Bauwerk

Restaurant Johan
Claudio Silvestrin - Graz (A) - 1997

Von der Inszenierung des Elementaren

Was immer der Wahllondoner Claudio Silvestrin plant und realisiert; es strahlt eine würdevolle, fast feierliche Ruhe aus. So auch das Restaurant Johan in Graz, eine Arbeit, mit der der Architekt das zweite Mal in dieser Stadt in Erscheinung tritt.

1. Juli 1998 - newroom
Der Raum, den zwei Grazer Geschäftsleute für ihre Vorstellung eines qualitätvol-len, doch unpretiösen Speiselokals gefunden hatten, war ein denkmalgeschützter, 250 m² großer ehemaliger Pferdestall im Grazer Landhaus, dem bedeutenden Renaissancebau, der um 1560 vom italienischen Baumeister Domenico Allio als Sitz der Provinzregierung errichtet wurde.

Eine Bauaufgabe, die sich als gleichermaßen reizvoll wie schwierig erwies, mit der Silvestrin aber umzugehen wußte, denn er hatte schon zuvor in Sudfrankreich, Italien und Graz kunsthistorisch wertvolle Bausubstanz adaptiert. Ja, mehr noch, sie kam seiner „Architektur-Philosophie“ entgegen. Silvestrin hat vor der Archi-tektur Kunst und Philosophie studiert; in seiner Auffassung von idealen Räumen spiegelt sich das wider. Er strebt immer an, Raum als freien Raum erlebbar zu machen, gleichsam die Dichte des leeren Raums zu materialisieren. Sein Ziel ist, durch wenige, sparsame Eingriffe die ganze Wesensheit und Kraft eines Raumes hervorzuheben. Dazu „reduziert“ er die Architektur auf ihre grundlegenden Ele-mente, auf einfache geometrische Formen, die in ihrer Klarheit seiner Vorstellung von Komplexität und Perfektion am nächsten kommen, auf Symmetrie und Gleichgewicht, auf die organische Schönheit natürlicher Materialien und auf die Wirkung von Licht und Schatten. Hier zeigt sich Silvestrins geistige Nähe zu Künstlern wie Richard Serra und Donald Judd, der wie er Kunstgeschichte und Philosophie studiert hat. Judd’s zahlreichen, streng ornamentlosen Möbelentwür-fen ist der einfache Sperrholzhocker, den Silvestrin für das Entree des Restau-rants entworfen hat, durchaus vergleichbar.

Tritt man ein, so befindet man sich, nur wenige Schritte von der Straße entfernt, in einem Emp-fangsraum mit erstaunlicher Abgerücktheit vom Trubel der Stadt. Einfache Teakholzbänke mit Rückenlehne (aus kultiviertem Holz) an beiden Längswänden, davor kleine kubische Stahlrahmentische mit Teakplatte (Fronzoni - ein italienischer Klassiker um 1960), die erwähnten Hocker mit losem Naturlei-nenüberzug und gedämpftes Licht - c’est tout! Die riesige, bündig in die Wand gesetzte Kühlvitrine für Wein ist zugleich Paravent für die dahinter versteckte Garderobe. Wer auf einen freien Tisch warten muß, kann in ihr schmöckern wie in einer Bibliothek.

Den Hauptraum, der Speisesaal, Bar und Küche in einem ist, prägen zwei Reihen von je fünf Kreuzgewölben, die sich auf schwere Steinsäulen stützen. Die Cha-rakteristik des Vorhandenen hat Silvestrin belassen, ja, er betont sie noch, indem er den Schaufenstern und den hofseitigen Fenstern Wände vorsetzt, die den Raum hermetisch abschließen. Kunstlicht, das von gebrochenem weiß bis blau variierbar ist, kommt aus den quadratischen tiefen Einschnitten, die paarweise die Bögen rhythmisieren. Der unwirkliche Schein des „otherwordly blue“ zeichnet die einzigen Farbflecken im einheitlichen Ambiente, das durch die feine farbliche Nu-ancierung des hellen großformatigen Sandsteinbodens, der grau pigmentierten Gipswände und des etwas heller gekalkten Deckengewölbes entsteht. Die Zonie-rung in Bar, Essbereich und Küche gelang dem Architekten, ohne den Gesamt-eindruck des Raumes zu zerstören. Die beiden Tischreihen sind von der langge-streckten Bar durch großzügigen Abstand und die Säulenreihe separiert, während die Küche am fernen Raumende hinter einer freistehenden, gekurvten Wand mit kaum mehr als Kopfhöhe ver-borgen ist. Die Essensausgabe ist ein schmaler ho-rizontaler Schlitz in Tischhöhe und was von der Bar besehen eine graue, sie ab-schirmende Wandscheibe zu sein scheint, zeigt sich von der ande-ren Seite als Anrichte in Teakholz.

Der Raumvorstellung wird Material und Verarbeitung untergeordnet, was zuweilen etwas manieriert wirkt. Andererseits zeigt die Teakholzbank (hier mit hoher Rük-kenlehne) und die Verwendung eines anonymen Küchenstuhls aus den Zwanzi-gern (wieder mit Leinenüberzug) auch Silvestrins Referenz an Natur, an einfache und klare Formen und die Spiritualität, die diesen innewohnt. Man kann diese Po-sition vielleicht unzeitgemäß finden, man kann sie mögen oder nicht. Eines ist je-doch nicht möglich: diese Architektur oberflächlich zu finden und ihr den hohen ästhetischen Wert abzusprechen.


[Erschienen in Architektur & Bauforum 195 Juli/August 1998]

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