Bauwerk

Porsche Museum Zuffenhausen
DMAA - Stuttgart (D) - 2008

Wie mobil kann ein Museum sein?

„Bis vor wenigen Jahren wäre ein derartiges Projekt nahezu unbaubar gewesen.“ Elke Delugan-Meissl, Roman Delugan und Martin Josst über ihr Porsche-Museum, das kommende Woche in Stuttgart-Zuffenhausen eröffnet wird.

25. Januar 2009 - Wolfgang Freitag
Das Thema Automobilmuseum gehört als Bauaufgabe nicht gerade zum Standardrepertoire der Architektur und fällt auch aus dem bis zur Auftragserteilung 2005 zusammengekommenen Delugan-Meissl-Repertoire heraus. Was hat Sie bewogen, sich um dieses Projekt zu bewerben: die Aufgabe? Die Marke Porsche? Die Chance, auf internationalem Parkett zu reüssieren?

Roman Delugan: Die Umsetzung eines Museumsbaus in seiner Typologie war eine sehr reizvolle Herausforderung, genauso wie die Aufgabe, durch eine Marke wie Porsche ausgelöste Emotionen in eine architektonische Sprache zu übersetzen. Das Unternehmen Porsche an sich war ebenfalls eine Inspiration. Porsche ist mit Leidenschaft, mit Innovation, aber auch mit Tradition und der Neuinterpretation von Bewährtem assoziiert.

Automobilmuseum: Das ist ein in zwei entgegengesetzte Richtungen weisender Begriffszwitter. Museum signalisiert Beharrung und Festhalten, Automobil ist untrennbar mit Bewegung verbunden. Wie kann man das unter ein Dach bringen?

Elke Delugan-Meissl: Im Gegensatz zum Autobau oder etwa zur Raumfahrt gilt der Anspruch auf Mobilität in der Architektur in den seltensten Fällen. Dennoch treffen Begriffe wie „Mobilität“ und „Dynamik“ den Kern unseres architektonischen Zugangs. Die räumliche Organisation, das Leitsystem, Wegrelationen, Räume unterschiedlicher Zonierungen implementieren die Auseinandersetzung mit Geschwindigkeit und Bewegung. Die architektonischen Gegebenheiten im Inneren des Gebäudes werden durch ihre sinnliche Erfahrbarkeit in eine subtile Steuerung der Bewegungsabläufe transferiert. Das weitläufige Raumvolumen des Vorplatzes bis hin zum Foyer, der schmale Zugang über den zentralen Treppenlauf in den darüberliegenden Museumsbereich, der sich nach oben hin weitet und schließlich in eine vollkommene Öffnung des Blickes über den Ausstellungsraum mündet, erzeugen ein kraftvolles Wechselspiel aus Geschwindigkeit und Spannung, Gelassenheit und Ruhe.

Porsche ist als Autohersteller mit seinen musealen Ambitionen im Deutschland dieser Tage nicht allein: Im Mai 2006 öffnete, gleichfalls in Stuttgart, das Mercedes-Benz-Museum seine Pforten, verantwortet von Ben van Berkels UNStudio; im Oktober 2007 folgte in München die BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au. Haben diese Entwürfe Ihre Arbeit beeinflusst? Wie ordnen Sie in diesem Umfeld Ihr Porsche-Museum ein?

Martin Josst: Wie am Beginn jedes Entwurfsprozesses haben wir uns natürlich auch im Vorfeld dieses Projektes mit Bestehendem auseinandergesetzt. Wir sehen das Museum in einer Reihe mit bestehenden Automuseen, allerdings nicht in der architektonischen Sprache. Die Frage nach einer Reihung neben Coop oder UN haben wir uns nie gestellt.

Das Jahr 2005 brachte für Sie nicht nur den Zuschlag für das Porsche-Museum, sondern auch für den Neubau des Filmmuseums Amsterdam. Beiden ist der äußeren Gestalt nach eine auffallende Ähnlichkeit eigen. Ein Zufall? Oder haben wir es da mit Markenbildung zu tun: einem Delugan-Meissl-Signet?

Roman Delugan: Das Porsche-Museum ist ohne Zweifel eines unserer wichtigsten Projekte, denn stärker als bei vorangehenden Bauten hatten wir hier die Chance, unsere Auffassung von Architektur umzusetzen und Entwurfsideen in ihrer Gesamtheit zu entfalten. Der gestalterischen Freiheit wurden keine Grenzen gesetzt, die architektonische Sprache wurde seitens der Auftraggeber in hohem Maße anerkannt. In seiner baulichen Erscheinung verkörpert das Museum durchgehend unsere architektonische Vision – ein „lupenreines“ Projekt.

Inzwischen sind für Ihr Büro weitere internationale Großprojekte dazugekommen: Wie weit ist es erstrebenswert, zu den Global Playern der Architektenschaft zu gehören – und unter welchen Umständen nicht mehr?

Roman Delugan: Die Einordnung in die Riege der Global Player geschieht von außen – wenn die eigene Architektur nur noch einer erwarteten Stilrichtung zugeordnet wird, der sogenannte Starkult permanent mit einer starren ästhetischen Aussage verbunden wird und Weiterentwicklung unerwünscht ist, dann ist die Grenze erreicht.

Die soziale Verantwortung des Architekten ist Ihnen etwa dort, wo es um das Thema Wohnbau geht, immer wieder artikuliertes Anliegen. Wie fühlt sich der sozial bewegte Architekt, wenn er in Zeiten der großen Klimadebatten für den Hersteller eher zweckfreier Kohlendioxidschleudern baut und seine Walhalla zur höheren Ehre der Luxusgüterindustrie dann auch noch mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren eröffnet wird?

Elke Delugan-Meissl: Nachhaltigkeit und ökologisches Bauen müssen im Fall des Porsche-Museums in einem größeren, in einem Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Das Porsche-Museum stellt eine Aufwertung für das Gebiet dar, eine Initialzündung im Sinne einer Weiterentwicklung des Quartiers Zuffenhausen.

Als Fertigstellungsjahr des Porsche-Museums war ursprünglich 2007 annonciert, die Baukosten wurden mit 50 Millionen Euro angekündigt. Jetzt schreiben wir 2009, und die Baukosten werden unter der Hand mit 100 Millionen Euro angegeben. Worauf sind Verzögerung und doch eher dramatische Baukostenerhöhung zurückzuführen?

Martin Josst: Bis vor wenigen Jahren wäre ein derartiges Projekt aufgrund seiner statischen und konstruktiven Komplexität nahezu unbaubar gewesen. Aufgrund der komplexen Geometrie entstanden unzählige Arbeitsmodelle, anhand derer wir die räumliche Komposition und deren Wirkung konstant weiterentwickelten. Die Übertragung der Gebäudekräfte in die drei tragenden Kerne erforderten Ingenieurleistung von höchster Präzision.

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