Bauwerk

Altenwohn- und Pflegeheim Steinfeld
Dietger Wissounig Architekten - Steinfeld (A) - 2005

Räume für Wohnen und Pflege

Schon 2020 wird jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre sein. Innovative Modelle sind nötig, um die damit verbundenen Wohnungs- und Pflegefragen zu lösen. Nur eine von vielen Varianten werden Alters- und Pflegeheime sein, aber auch sie brauchen neue Zugänge.

10. Juni 2006 - Anne Isopp
Vor dem Eingang verabschiedet sich eine alte Dame. „Bis zum nächsten Sonntag“, sagt sie zu ihrem Besucher und winkt dem abfahrenden Auto nach. Dann dreht sie, auf ihre Gehhilfe gestützt, noch eine Runde um das Haus. Am Rande von Steinfeld, einer Ortschaft im Kärntner Drautal, steht ein dreigeschoßiger Baukörper frei in einem Park. Die beiden oberen Geschoße springen zu allen Seiten über dem Erdgeschoß hervor. „So entsteht ein überdachter Bereich rund um das Haus“, sagt Heimleiterin Sabine Haslacher, „und da sind die alten Leute oft und gern unterwegs“. Entworfen hat das Alters- und Pflegeheim der Grazer Architekt Dietger Wissounig. Er wollte eine Wohnatmosphäre schaffen, wie sie ihm selber angenehm sei, erklärt er. Deshalb habe das Haus einen Hotel-, ja fast einen Spa-Charakter bekommen.

„Medizinische Pflege allein - das reicht schon lange nicht mehr aus“, sagt Franz Kolland. „Die Leute wollen wohnen.“ Der Professor für Soziologie unterrichtet an der Universität Wien und beschäftigt sich unter anderem mit Lebensstilen und Wohnbedürfnissen alter Menschen. Medizinische Pflege allein „wird vielleicht von den Angehörigen als ausreichend empfunden“, räumt er ein, „aber nicht von den alten Menschen selbst“.

Die meisten Leute ziehen erst ins Altersheim, wenn sie kaum mehr gehen können, weiß Architekt Wissounig. „Dann müssen sie ihr gewohntes Milieu und ihre gewohnte, landschaftliche Umgebung verlassen.“ Das kompakte rechteckige Gebäude in Steinfeld hat er so orientiert, dass man von innen zu allen vier Himmelsrichtungen hinausschauen und den vertrauten Ausblick wiederfinden kann.

Von außen wirkt der Bau schlicht und kompakt, im Inneren entfaltet er seine räumliche Vielfalt. In jedem der oberen Stockwerke gibt es ebenfalls einen Rundgang entlang der Zimmer, Gemeinschaftsräume und Terrassen zur einen Seite und einem innen liegenden, dreigeschoßigen Wintergarten zur gegenüberliegenden Seite. Vor allem für Demenzkranke sei es wichtig, so der Architekt, die Übersicht immer zu behalten.

Rundum durchdacht

Das Alters- und Pflegeheim in Steinfeld ist nicht nur ein „außerordentlich gut durchdachter“ Bau, wie ihn schon die Wettbewerbsjury lobte, er erfüllt auch die geforderten ökologischen Kriterien: Er ist bis auf das Erdgeschoß ein reiner Holzbau und als Niedrigenergiehaus konzipiert.

Neben Alters- und Pflegeheimen gibt es erst wenige andere Wohnformen für alte Menschen wie zum Beispiel Wohngemeinschaften, mobile Hausbetreuungen oder das betreute Wohnen. „Das Thema der Hochaltrigkeit gibt es erst seit 20-30 Jahren“, sagt der Soziologe Kolland, „wir haben also wenig Erfahrung damit.“ In Zukunft werden sich daher noch viel mehr Wohnvarianten herausbilden müssen.

Denn die bestehenden sind oft zu kurz gedacht: Das betreute oder betreubare Wohnen etwa, eine Kombination von gemieteten Wohnungen und verschiedenen Serviceleistungen, bezeichnet Franz Kolland als eine Übergangssituation: „Wenn die Menschen pflegebedürftig werden, müssen sie erneut umziehen. Das ist eine große Belastung für sie.“ Er fordert flexiblere Strukturen der Gebäude.

Genau damit hat sich erst kürzlich die Abteilung Facility Management der Hochschule Wädenswil in der Schweiz beschäftigt. Mit dem Ziel, ein flexibles Wohnmodell zu entwickeln, in dem die Bewohner auch beim Eintreten des Pflegefalls nicht umziehen müssen, simulierte man die Entwicklung des Wohnens im Alter. Die Parameter für die Simulation - wann wird jemand pflegebedürftig, verliert seinen Partner oder ändert sein Raumbedürfnis - entnahm man der Statistik. Das dabei entstandene Modell soll nun in die Realität umgesetzt werden.

Allzu strikte Bauregeln

Auch Josefine Mair, Geschäftsführerin von „Caritas für Betreuung und Pflege“, fordert eine größere Vielfalt an Wohnformen: „Wir brauchen Wahlmöglichkeiten.“ Sie spricht von den zu strikten Regeln für den Bau von Alters-und Pflegeheimen, die diese Vielfalt nicht zulassen, und fordert Lockerungen. Um für dieses Thema zu sensibilisieren, veranstaltet die Caritas am 28. und 29. September einen Kongress in der FH Linz unter dem Titel „Wohnen im Alter - Bauen fürs Alter“.

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