen Hauptstadt. Die Stiftung hat die Aufgabe, über die Systematik des nationalsozialistischen Unrechtsstaates, über die Strukturen der Täter aufzuklären. Das ist keine berlinische Angelegenheit, sondern eine der Berliner Republik.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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