Bauwerk

Bank Austria Filiale
Günter Lautner - Wien (A) - 1997
Bank Austria Filiale, Foto: Margherita Spiluttini
Bank Austria Filiale, Foto: Margherita Spiluttini

Raum, Proportion, Material

Eine Stahlkonstruktion aus vorgefertigten Elementen muß nicht „billig“ wirken. Das belegt Günter Lautners Bankfiliale in Wien-Simmering. Vom protzigen Spartempel zm schlanken Dienstleistungsunternehmen.

14. Februar 1998 - Walter Zschokke
Das Neubaugebiet am Leberberg steht vor der Fertigstellung. Selbst wenn man sich als Kritiker an guten Leistungen orientieren möchte, kommt man um die Bausünden nicht herum, die dort entstanden sind. Nördlich der beiden Kirchen wurde im vergangenen Jahr ein Bauteil errichtet, dessen städtebauliche Struktur nicht nur Rätsel aufgibt, sondern mehr als nachdenklich stimmt.

Im ursprünglichen Konzept, weit entfernt davon, eine Meisterleistung zu sein, war eine Schar Einzelbaukörper, sogenannte Stadtvillen, im versetzten Raster mit Geschoßwohnungen vorgesehen gewesen. Inzwischen wurden die Volumen zur Erzielung einer höheren Dichte kräftig gemästet, sodaß sie in allen Richtungen zugenommen haben und sich mit den Kanten berühren. Aus den Einzelbaukörpern wurde ein sechsgeschoßiges Gitter mit lichthofartigen Ausnehmungen.

Man fragt sich, wer hier wohnen will oder für wen dieser Cluster gedacht ist. Jedenfalls hat dieser Bauteil die besten Chancen, einmal dem Schicksal von Pruit Igo, St. Louis/USA, zu folgen, das bekanntlich 1972 wegen Unbewältigbarkeit der sozialen Probleme seiner Bewohner gesprengt wurde. Charles Jencks sah darin den Startschuß zur Postmoderne, von der er eine Überwindung der Fehler der Moderne erhoffte.

Pikantes Detail: Die äußeren Formen des genannten Bauteils am Leberberg sind jener ubiquitären formalistischen Strömung der Postmoderne zuzuordnen, mit der mittelmäßige und schlechte Architekten seit über einem Jahrzehnt ihre entwerferische Blöße zu decken versuchen. Doch ist die Verantwortung nicht nur bei den Architekten zu suchen, schließlich gibt es Bauträger und eine Planungsbehörde. Ob die Verantwortlichen in zwanzig Jahren sich auf die Brust schlagen und „Mea culpa“ rufen werden?

Doch neben Bausünden finden sich zuweilen auch Lichtblicke: Vorn an der Kreuzung der Etrichstraße mit Swetelsky-gasse und Sängergasse steht die neue Zweigstelle einer Bank. Sie mag ein Zeichen dafür sein, daß man sich in den Chefetagen der Bank Austria an die siebziger Jahre erinnert hat, als architektonisch Ansprüche gestellt wurden, die mit Umbauten von Johannes Spalt, Friedrich Kurrent und Johann Georg Gsteu sowie mit dem Neubau einer Filiale von Günther Domenig in Favoriten eingelöst wurden. Der durch Domenig erneuerte Hauptsitz an der Vorderen Zollamtsstraße und die kürzlich von Hermann Czech feinsinnig ausgebaute Filiale an der Bognergasse deuten jedenfalls auf ein neuerwachtes Architekturverständnis hin.

Mit der Planung der peripher gelegenen Zweigstelle am Leberberg, die in naher Zukunft nicht wenige Kunden zu versorgen haben wird, war Günter Lautner von der Architektengemeinschaft Lautner-Scheifinger-Szedenik-Schindler betraut worden. Die städtebaulich exponierte Lage stellt an das zweigeschoßige Bauwerk hohe Anforderungen. Indem das obere Geschoß derart gegenüber dem unteren verschoben ist, daß es an beiden Straßenfronten vorkragt, gewinnt es Abstand von den dahinter dräuenden Wohngebirgen und vermag ohne weiteren Aufwand die Ecke ausreichend zu markieren, obwohl es um vier bis fünf Geschoße weniger zählt.

Zwei raumbildende Mauerwinkel erzeugen neben den Decken die architektonische Grundstruktur: Der erste befindet sich im Erdgeschoß und ist zur Kreuzung hin geöffnet, während der zweite im Obergeschoß zur Etrichstraße hin abschirmt, zur Swetelskygasse aber offen bleibt. Die einfache Grundfigur führt zu vier unterschiedlich ausgebildeten Fassaden, die entsprechend ihrer städtebaulichen Ausrichtung und bezogen auf die Nutzung als Dienstleistungsgebäude charakteristisch sind.

Der Eingang liegt im Norden, zur Swetelskygasse. Hier sind beide Geschoße voll verglast. Das obere schützt mit seiner Auskragung den Bereich vor dem Windfang und den Bedienungsplatz vor dem Bankomaten vor der Witterung. Die nach Osten gerichtete längere Schauseite, die parallel zur Etrichstraße verläuft, ist unten verglast; das leicht vorspringende Obergeschoß ist dagegen vollkommen geschlossen. Diese klare Trennung wirkt eher logohaft, die Fassade ist durchaus einladend, aber konkurriert nicht um die Bedeutung als Eingang.

