Bauwerk

Van Gogh Museum - Erweiterung
Kurokawa architect & assoc. - Amsterdam (NL) - 1999
Van Gogh Museum - Erweiterung, Foto: Tomio Ohashi
Van Gogh Museum - Erweiterung, Foto: Tomio Ohashi

Eingeladen, die verschachtelten Rechtecke abzurunden

Kisho Kurokawas Erweiterung des „klassischen“ Gerrit-Rietveld-Museumsbaus von 1973 wird mit einer Schau über Vincent van Goghs Bruder Theo - er war Kunsthändler und Sammler - eröffnet.

26. Juni 1999 - Roland Groß
Amsterdam - Was Königin Juliana im Juni 1973 am Museumsplein im satten Umfeld gediegener Amsterdamer Speckstein-Bügerhäuser eröffnete, war im Sinne der zurückliegenden Architektur-Moderne bereits „Klassik“. Das dennoch hochgradig Ungewöhnliche garantierte allein schon der Name des Architekten, der indes bereits fast zehn Jahre tot (1964) war: Gerrit Rietveld. Zur Straßenfront hin fast im Charakter eines mehrkotzigen Bunkers, entwickelte sich der Rechteck-Rationalismus des De-Stijl-Künstlers innerhalb der Rückfront fast zu einer filigran belebten Rechteck-Modulation: vor-und zurückspringender Geo-Funktionalismus mit weißkonturierten Fenstergittern.

Doch in diese Rückfront hat sich jetzt, via Rolltreppe in eine Untergeschoß-Welt, ein nicht minder charaktervolles, aber auch dialogfähiges Wesen eingehakt. Bestehendes wurde im tieferen Sinne „abgerundet“, im Sinne einer Symbiose aus rechteckig und elliptisch, aus Konstruktivem und Organischem. All dies läßt fast nichts anderes als eine japanische Konzeption vermuten - und der dazugehörige Name lautet denn auch Kisho Kurokawa.

Kurokawas sogenannter „Metabolismus“ versucht die stets zeitangepaßte Metamorphose der Architektur: jetzt etwa von High-Tech und Natur. Bewußt wählte er in Amsterdam für seinen dreistöckigen, leicht verzogen elliptischen Grundriß das Computermaterial Titan: etwa für die Deckenverkleidung und die quadratischen Fenster-Lamellen, die licht- und temperaturempfindlich im oberen Drittel der gebogenen Glasfront des untergeschoßigen Eingangsbereichs reagieren, wohin die Rolltreppe aus dem Rietveld-Bau hinabführt. Hier liegt das gleichsam organische Pendant des „High-Tech-Kurokawa“: die zentrale, außen liegende und nicht begehbare Ellipsen-Hälfte. Eine kaum wahrnehmbare, permanent bewegte Wasserhaut formt hier eine Art Teich, der Meditation und Entspannung ganz im Sinne des Architektur-Buddhisten Kurokawa bietet.

Insgesamt sollen alle drei Ebenen des Erweiterungsbaus allein den Wechselausstellungen dienen. Die Fläche hat sich mit jetzt insgesamt 2300 Quadratmetern nahezu verdoppelt. Die Schallmauer von knapp einer Million Besucher pro Jahr, die Einblicke in die Bestände der 200 Gemälde und über 500 Zeichnungen des Van-Gogh-Museums erhalten, dürfte jetzt schlagartig durchbrochen werden. Für Hunderttausend pro Jahr wurde es einst konzipiert. Auch der Rietveld-Bau wurde klimatisch und Deckenlicht-technisch, ebenfalls recht titanesk, renoviert.


Konstruktive Klarheit

Aus der planen Seite der grauen Baukörper-Ellipsenhälfte, die leicht schräg in die Höhe steigt, läßt Kurokawa aus der oberen Etage einen rechteckig karierten, geschlossenen Aluminium-Kubus hervorstoßen. Der fast schon dekonstruktiv anmutende Gag „blickt“ indes konzentriert auf die Rietveld-Rückfront und schafft eine fraglos streitbare Dialogvariante. Doch Kurokawas prinzipielle konstruktive Klarheit und Präzision erzeugt den wesentlichen beim Hinüberschauen in Rietvelds Gesicht.

Gut im Dialog war Kurokawa, dem eine Werk-Retrospektive (zuvor in Berlin) zum Neubau-Auftakt gewidmet ist, fraglos auch mit dem japanischen Versicherungs-Milliardär Yasuo Goto, der den Architekten besonders mag und noch lieber van Gogh. Dessen vierzehn Sonnenblumen erstand er 1987 für 40 Millionen Dollar. Jetzt spendete er dem Museum die Bausumme von 37,5 Millionen Dollar. Und die Gemeinde Amsterdam konnte einfach nicht anders, als, Ausschreibungs-enthemmt und direkt, Kisho Kurokawa mit dem Erweiterungsbau zu beauftragen . . .


Theo van Gogh

Den Bildern van Goghs hat es nicht geschadet. Deren materielle Existenz ist vor allem dem Bruder, Kunsthändler und Sammler Theo van Gogh zu danken, der 1891, ein Jahr nach dem Bruder starb. Der Sohn Theos, Vincent van Gogh, und die Familie bewahrten das Werk, das inzwischen im Besitz der „Vincent van Gogh Stiftung“ ist. So wurde jetzt die erste offizielle Wechselausstellung in der Kurokawa-Ellipse Theo van Gogh gewidmet.

Vor allem sind es die Bilder, die - als Händler und Sammler - durch seine Hände gegangen sind: ein Panorama des Pariser Kunsthandels am Aufbruch der Moderne. Braungrüne Ateliertöne eines Matthijs Maris und frühen van Gogh gehören dazu, wie auch etwa van Goghs späte lichtdurchflutete Mandelblüten oder Schlüsselwerke Gauguins und Monets, Pissaros und von Edgar Degas: So etwa dessen Tanzstunde (1876), die heute im Musée d'Orsay hängt.

[ Der eventuell architektonisch irritierte Besucher wird also, etwa 100fach, klassisch modern entschädigt. Bei „van Goghs“ in der Paulus-Potter-Straat 7 beläßt man nichts dem Zufall. (tgl. 10-18) ]

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