Bauwerk

MoMA
Yoshio Taniguchi - New York (USA) - 2004

Der teuerste Umbau der Welt

Das Museum of Modern Art in New York wird neu eröffnet und bekräftigt seinen Führungsanspruch für die Kunst der letzten hundert Jahre.

14. November 2004 - Gerhard Mack
„Manhattan is Modern again. The Museum of Modern Art“. Mit dem Slogan wirbt die Bank JP Morgan Chase derzeit auf Stadtbussen der Metropole für sich selbst und für das weltbekannte Museum. Wenn dieses am 20. November seine Tore öffnet, ist New York um einen Superlativ reicher.

858 Millionen US-Dollar hat die teuerste Museumserweiterung der letzten hundert Jahre gekostet. Die Ausstellungsfläche ist von 8000 auf 11 600 Quadratmeter gewachsen, die gesamte Nutzfläche hat sich fast verdoppelt. Trotz 11. September 2001 und Wirtschaftskrise hat das MoMA in der zurzeit ansonsten eher zaghaften Museumswelt ein stolzes Zeichen der Hoffnung gesetzt, das daran erinnert, dass es sich als führende Institution auf dem Gebiet der Kunst des 20. Jahrhunderts versteht.

Immerhin ist seine Geschichte seit der Gründung vor 75 Jahren durch drei Damen der Gesellschaft eine beispiellose Erfolgstory. Gründungsdirektor Alfred H. Barr hat es nach einer Visite am Bauhaus interdisziplinär angelegt - als Institut für kulturelle Objekte von der Kaffeetasse bis zum Gemälde. Zu seiner Kunstsammlung gehören zahllose Ikonen der Moderne. Von Cézanne, van Gogh und Gauguin über Matisse, Picasso, Braque und den Surrealismus bis hin zum Siegeszug der amerikanischen Kunst in der zweiten Jahrhunderthälfte ist die Entwicklung der Kunst des letzten Jahrhunderts in einsamer Qualität gegenwärtig. Die Flaggen-Bilder von Jasper Johns, Jackson Pollocks Drippings, die Pop Art von Warhol und Lichtenstein sind nur einige der vielen hochkarätigen Werke, die - oft durch private Initiative - ins Museum gekommen sind. Hier auszustellen, ist für viele Künstler immer noch der Höhepunkt ihrer Karriere. Ein Gerhard Richter hat nicht gezögert, seinen bedeutenden Gemäldezyklus zur RAF ans MoMA zu geben. Als Andreas Gursky und Thomas Ruff hier Einzelausstellungen hatten, war der Siegeszug der Düsseldorfer Fotografie beglaubigt. Welchen Ruf das Museum geniesst, machten zuletzt die über eine Million Besucher deutlich, die in Berlin für eine Auswahl seiner Sammlung Schlange standen.

Ein eingezwängtes Haus

Das Haus, in dem der Mythos der Moderne seinen Sitz hat, war bisher allerdings alles andere als Weltklasse. Anders als das Metropolitan Museum oder die Guggenheim-Spirale Frank Lloyd Wrights liegt es weder am Central Park noch an einer grossen Avenue. Eingezwängt zwischen zwei Querstrassen, erzählte es von seinen Erweiterungen. Das historische Stadthaus, in dem das Museum 1932 eigenes Quartier bezog, wurde 1939 für einen Neubau der Architekten Goodwin and Stone abgebrochen; diesen erweiterte Philip Johnson 1967. 1984 kam ein Turm von César Pelli hinzu. Dem Stückwerk von aussen entsprach im Innern eine Raumstruktur, die sich eher für Pfadfinderspiele anbot. Die Räume selbst waren so niedrig und klein, dass manche Besucher sich an die Atmosphäre von Kaufhäusern erinnert fühlten.

Als 1996 die internationale Crème der Architekten zu einem mehrstufigen Wettbewerb eingeladen wurde, bestand die Aufgabe darin, den Auftritt in der Stadt und die Infrastruktur im Innern zu verbessern, also dem Mythos endlich ein würdiges Domizil zu geben. Mit dem Japaner Yoshio Taniguchi entschied sich der Museumsvorstand für einen weithin unbekannten Vertreter der Moderne, der in seinen Entwürfen stets das klassische Bauhauserbe mit japanischer Eleganz und Perfektion verband. Diskretion ist das Kennzeichen seiner Bauten. Für das Museum of Modern Art versprach er, noch einen Schritt weiter zu gehen. Längst legendär ist sein Versprechen: „Wenn ihr mir viel Geld gebt, bekommt ihr gute Architektur, wenn ihr mir sehr viel Geld gebt, lasse ich die Architektur verschwinden.“