An der anderen Längsseite befindet sich der Kundenparkplatz. Hier ist logischerweise das Erdgeschoß geschlossen, die etwas zurückgesetzten Räume im verglasten Obergeschoß - Diensträume und die Haustechnikzentrale - erhalten viel Licht, werden aber nicht durch Einblicke gestört. Dabei handelt es sich um eine eindeutige Rückseite, die jedoch nicht abweisend wirkt, da zwei kleine Fenster, ein breites mit hochliegender Fensterbank und ein schmal-hohes, die Fläche durchbrechen.

Die vierte Fassade, nach Süden orientiert, besteht aus zwei gestaffelten, geschlossenen Flächen, sodaß die Büros vor der Mittagssonne geschützt sind. An dieser Seite hätte wohl anschließend der Konsum errichtet werden sollen; noch sprießen Huflattich und andere Pioniergewächse aus dem nackten Löß, bis sich ein neuer Großverteiler für diesen Bauplatz gefunden hat. Die vier verschiedenen Fassaden zeigen, daß der scheinbar abstrakte architektonische Ansatz mit den beiden Winkeln den Baukörper zum Sprechen bringt und mit seiner Umgebung nutzungsbezogen kommunizieren läßt.

Nachdem man die verglaste Windfangzone durchschritten hat, erweist sich das Innere als weite Halle, die zum Teil ins Obergeschoß hinaufreicht, zu dem ein offener Treppenlauf hochführt. Der Raum wird von zwei Zeilen runder Betonstützen akzentuiert, die zu beiden Längsseiten aufgereiht sind. Frei stehen sie vor der Glasfront und vor der Trennwand zu Tresor- und Besprechungsraum. Natürlich tragen sie die Deckenlast und das Obergeschoß, aber ihre stumme Präsenz wertet den Raum zusätzlich auf, gibt ihm ein Flair, das über jenes einer gewöhnlichen Büroatmosphäre hinausreicht.

Der Treppenlauf im doppelt hohen Raumteil führt in einen kleinen Mehrzwecksaal über dem Eingang, der von der Bank für allerlei Initiativen bis hin zu kleinen Ausstellungen genutzt werden kann. Eine schmale Galerie erschließt Dienst- und Nebenräume. Da das gesamte Gebäude als Montagebau errichtet wurde, besteht die Stahlbetonkonstruktion aus vorgefertigten Elementen, wobei die runden Stützen mit ihrer gestockten Oberfläche deren visuelle Schnelligkeit etwas verlangsamen. Die handwerkliche Bearbeitung verfremdet den Elementbaucharakter, der nun nicht mehr mit „billig“ gleichgesetzt wird.

Die mittleren Säulen im Obergeschoß wirken als Zugelemente, an denen die Decke aufgehängt ist. Dies ermöglicht im Erdgeschoß die großzügige Kundenhalle. An den auffällig schlanken Dimensionen haben die Ingenieure Novotny-Bauer mitgetüftelt und -gerechnet.

Das Äußere wird materialmäßig von Faserzementplatten in grauer Naturfarbe bestimmt. Als Schutzschicht für die darunterliegende Wärmedämmung ist dieses Material des 20. Jahrhunderts in Form großer Tafeln davorgehängt, die mit ihren Proportionen zur Gesamtfläche den architektonischen Ausdruck edler werden lassen, ohne daß Naturstein eingesetzt werden muß.

Trotz merkbarer Kostendecke ist Günter Lautner und seinen Mitarbeitern Michaela Pammer und Robert Ruderstaller sowie Hans Bojer für die Bauaufsicht ein Bauwerk gelungen, das mit den Mitteln der Architektur, mit Proportion, Raumgestalt und Materialwirkung, erreicht, daß es nicht billig wirkt, obwohl es sich von den mit wertvollen Materialien aufgerüsteten Zweigstellen der inneren Bezirke unterscheidet.

Ja, es löst sich von jener Tradition, die, wie Loos es ausdrückte, dem Kunden bedeutet, daß sein Geld hier sicher und gut aufgehoben sei. Vielmehr steht der Bau für die Bank als modernes Dienstleistungsunternehmen, das der Kunde nicht mit demütigem Erschauern betreten muß; seine aktualisierte Aussage dürfte heute eher lauten: „Hier bekommst du rasch und unkompliziert Kredit.“

Daß dieser Paradigmenwechsel in einem Neubaugebiet leichter zu bewerkstelligen ist als in der Innenstadt, leuchtet ein. Die Art und Weise dieser Neuformulierung, ihre Leichtigkeit und Eleganz waren schon am Rohbau zu erkennen und wurden in der Detaillierung bestätigt.

Nun wäre zu hoffen, daß ein anderer Wechsel ebenfalls greift: daß die Banken engagierten Architekten außer Krediten weiterhin Aufträge in Sachen Architektur übertragen und auch beim Wohnbau genauer hinschauen, was sie da finanzieren, damit nicht nach einem Vierteljahrhundert wieder gesprengt werden muß.

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