Bauwerk

Wohnanlage Samer Mösl
sps architekten - Salzburg (A) - 2006
Wohnanlage Samer Mösl, Pressebild: Hertha Hurnaus
Wohnanlage Samer Mösl, Pressebild: Hertha Hurnaus

Österreichischer Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010

Architektur und Nachhaltigkeit sind auch mit den Beschränkungen des sozialen Wohnbaus möglich. Mit der Passivwohnanlage Samer Mösl in Salzburg wurden in mehrfacher Hinsicht Meilensteine für zukünftige Wohnbauten gesetzt.

27. Mai 2010 - newroom
Im Nordosten von Salzburg, im Stadtteil Gnigl, gibt es ein kleines aber besonders artenreiches Moor namens Samer Mösl. Für ein Grundstück in der Nähe dieses Naturschutzgebietes schrieb der Salzburger Bauträger „Heimat Österreich“ im Jahr 2003 einen Wettbewerb für eine mehrgeschossige Passivhaus-Wohnanlage in Holzbauweise aus. Als Sieger ging daraus das Projekt von Architekt Simon Speigner als Generalplaner und Holzbau Meiberger aus Lofer als Generalunternehmer hervor, in der Ausführungsphase wurde die GU Leistung dann in Kooperation mit Ebster Bau durchgeführt. Die Aufgabe war nicht einfach angesichts der finanziellen Beschränkungen des sozialen Wohnbaus und der Situation vor Ort. Der Baugrund besteht aus Moor und Seeton, deshalb war eine Tiefgründung nötig.

Bezug zur Landschaft

Simon Speigner entsprach mit seinem Entwurf aber nicht nur diesen Vorgaben, er bezog sich auch auf die Furchen im Boden des Grundstückes, die früher vom Fluss zum Moor gezogen waren. Mit den kluftartigen Erschließungszonen und den sich zwischen den drei Häusern durchschlängelnden Wegen holte er diese Struktur zurück.

Wichtig war ihm auch, den Alterbach einzubeziehen, der an zwei Seiten des Grundstückes entlangläuft. Der Freiraum zum Bach bleibt durchlässig, dadurch kann die Wohnanlage an dessen Kleinklima teilhaben. Die Längsachsen der schlanken Baukörper sind in Südwest-Nordost-Richtung ausgerichtet und bieten damit über den Tageslauf jedem Raum Sonneneinstrahlung. Das ist nicht nur wichtig für die Wohnqualität, sondern auch für den passiven Energieeintrag. Der Autoverkehr bleibt am Rand der Wohnanlage, wodurch die Gärten der Erdgeschoßwohnungen und die Terrassen und Loggien der beiden oberen Stockwerke ohne Verkehrsbeeinträchtigung nutzbar sind. Kinder und Haustiere können sich zwischen den Häusern ungefährdet aufhalten.

Rekordbauzeit dank Vorfertigung

Die Wohnanlage Samer Mösl ist – bis auf die Fundamente und die Stiegengerippe (aus Brandschutzgründen) – zur Gänze aus Holz gebaut. Das ermöglichte auch eine extrem kurze Bauzeit. Die Firma Meiberger Holzbau fertigte die Decken aus Kreuzlagenholzplatten und die knapp 8.000 Quadratmeter Holzriegelwände mit acht Zentimeter Steinwolle-Dämmung im Werk vor und montierte sie auf der Baustelle, wo noch die Zellulosedämmung (28 Zentimeter dick) eingeblasen wurde, innerhalb von zehn Wochen. Die hochgedämmten Außenwände von 45 Zentimetern Dicke sind neben einer luftdichten Gebäudehülle wesentlich für die Passivhaus-Qualität.

Der Heizwärmebedarf der drei Gebäude liegt zwischen 5 und 11 kWh/m2a und ist derart gering, dass konventionelle Heizsysteme in den Wohnungen nicht mehr erforderlich sind. In den Wohnräumen gibt es trotzdem einen Heizkörper, um eine kuschelig warme Oberfläche zu haben. Eine kontrollierte Wohnraumlüftung sorgt für Frischluft und kann auch den minimalen Restenergiebedarf für die Beheizung abdecken. Die zentrale Wärmeversorgung erfolgt vorrangig über eine Solaranlage mit einer Fläche von ca. 200 m², die auf dem Flachdach des mittleren Hauses montiert wurde. Zusätzlich wurde ein Pelletskessel mit einer Leistung von 100 kW installiert.

