Bauwerk

Hotel Messe Wien
Hermann Czech - Wien (A) - 2005

Schön schräg ist steil

Wie ein Vorposten der Stadt steht es da, das neue Messe-Hotel von Hermann Czech am Wiener Prater. Außen janusköpfig und doch mit klarer Kontur, innen von zeitlos sprödem Charme.

17. September 2005 - Walter Zschokke
Man sollte es sich nicht zu leicht machen mit einem Bauwerk von Hermann Czech. Erstens hat er selber die Architektur nie auf die leichte Schulter genommen, denn sie hintergründig zu machen, damit sie dort ankommt, wo sie seiner gewichtigen Meinung nach hingehört, ist Arbeit. Eine Arbeit, die allerdings nicht ins Schwitzen bringt, weil sie geistiger Natur ist. Zweitens verfehlt man ihr Wesen, wenn man sie episodenhaft aufnimmt und an den Oberflächen kleben bleibt. Man muss sich auf sie einlassen und in die Tiefe der Schichten vordringen. Übernachten ist nicht unbedingt erforderlich, aber auch nicht hinderlich.

Zwar steht das Gebäude neun Geschoße hoch vor der Nordwestseite des Messegeländes, an jener Stelle, wo die vom Volksprater kommende Perspektivstraße auf die Messestraße trifft, aber mit seiner Krümmung folgt es der Kurve der nördlich wegstrebenden Nordportalstraße. Wie ein Vorposten der Stadt nimmt es diszipliniert Bezug auf die Struktur des Straßennetzes, nutzt aber zugleich das Element der Straßenkrümmung, um damit Identität zu gewinnen.

Mit seiner konkaven Seite umfasst der Baukörper einen grünen Hof, der als Vorfahrt dient. Obwohl an schwach definierter Lage, wirkt das Bauwerk stadtbildend und ordnend, scheut sich aber auch nicht, die Stellung wirkungsstark auszubauen, denn es neigt sich geringfügig um vier Grad nach außen. Als würden die oberen Geschoße vom Kurvenschwung weggedrückt, löst sich der Baukörper von der Vertikalen.

Der Sockel allerdings steht fest. Dies wird nicht etwa mit „schwerem“ Material erzeugt, sondern mit einem geometrischen Muster, das dem Architekten vor Jahren in Leo von Klenzes Münchener Glyptothek aufgefallen ist, weil es trotz exakter Regel auf den ersten Blick unregelmäßig scheint wie Zyklopenmauerwerk. Das Muster ist daher nicht bloß historisches Zitat, sondern etwas Gefundenes, dessen grafische Wirkung faszinierte, und das, in einen anderen Zusammenhang gesetzt, den gewünschten Effekt unterstützt, ohne dass man über die Herkunft Bescheid wissen muss.

Mit einer konkaven und einer konvexen Seite wirkt das Bauwerk trotz gleicher Fassadengestaltung janusköpfig, als hätte es zwei Vorderseiten. Und so staunt man auch nicht, dass es von beiden Seiten betreten werden kann. Überhaupt, die Fassaden: Jedes Hotelzimmer weist eine Fenstertüre sowie anschließend ein Fenster mit normaler Parapethöhe auf, wobei die Position von Tür und Fenster mit jedem Geschoß wechselt. Diesem geometrisch-rhythmischen Fassadenbild wird ein zweites Muster dunkler, horizontaler Streifen scheinbar beziehungslos überlagert, obwohl ihr Abstand exakt eineinhalb Geschoße hoch ist. Die beiden Muster interferieren so stark, dass die Geschoßzahl schwer zu fassen ist und der Baukörper als ein Ganzes und damit monumentaler wirkt. Das ist viel Effekt für wenig Geld.

Die drei Fluchttreppen, je eine an den Stirnseiten sowie eine ungefähr in der Mitte der konkaven Seite, sind als Stahlstiegen auf das notwendige Minimum reduziert, stehen sie doch nur für den Notfall da, der statistisch alle paar Jahrzehnte auftreten mag. Mit ihrem amerikanisch-pragmatischen Charme scheinen sie gar nicht dazu zu gehören.

