Bauwerk

floating house
HOLODECK architects - Siegenfeld (A) - 2005
floating house, Foto: Hertha Hurnaus
floating house, Foto: Hertha Hurnaus

Hauslandschaft in den Siegenfeldern

Wie aus einem Guss legt sich die Hausraumfaltung der Architekten Holodeck.at in die Hügellandschaft am Wienerwaldsaum. Als zeitgenössische Interpretation des ländlichen Hoftyps knickt sich der ansteigende Baukörper um einen privaten Innenhof, verkörpert mit separater Garage und Büro den Lifestyle stadtnomadisierender Bauherren.

4. Juni 2005 - Isabella Marboe
Halbe Sachen mögen die Bauherren nicht. Stadt ist Stadt, Arbeitsstätte, Mobilität. Land ist Landschaft, Freizeit, Entspannung. Mit zwei Kindern brach eine neue Lebensphase an, der Wiener Dachausbau passte nicht mehr. Beserlpark und Ausflüge waren nichts gegen Freiheit, Frischluft und Sonne, die sie in ihren Landkindheiten genossen hatten. Dicht an dicht stehende Häuser mit Garten konnten das nie bieten, man suchte Landwirtschaftsgrund mit partieller Bauwidmung.

Zwei Jahre wurde der Wienerwald abgerast, in Siegenfeld fand sich ein Grund, wo das Familienherz höher schlug. Niedere Hauszeilen zwischen Alleebäumen säumen die Gaadener Hauptstraße mit Kirchturm im Süden, von der die Zufahrt am Westnachbarn vorbei auf den versteckten Fahnengrund führt. Dahinter dehnt sich ein weiter Feldstreifen zum Wienerwaldsaum auf- und nordwärts, rundum nichts als Landschaft. Man wollte ein Haus zum modern flexiblen Lifestyle: offen, naturnah, mit Fitness, Bad und Rückzug für jeden, Werkstatt für ihn, Büro für sie. Über ein Jahr wurden und Homepages studiert, drei Büros zur Begutachtung geladen.

Der sensiblen, präzisen Ortswahrnehmung von Holodeck.at und ihrem konzeptionellen Antasten an die Form vertraute man sofort. Als Entwurfsbasis baten Marlies Breuss und Michael Ogortschnig jedes Familienmitglied, seinen Alltag mit Piktogrammen wie „ausziehen/fallen lassen/spielen/austoben/diskutieren“ darzustellen. Daraus wurde die Raumfaltung zur Entfaltung: Wie aus einem Guss fließt der raffinierte Baukörper in die Siegenfelder, schmiegt sich raumfaltenreich an Häuser und Hügel. Als bezugsreiche Lebenslandschaft für vier Menschen wächst unterm dynamischen Dach das Innere aus der Erde, um am abgetreppten Wohnraumdeck zweimal ums Eck zu knicken. Als moderne Antwort auf den ländlichen Hoftyp umfassen der separate Eltern-und Kindertrakt den privaten Innenhof. Unter den Dachschrägen entfaltet jeder Raum mit differenziert nach Blick und Sonne gesetzten Fenstern spezifischen Eigencharakter von variantenreichem Einund Aussichtsspektrum. Die Gaadener Straße ist gleichsam die Nabelschnur zu Stadt und Stress, der an der Sichtbetonwand zum Garagen- und Bürobaukörper im Westen entgleitet, mit Auto und Abarbeiten schwindet. Vom Entree hinter der dezent verputzten Tür klettert eine Bambustreppe als plateau- und panoramareicher Höhenweg die rote Garderoben- und Toilettenwand zur Küchengalerie empor. Das Geländer aus transparenten Kunststoffbändern zwischen schräg vom Boden zur Decke strebenden Bambusstäben ist ein metallgefasstes, lichtreflektierendes Kleinkunstwerk für sich. Durchs Fensterband an der Decke fällt Südlicht, knickt sich weiter ums Osteck, wo es dem Fitnessraum im Keller fulminante Oberlichtperspektiven schenkt. Sein Unterwasserbetonsockel mit Drainagen im Lehmgrund hält das Schmelzwasser fern. Am ersten Podest hebt das Wohnen an, das vollverglast nach Nord in den von Weiden, Weißdorn, wilden Birnen und Hagebutten gesäumten Hang mit Pool ausfließt. Liegefreundlich schmiegt sich die Sitzbank als abstrakte Hügelkette an den Kamin, der sich als Block in den Raum schiebt. Ein hohes Westfenster rahmt das nachbarliche Satteldachdoppel zum Ausblick, den man auch von der Küche erhascht. Drei Bambusstufen führen zur Speis, deren Glühbirne die Deckenfaltungen inszeniert. Subtil zeigt der Wandfarbwechsel den Übergang ins Private. Vom nächsten Podest, wo sich die Wege der Eltern im Osten und Kinder im Norden trennen, sieht man den getreppten Innenhof: Abendsonnenterrasse der Großen, erhöhtes Spielplateau mit Kirchturmblick der Kleinen.

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