Bauwerk

Erweiterung Graubündner Kantonalbank
Jüngling + Hagmann - Chur (CH) - 2006

Kernschmelze

Jüngling und Hagmann haben den Hauptsitz der Graubündner Kantonalbank in Chur erweitert. Ihre Eingriffe erscheinen zunächst widersprüchlich: An der Strasse verlängert ein Haus im Geist der «Kritischen Rekonstruktion» den geschützten Altbau. Im Innenhof überspannt eine expressive Konstruktion die Kundenhalle und lässt zum rückwärtigen Park Bilder aufscheinen vom Spätmodernismus der 1970er-Jahre und von den Orangerien, die einst hier standen.

8. September 2006 - Axel Simon
Prominent beherrscht das Stammhaus der Graubündner Kantonalbank (GKB) den Churer Postplatz. 1911 von Otto Schäfer und Martin Risch gebaut, gilt es als ein Paradestück des Bündner Heimatstils. 2000 gewannen die Architekten Dieter Jüngling und Andreas Hagmann den eingeladenen Wettbewerb zur Erweiterung des Hauses, mit der die Bank ihren Kundenauftritt verstärken und ihre Beratungsfunktionen an einem Ort bündeln will. Wegen der heiklen Lage in der Altstadt verlängerte sich die Planungsphase etwas. 2003 wurde mit dem Bau begonnen, vor kurzem konnten die neuen Räume bezogen werden.

Einordnen

Der kürzere Schenkel des winkelförmigen GKB-Gebäudes richtet sich mit Arkade, Läden und Café zur Poststrasse, die vom Platz aus in die Churer Altstadt führt. Ein Neubau ersetzt hier ein historisches, aber bereits in den 1960er-Jahren entkerntes Haus mit annähernd gleichem Volumen. Mit seinen Proportionen, Arkaden, vertikalen Fensterbändern und dem leicht zurückspringenden dritten Obergeschoss führt es die Hauptmerkmale des Stammhauses weiter. Die Fassadenplatten und Stützen aus gelblichem Kunststein sind vollständig mit einem vertieften floralen Ornament überzogen, mit dem auch die Fensterläden aus Metall perforiert sind. Als Motivvorlage diente ein Bandornament eines Säulenkapitells im Altbau. Was im ersten Moment an eine «tätowierte» Fassade à la Herzog&de Meuron denken lässt, wird von einer tektonischen Gliederung in den Hintergrund gerückt. Fenstergewände, Brüstungen und Gesims heben sich stark von den ornamentierten Flächen ab: Sie sind glatt, ockerfarben und springen aus der Fassade vor, ebenso das Faltwerk der geschlossenen Fensterläden.

Auffüllen

Zwischen der GKB und dem benachbarten barocken Palais weitet sich die Poststrasse zu einem kleinen Platz. Hier zeigt sich, dass der Ersatzneubau nur ein Teil der Erweiterung ist. Hinter seiner Ecke schaut ein Gebäude hervor, das eine vollkommen andere Sprache spricht. Erst der Blick vom rückwärtigen Fontanapark, der von Guido Hager interpretierend rekonstruiert wurde, klärt die Zusammenhänge. Kaskadenartig ragt hier ein Neubau hinter dem historischen Parkmäuerchen auf, der den Innenhof des GKB-Baus vollständig auffüllt. Massstab, Form und Material (bronzefarben eloxiertes Aluminium) sowie sein knirschender Anschluss an das Küchenhäuschen des Palais erinnern an spätmodernistische Zeiten und lösen die Frage nach der Urheberschaft aus: Sind das die gleichen Architekten wie bei der «kritischen Rekonstruktion» an der Poststrasse?

Interpretieren

Sie sind es. Und auf den zweiten Blick enthüllt das Hausgebirge seine Qualitäten: Assoziationen an den barocken Park, der sich hier einst hinter dem Palais symmetrisch aufspannte und mit Orangerien zur einstigen Stadtmauer hin abschloss. Jener Bautyp inspirierte die Architekten zu einem neuartigen Sonnenschutz: Matten aus Aluminiumstäben sind als offene Rollen über den Glasflächen installiert oder hängen im geschlossenen Zustand leicht durch. Sie erinnern an Bambusmatten, die Gewächshäuser vor der Sonne schützen. Sind sie geöffnet, zeigt sich oberhalb der denkmalgeschützten Gartenmauer ein Fensterband, dahinter ein raumhoher Fachwerkträger. Rankpflanzen an der Mauer, auf dem Dach sowie an partiellen Drähten vor den Fenstern sollen in Zukunft Alt und Neu, Garten und Gebäude zusammenwachsen lassen.

Verschränken

Die eindrucksvolle weisse Kundenhalle, die sich hinter diesen bronzefarbigen Terrassen befindet, liegt dreieckig zwischen den beiden Flügeln des Altbaus. Mit diesem verbindet sie sich lediglich über die alte Schalterhalle, deren einstige Hoffenster nun Durchgänge sind. Beide Räume sprechen jedoch eine eigenständige Sprache: In der eher dunklen alten Halle stehen nun Besprechungsinseln, umschlossen von gerundeten Holzwänden aus schwärzlich gebeizter Buche. Auf den restlichen Altbau hatten die Architekten keinen Zugriff.

Überspannen

In der lichten neuen Kundenhalle verteilen sich fünf inselartige Schalter, die zu allen Seiten eine Bedienung ermöglichen. Der Hallenraum teilt sich in sehr unterschiedliche Zonen. Der spitz zulaufende Hauptbereich wird von vier Sheddächern überspannt. Dass die Decke kontinuierlich ansteigt, nimmt man durch die Geometrie der Halle kaum war. Eine Galerie begleitet zwei Seiten des Raumes. Sie erschliesst Büroräume, die sich zweigeschossig über den hinteren, sehr niedrigen Teil der Halle spannen. Deren Brückenkonstruktion mit raumhohen Betonfachwerken korrespondiert mit dem ebenfalls aus Dreiecken gebildeten Stahltragwerk der Sheddächer. Der Raumeindruck der Halle und vor allem derjenige der «Brückenbüros» werden vom Fachwerk stark geprägt, zumal es längs gebogen ist. Eine schmale doppelgeschossige Querhalle mit Glasdach schliesst den Schaltersaal hinter den eingehängten Büroetagen ab. Hier befindet sich der Zugang von der Poststrasse.
Anfangs sollte sich hier die Kundenhalle über einen Saal zum schmalen Hof hin öffnen, der sich hinter der alten Gartenmauer befindet. Das ist der Grund der durchgehenden Stützenfreiheit auch dieses Teils, über dem ein weiterer Büroraum «schwebt». Leider befinden sich darunter nun auch Büros, die eine normale Leichtbauwand von der Halle trennt. Dadurch wird der konstruktive Kraftakt der Architektur hier nicht nachvollziehbar. An anderer Stelle generiert er jedoch ausdrucksstarke Räume, die den gewaltigen und auch gewalttätigen Eingriff in den Bestand nicht leugnen.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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