Zwei Geschoße hoch belegt die Hotel-Lobby den Mittelabschnitt des Gebäudes. Sie erhält Licht über hohe seitliche Glaswände, die sie zugleich nach außen abbilden. Damit die beidseitigen Windfänge genug Platz haben, sind die Betonstützen an diesen Stellen trapezförmig gespreizt. Als Ausnahmeelemente markieren sie natürlich auch den Eingang, und heute mag man es bekanntlich schräg. Doch wer die Arbeiten von Hermann Czech kennt, weiß, dass er schon sehr früh gern schräge Stützen plante, bloß kam er kaum dazu, welche zu bauen. Gleich nach den Eingängen steht je eine weitere Stütze da. Zuerst denkt man sich, warum jetzt das, die stehen doch im Weg. Das tun sie auch und schirmen damit den Binnenbereich vom Eingangsdruck ab, lenken die Bewegungen der Eintretenden um und beruhigen die als Querverbindung dienende Mittelzone.

Die Sessel der Lounge, entworfen für die Swiss Re in Rüeschlikon und hier wieder im Einsatz, paraphrasieren einen Entwurf von Le Corbusier und Charlotte Perriand. Doch Czech übt in der Tradition von Josef Frank Kritik an der harten, oft unpraktischen Moderne, indem er einen Zusatz anbringt: Ein Griff vorn an der Armlehne, ähnlich einer großen Fadenspule, erleichtert das Hochkommen aus den Lederpolstern. Das bricollage-haft angefügte Stück stammt vom Sessel, der vor Jahren für das Palais Schwarzenberg entworfen wurde. Die Kritik des Architekten ist die ausgeführte Korrektur. Zusammen mit der Farbgebung fordert sie die Klassikergläubigkeit gewisser Kreise heraus.

Während die unregelmäßig gelochte, an die 1950er-Jahre erinnernde gelbe Akustikdecke über dem zwei Geschoße hohen Teil durchgeht und damit die Einheit des großen Raumes betont, trennt eine Glaswand einen Teil als Speisesaal ab. Ihr Verlauf wirkt zufällig, fast ungelenk, was sicherlich Absicht ist, denn damit wird ihr trennender Charakter zurückgenommen. Sie scheint provisorisch, als wäre sie später dazugekommen, was sie natürlich nicht ist. Vielmehr handelt es sich um architektonisches Kalkül.

An beiden Stirnseiten der hohen Raumzonen schließen niedrige Raumzonen an. Die vertikalen Flächen dieses Versatzes sind mit großformatigen Fotografien gefüllt. Über den Speisesaal scheint sich ein barocker Balkon zu schieben, der Ausschnitt einer illusionistischen Malerei im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, fotografiert von Margherita Spiluttini; während über der Café-Lounge die Skyline der Donau-City - leicht verfremdet - prangt, festgehalten von Seiji Furuya. Von den beiden Kunstschaffenden stammen auch die Fotografien in den Hotelzimmern, womit auch dort ein anspruchsvolles Niveau herrscht, was man nicht oft antrifft.

Die Hotelzimmer sind, wie in dieser Kategorie üblich, nicht besonders groß, aber mit wenigen Möbelstücken, furniert mit einheimischen Edelhölzern, sympathisch eingerichtet. Außer dem Bett gibt es einen Arbeitstisch mit Sessel, ein bequemes Fauteuil, das Schränkchen mit Minibar und Safe sowie hinter einer Holzblende, die das Sakko auf dem Bügel nachzeichnet, die Kleiderstange. Im Duschbad dann eine Wiederbegegnung mit dem seitenrichtig gespiegelten eigenen Bild - im Übereck-Spiegel.

Auf dem Rückweg durch den Hotelgang fallen die schrägen Flächen auf, die der äußeren Neigung folgen. Ohne zusätzliche Maßnahmen gewinnt der Gang räumliche Spannung, die diesen vor vielen anderen, öden und verwinkelten, auszeichnet.

Hermann Czech liebt die gefinkelte, intellektuell anspruchsvolle Inszenierung. Dabei mischt er, oft recht harsch, Elemente konkreter Ungestaltetheit dazu, die wie „passiert“ aussehen, aber gerade das nicht sind. Vielmehr kontrastieren sie das andere, bequeme, gediegene, auch traditionale Element und schaffen zugleich ein Klima zeitlicher Unbestimmbarkeit, das dem Heute besser entspricht als modisch geschniegelte Glätte.

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