Bauwerk

Museu Picasso - Erweiterung
Jordi Garcés - Barcelona (E) - 2004

Picasso in den Palästen

Erweiterung des meistbesuchten Museums von Barcelona

3. November 1999 - Markus Jakob
Kunst frisst sich durch die Altstadt, entkernt sie und legt äusserlich unsichtbare Schneisen in das Dickicht. Barcelonas 1963 gegründetes Museu Picasso, das jährlich über eine Million Besucher anzieht, war ursprünglich in zwei, seit 1986 in drei mittelalterlichen Palästen untergebracht; nach der jüngsten Erweiterung nimmt es nun deren fünf ein. Ende Oktober wurden die neuen Säle für temporäre Ausstellungen eröffnet. Bis ins Jahr 2004 soll auch das Labyrinth der Sammlungssäle entwirrt sein, und auf der Rückseite der Palastreihe am Carrer Montcada wird sich ein Skulpturengarten anschliessen. Man begreift, dass der «Faktor Picasso» bei der Vermarktung der Stadt nicht zu vernachlässigen ist; ebenso, dass sich zur Bewältigung der Touristenströme ein «respektvoller», aber nicht gerade der sanfteste Umgang mit der vorhandenen, bis ins 13. Jahrhundert zurückreichenden Bausubstanz empfahl.

Seit 1978 ist Jordi Garcés, ein Star der katalanischen Architekturszene, für den Um- und Ausbau des Museums verantwortlich. Mit seinem jüngsten Eingriff wird nun die streng axiale Ordnung deutlich, die seinem Konzept zugrunde liegt. Im Erdgeschoss, hinter den zurückversetzten Eingangspatios, verbindet eine durchgehende Passage die fünf Paläste. Ergänzt durch eine rechtwinklig dazu ins Innere abzweigenden Achse, soll das frei zugängliche Parterre die urbanistische Einbindung in das Altstadtquartier gewährleisten. Die Längsachse wird sich dereinst auch in den Obergeschossen durch den Gebäudekomplex ziehen. Während die in Sichtbeton belassenen Zugangsbereiche eine «unverhohlene Vision» der Architektur bieten und mit den mittelalterlichen Gewölben bisweilen knochenharte Verbindungen eingehen, bleiben die weissen Ausstellungssäle mit ihren Marmorfliesen einer herkömmlicheren Noblesse verpflichtet. Fassadenseitig musste der jeglichem Historizismus abholde Garcés auf seinen Plan, die Balkone einfach abzusägen, verzichten; Fensterverkleidungen aus Irokoholz, die schmale vertikale Fensterbänder offenlassen, sind indessen ein weiteres Beispiel für seinen unsentimentalen Umgang mit dem Bauerbe. Der künftige Skulpturengarten wird schliesslich mit aller Hinterhofromantik und anderen geschichtlichen Ablagerungen aufräumen.

Dass in Barcelona eine in der architektonischen Sprache und der rigoros rationalistischen Ordnung derart kompromisslose, ebenso minimale wie tiefgreifende Intervention praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit vonstatten geht, stellt der katalanischen Zivilgesellschaft nicht unbedingt ein gutes Zeugnis aus. In seiner Kühnheit wäre der Eingriff unter anderen Voraussetzungen freilich wohl gar nicht möglich gewesen.

Die Politiker sind sich einig, dass nun auch die seit längerem kaum mehr erweiterte Sammlung des Museums neuer Impulse bedarf. Unübertroffen bezüglich des Frühwerks von Picasso, sind die Bestände für die späteren Schaffensperioden des Künstlers - bis auf einzelne Höhepunkte wie die Serie der «Meninas» - weiterhin lückenhaft. Ankäufe kann sich die Stadt als Eigentümerin des Museums bei den heutigen Preisen jedoch kaum leisten, und der spanische Staat pflegt seine neu erworbenen Picassos durchweg in Madrid zu placieren. Einen Begriff davon, was das Haus aus eigenen Beständen beibringen kann und wo es auf Leihgaben angewiesen ist, bietet die erste Ausstellung in den neuen Sälen. «Picasso: Interieurs und Exterieurs» zeigt hervorragende Beispiele aus dem Schaffen des Anti-Paysagisten, der einmal sagte, er berge in seinem Inneren Landschaften, wie sie ihm die Natur niemals so schön bieten könnte.


[ Die Ausstellung «Picasso: Paisatge interior i exterior» dauert noch bis zum 30. Januar 2000. Der Katalog kostet 4995 Peseten. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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