Bauwerk

EA - Generali Foundation
Jabornegg & Pálffy, Georg Schönfeld - Wien (A) - 1995
EA - Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
EA - Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky

Understatement, die Perfektion des Wenigen

Die EA-Generali-Foundation hat mitten in Wien ein Haus für Kunst und Künstler gebaut. Christian Jabornegg und András Pálffy haben auratische Räume erdacht, in denen sich nichts finden läßt, was stört.

1. April 1995 - Liesbeth Waechter-Böhm
In seiner Eröffnungsrede anläßlich der „Inauguration“ des neuen Hauses der EA-Generali-Foundation zitierte der Brüsseler Architektur- und Kunstkritiker Moritz Küng einen umwerfenden Werbeslogan der Gebrüder Saatchi für das Victoria & Albert Museum in London: „An ace caff with quite a nice museum attached“ (Ein irres Café mit einem netten Museum dabei). Besser kann man die heutige Museumslandschaft gar nicht charakterisieren. Sie ist zum Unterhaltungs- und Freizeitgelände verkommen.

Eines muß man also gleich sagen: Da weht einem in der Wiedner Hauptstraße in Wien, auf den Gründen der ehemaligen Hutfabrik Habig, schon ein ganz anderer Hauch entgegen. Küng hat die architektonische Intervention von Christian Jabornegg und András Pálffy (mit Georg Schönfeld) „bescheiden“ genannt. So würde ich sie nicht titulieren. Denn sie tritt mit einer Konzessionslosigkeit und Härte in Erscheinung, die großen konzeptuellen und formalen Anspruch vermuten lassen.

Von der Straße aus ist das Gebäude unsichtbar. Nur das alte Geschäft der ehemaligen Hutfabrik gibt es noch, es ist aber nicht hergerichtet. Später soll ein Kaffeehaus daraus werden, das möglicherweise mit Möbeln von Franz West und Künstlerfreunden eingerichtet wird. Beim gründerzeitlichen Hauseingang zeigt also nur ein Schild an, daß es hier zu den neuen Räumen der EA-Generali-Foundation, sprich: zu zeitgenössischer Kunst, vornehmlich österreichischer Skulptur der Gegenwart, geht.

Soviel darf man zuversichtlich prophezeien: In diesen Räumen werden die Künstler und die Kunstwerke unserer Gegenwart schon bald auf ganz unproblematische Weise heimisch sein. Denn sie haben es in dieser Architektur zwar mit einem durchaus auratischen Raum zu tun, aber nicht mit einem eitlen. Die Architekten haben alle ihre Maßnahmen klar deklariert. Da weist einen schon im Zugangsbereich ein Materialwechsel von Putz und Stuck zu Nirosta und Beton darauf hin, daß es „neu“ weitergeht. Und weitergehen möchte man: Ein lichtdurchfluteter, durch eine 30 Meter lange, schräge Sichtbetonwand schmal zulaufender Ausstellungsraum lockt, in dem außer den scharfen Kanten der rohen Betonwand „fugenlose“ Flächigkeit herrscht. Man könnte auch Glätte sagen, wäre dieses Wort nicht negativ besetzt. Für den spiegelblanken Industriebelag auf dem Fußboden würde es sogar besonders gut passen.

Jetzt, solang es noch keine Kunst an den Wänden oder im Raum gibt, wird das Auge unweigerlich zur Lichtdecke dirigiert. Dabei ist die Decke über diesem Ausstellungshaus in einem beengten Gründerzeithof nicht einmal irgendwie besonders. Es handelt sich um eine ganz normale Industriedecke, die außen mit einem Lamellensystem ausgestattet ist, so daß kein direktes Südlicht einfallen kann, wodurch eine problematische Klimalast auf ganz simple Weise ausgeblendet wurde. Und Tageslicht fällt trotzdem ein.
Man muß von einem der Obergeschosse des fünfstöckigen Hauses in den Hof hinunterschauen, damit man die Dimension und die Lage des neuen Ausstellungsbaus wirklich erfaßt. Er ist regelrecht eingezwängt zwischen dem Gründerzeitbau und einer alten Ziegelmauer, die einen wundervoll bepflanzten Biedermeiergarten begrenzt, der übrigens drei Meter höher liegt.

Dieser Garten ist für die Architekten der Wermutstropfen: Ihren Planungen kann man entnehmen, daß ursprünglich an einen direkten Ausgang vom Ausstellungsraum in diese Idylle gedacht war. Aber letztlich war der Eigentümer doch nicht einverstanden. Baulich ist trotzdem alles so vorbereitet, daß sich unter geänderten Vorzeichen dieser Ausgang auch nachträglich problemlos installieren läßt.

