Bauwerk

Haus Tugendhat
Ludwig Mies van der Rohe - Brünn (CZ) - 1930

Widersprüchlicher Geist der Moderne

Ab dem Frühjahr 2000 sollte ein Expertenteam mit den Vorarbeiten zu einer umfassenden Restaurierung des Hauses beginnen. Passiert ist bislang noch nichts.

6. Februar 2002
Das Haus, das vom Brünner Textilindustriellen Fritz Tugendhat und seiner Frau Grete bei Ludwig Mies van der Rohe in Auftrag gegebenen wurde, steht heute im Eigentum der Stadt Brünn. „Ich habe mir immer ein geräumiges, modernes Haus mit klaren einfachen Formen gewünscht. Und mein Mann war geradezu entsetzt von Zimmern, die bis an die Decke mit Figürchen und Zierdecken vollgestopft waren“, begründete Grete Tugendhat später die Architektenwahl.


Kurzes Glück

„Es war der seltene Fall einer völligen Übereinstimmung zwischen Bauherrn und dem Architekten“, betonte die Tochter des Bauherrn, die in Wien lebende Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat. Das Glücke währte jedoch kurz. Nur wenige Jahre nach dem Einzug musste die Familie vor den Nazis flüchten

Formale Neuerungen

Der Bauhaus-Architekt schuf eine Stahlskelettkonstruktion, die im Wohnbau ein Novum darstellte. Der formenstrenge dreigeschoßige Hangbau gilt als radikales Bekenntnis zur Formensprache der Moderne, ein wichtiger Ansatzpunkt war die „Bewohnbarkeit“. Auch wenn zeitgenössische Kritiker Zweifel daran äußerten ob seine Bewohner in dem nicht durch Trennwände zergliederten Hauptgeschoß ihr Glück finden könnten.

Dieser für die damalige Zeit revolutionäre Wohnbereich bildet den räumlichen Schwerpunkt des Hauses und umfasst mit Wintergarten eine Fläche von rund 280 Quadratmetern. Mit einer Onyx- und einer makassar-furnierten Holzwand sowie ausgeklügelter Möbelaufstellung erzielte er einen „Raum im Raum“-Effekt. Große, zum Teil versenkbare Glasfenster geben den Blick in den Garten frei.


Gesellschaftliche Altlasten

Der Mies-Forscher Wolf Tegethoff hat allerdings darauf hingewiesen, dass entgegen seinem modernistischen Gepräge das Gebäude durchaus den Geist des 19. Jahrhunderts atmet. Das Wartefoyer für Besucher, Abgrenzung der Wirtschaftsräume oder der Trakt für die Bediensteten setzten einen Zustand fort, „der noch weitgehend den großbürgerlichen Idealen und Umgangsformen des 19. Jahrhunderts verpflichtet ist“, so Tegethoff.

Die Kosten des mit 1250 Quadratmetern Nutzfläche riesigen Hauses waren ebenfalls feudal. Allein um den Preis der Onyxwand hätte man damals ein ganzes Einfamilienhaus errichten können.

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