So war von Taniguchi von vornherein kein Wahrzeichen zu erwarten, das der Sammlung ihr Haus als eigene Ikone zur Seite stellen würde. Das neue MoMA glänzt mit edlen Materialien in hervorragender Verarbeitung: samtiger schwarzer Granit aus Simbabwe, der in Italien geschnitten wurde, dünne, handgeschmiedete Stahlrahmen für die Glasfassaden, innen Türrahmen aus weisser Bronze. Städtebaulich sucht die Erweiterung die unvorteilhafte Lage zwischen zwei Avenues nicht durch einen spektakulären Auftritt zu kompensieren, sondern nutzt sie als Erlaubnis, sich ganz darauf zu konzentrieren, aus dem Konglomerat von Bauten ein zusammenhängendes Ensemble zu schaffen, dessen Teile gleichwohl für sich zur Geltung kommen dürfen. So sind die beiden Bauten von Goodwin and Stone und von Johnson aufs Edelste renoviert, und die einzelnen Etappen bleiben auf der bisherigen Eingangsseite an der 53. Strasse auch ablesbar. Verbindend wirkt, dass Taniguchi den rechteckigen Fassadenraster der bestehenden Bauten auch für die neu von ihm hinzugefügten aufgreift und sich auf die Materialien Granit, Glas und Metall beschränkt.

Granit, Metall und Glas

Vor allem aber inszeniert der Architekt den berühmten Skulpturengarten zur 54. Strasse als Herzstück der Anlage. Die Längsseite hat ein Facelifting erhalten. An den Schmalseiten fassen ihn zwei neue Bauten ein, von denen einer die Abteilung Bildung und Forschung aufnimmt, während der andere den Grossteil der Ausstellungsräume beherbergt. Beide Gebäude lassen ihre Dächer wie schützende Mützen in den Garten hineinragen und öffnen sich zu ihm mit transparenten Glasfassaden, während sie zur Strasse mit schwarzem Granit und opakem Glas abgegrenzt sind. So können nun Motorrad und Sportwagen aus der Designabteilung im dritten Stock unmittelbar mit den Skulpturen im Hof wetteifern.

Im Innern hat Taniguchi das Museum vor allem auf die Stadt hin geöffnet. Eine mit Kunst nicht verstellte, öffentlich zugängliche Lobby erstreckt sich über siebzig Meter quer durch den Block. Viele Räume bieten teilweise spektakuläre Ausblicke auf Manhattan und zeigen das Hochhausgewirr als das vielleicht gewaltigste Kunstwerk der Moderne. Um ein Atrium von 33 Metern Höhe führen Brücken in die Ausstellungssäle, die den Besuchern keinen fixen Parcours vorgeben. Wer will, kann die Kubisten rechts liegen lassen.

Vor allem jedoch hat Taniguchi der Gegenwartskunst Platz geschaffen, mit der sich das Museum bisher schwer tat. Die Räume waren für die intimeren Formate der klassischen Moderne, gerade noch für die Malerei von Pollock, Newman & Co. geschaffen. Installationen waren oft zu gross, für schwere Skulpturen waren die Decken zu schwach, Videos schallten durch alle Räume, bei Wechselausstellungen war die Gegenwart ohnehin ins Depot verbannt. Nun ist die Kunst seit 1970 gleich im Piano nobile zu sehen. Besucher, die zu den Ikonen der klassischen Moderne wollen, müssen sie zumindest passieren. Denn jene residieren im vierten und fünften Stock. Das kann man zwar als Kaufhaustaktik verstehen, das Begehrteste so zu präsentieren, dass man zuerst an allem anderen vorbeikommt. Die neue Anordnung kehrt jedoch auch den Blick um: Er richtet sich nicht mehr von den gesicherten Werten auf eine unüberschaubare Gegenwart. Vielmehr prägen die tastenden Setzungen der aktuellen Kunst, ihr offener Horizont den Blick in die Vergangenheit und machen dort deutlich, dass der vermeintliche Königsweg der Kunstentwicklung, als dessen Hüter das MoMA lange galt, ein verschlungenes Wegenetz mit vielen Kehren und Sackgassen darstellt.

So beeindruckend, wie sich die superbe Sammlung nun präsentiert, ist auch die Finanzierung, welche die Erweiterung möglich gemacht hat. Wie die „New York Times“ zuletzt ausführte, hat Direktor Glenn D. Lowry alle Register gezogen. Bonds für über 300 Millionen Dollar wurden aufgelegt, der Museumsvorstand um „mehr als eine Handvoll“ Milliardäre erweitert, zu Immobilienhändlern und dem Finanzhaus Goldman Sachs bestehen erstklassige Kontakte. Die Führung des Museums wurde nach Managementprinzipien umgestaltet. Allein aus dem Vorstand kamen über 500 Millionen Dollar, zwei Spender gaben je 65, einer 75 Millionen, wofür im Gegenzug Gebäudeteile nach ihnen benannt sind. Neben David Rockefeller figuriert auch Donald Marron von der UBS.

Bleibt zu hoffen, dass der neue Supertanker der Museumswelt sich nicht nur nach finanziellen Gesichtspunkten bewegt. Die Fahrrinne ist eng. Statt 1,6 sollen es künftig 2,6 Millionen Besucher im Jahr sein, und das Ticket kostet stolze 20 Dollar. Dafür darf man eine Menge spannende Kunst erwarten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at