Wenn man innen im Ausstellungsraum steht, sieht man von den Deckeninstallationen nichts. Nicht das Kunstlicht, das es hier selbstverständlich gibt, auch sonst keine technischen Einbauten. Was man sieht, ist eine in großen Feldern (5 mal 2 Meter) gespannte, weiße Kunststoffmembran. Das ist schon ein phantastisches Material: Es stammt von einer Firma, die zum Beispiel mit Frei Otto beim Olympia-Stadion in München zusammengearbeitet hat oder mit Renzo Piano beim Fußballstadion in Bari. Die Bahnen dieses Materials werden stoßgeschweißt, sodaß die Nähte so fein sind wie bei einem Strumpf. Was damit erreicht wurde, ist – abgesehen davon, daß es den hierzulande ja besonders rigorosen Brandschutzbestimmungen entspricht – ein unheimlich gleichmäßiges, angenehmes, blendfreies Licht, das diesem Raum eine ganz eigentümliche Leuchtkraft verleiht.

Die Frage, welche Art von Räumen zeigenössische Kunst braucht, steht ja in Wien seit langem unbeantwortet zur Diskussion. Daß sie in barocken Palais nur allzu leicht zum Sperrmüll degeneriert, sollte sich herumgesprochen haben. Nun darf man darüber nachdenken, wie sich dieses neue, ungemein spannende Ausstellungshaus im Verhältnis zu Krischanitz' Container-Architektur auf dem Karlsplatz bewährt.

Aber natürlich ist die Nutzung in der EA-Generali-Foundation auch anders. Denn hier sollen in Zukunft zwei- oder dreimal im Jahr temporäre Ausstellungen zu sehen sein, die übrige Zeit geht es vor allem um die Präsentation der eigenen Sammlung. Letztere ist seit 1988, dem Gründungsjahr der Foundation, tatsächlich zu einer sehr feinen Skulpturenkollektion angewachsen.

Und man geht auch entsprechend damit um: Das zeigt ein Blick auf die Einrichtungen, die es neben dem Ausstellungsbau noch gibt. Direkt unter der Ausstellungshalle liegt eine Tiefgarage, und noch ein Geschoß tiefer liegt ein Tiefspeicher mit anschließender Werkstätte, wo die Sammlungsstücke fachgerecht gelagert werden können.

Der Studiensaal und die Verwaltungsräume sind im Obergeschoß des Gründerzeitbaus untergebracht, etwa auf der Höhe der Decke über dem Ausstellungssaal. Hier kommt man über eine neue, unbedingt sehenswerte Treppe hinauf. Und hier zeigt sich auch, mit welchem Geschick die Architekten mit dem gründerzeitlichen Grundriß zurechtgekommen sind. Da fahren zwei nackte schwarze Wände mit einem gewissen Tempo durch die historische Bausubstanz und bilden einen schmalen, sehr langen, von oben künstlich belichteten Korridor, der eine angenehm praktikable Mittelerschließung darstellt. Hier, im Studiensaal und in den Verwaltungsräumen, haben die Architekten auch Teile der Einrichtung entworfen. Aber designerische Geschwätzigkeit ist ihre Sache nicht, es geht vom Konzept her äußerst fein durchdacht zu, der formale Wortschatz bleibt wohltuend knapp.

Was am neuen Haus der EA-Generali-Foundation so beeindruckt, ist die sehr weit getriebene Beschränkung der Mittel, die sich die Architekten auferlegt haben. Es ist eine ganz andere Art von Minimalismus als die heute übliche. Hier geht es nicht um das gesuchte architektonische Bild, um den Aha-Effekt. Die räumliche Wirkung ist zwar ebenfalls superb, aber sie verdankt sich eigentlich einer gegenläufigen Strategie. Hier spielt sich der Minimalismus in Flächen ab, die nach Möglichkeit fugenfrei und ohne irgendeine Detaillierung sind; und es geht um die Beschränkung auf ganz wenige Materialien und ganz wenige Farben.

Jabornegg/Pálffy haben natürlich trotzdem einen riesigen Aufwand getrieben: Mit einer einfachen und kostengünstigen Lichtlösung einen Effekt zu erzielen, als befände man sich in einem High-Tech-Bau, das gelingt nicht von ungefähr; auch die Klimatechnik im Haus ist unheimlich raffiniert, weil es ja auch darauf ankam, selbst bei Veranstaltungen mit zwei- oder dreihundert Leuten ein gleichmäßiges Raumklima zu halten; das ist hier mit einem Bimetall-System gelungen, das auf die jeweilige Raumtemperatur reagiert und sich umstellt, sodaß seitlich von der Decke entweder gekühlte oder warme Luft in den Raum eingeblasen wird.

Vom Material her dominieren in den öffentlichen Bereichen eigentlich der „scharfkantige“ rohe Beton, dem man kaum ansieht, daß es Ortbeton ist; die weiße Kunststoffmembran, das Grau des Industriebodens; hinter der schrägen Wand sind in der Decke runde Oberlichten, die mit Industriedrahtglas fix verglast wurden. Im Eingangsbereich kommen Glas und mehrfach Nirosta vor (übrigens sind auch die WCs – von außen bis innen – an den Wänden mit Nirostapaneelen ausgestattet: sehenswert!). Wirklich, man kann diesen „unsichtbaren“ Ausstellungsraum in jede Richtung durchstreifen, es läßt sich nichts finden, was irgendwie stört. Es ist ein Bau für Kunst und Künstler, dessen Understatement in der Perfektion des wenigen liegt.

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