Die kontrollierte Wohnraumlüftung ist ein wesentliches Element eines Passivhauses, sorgt im Wohnungsbau aber immer wieder für Probleme. Bei einer Umfrage, die im Jahr 2008 von Studierenden der Universität Salzburg in der Passivhaussiedlung Samer Mösl durchgeführt wurde, waren 42 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner mit der Heizung und 59 nach Baufertigstellung. Schon die Fülle dieser Qualitätsmerkmale macht deutlich, dass die Wohnanlage Samer Mösl in Hinblick auf Energietechnik und Umwelt nahezu keine Wünsche offen lässt. Es wurde sogar daran gedacht, den Grünraum nur mit heimischen Gehölzen zu bepflanzen.

Auch politische Bedeutung

Aus Sicht der Jury ist außerdem besonders hervorzuheben, dass sich die Bewohnerschaft der Wohnanlage Samer Mösl zu einem hohen Anteil aus Menschen mit Migrationshintergrund zusammensetzt: „Durch die gelungene Umsetzung dieses ehrgeizigen Wohnbauprojekts unter Einbeziehung seiner Bewohnerinnen und Bewohner ist ein weiterer Beweis dafür gegeben, dass nachhaltiges Bauen und soziokultureller Anspruch keine Gegensätze sind, sondern einander ergänzen können.“

Weiters würdigt die Jury, dass Architekt Simon Speigner und Ebster Bau/Holzbau Meiberger als Generalunternehmer mit Kostengarantie ein schlüssiges Ensemble mit vielen, erst auf den zweiten Blick sichtbaren, doch elementaren Innovationen realisiert haben. Mit ihrem Engagement haben sie gemeinsam mit dem Energiefachmann Dietmar Stampfer für die Geschossflächenzahlen sowie für brandschutz- und holzbauliche Richtlinien größere Spielräume für künftige Wohnanlagen erarbeitet und gewonnen.

Prozent mit der Lüftung zufrieden. Architekt Simon Speigner sieht das gelassen: „Man muss mit einem Passivhaus leben lernen.“ Wichtig sind deshalb ausreichende Informationen über die Lüftungsanlage und die Bedeutung der Beschattung im Sommer.

Margarethe Schörghofer, die seit dreieinhalb Jahren in der Passivhauswohnanlage lebt, ist jedenfalls sehr zufrieden mit der Wohnqualität: „Es ist hell, man muss nicht heizen und es ist immer gute Luft herinnen.“ Zwar könne es im Sommer im Wohnzimmer und in der Küche auf der Ostseite etwas warm werden, aber da müsse man eben rechtzeitig die Jalousien herunterziehen. Sollte es trotzdem zu warm werden, kann sie sich unter Umständen auch ins Schlafzimmer oder auf die Terrasse zurückziehen, denn jede Wohnung hat Räume auf beiden Seiten des Hauses.

Nachhaltig in vielfacher Weise

Neben den energetischen Aspekten tragen noch viele andere Besonderheiten zur Nachhaltigkeit der Wohnanlage Samer Mösl bei: Die Wände sind diffusionsoffen, es gibt geölte Holzböden, Holz-Alufenster und Holzterrassen. Alle freien Dachflächen sind extensiv begrünt, die Wege zwischen den Häusern nur teilweise versiegelt. Das Regenwasser wird zur Bewässerung der Grünbereiche in einer Zisterne gesammelt. Die Tiefgarage wird natürlich belüftet und durch Oberlichten beleuchtet und bietet viel Platz für Fahrräder.

Alle Wohnungen verfügen über eigene Kalt- und Warmwasserzähler, Waschmaschinen und Geschirrspüler besitzen Warmwasseranschluss. Die verwendeten Materialien sind zur Gänze HFKWfrei und bis auf die Elektroleitungen PVC-frei. Bitumenvoranstriche, -anstriche und -kleber sind lösemittelfrei, alle Bodenbeläge, Holzwerkstoffe und Anstriche sind emissionsarm.

Für nachhaltige Imagebildung der neuen Siedlung sorgt die Fassade: Die sägerauen Fichtenschalungen erhielten eine silbergraue Lasur, die sich mit der Zeit auswäscht und vom natürlichen Ergrauen des Holzes abgelöst wird. Statt der ungleichmäßigen Verwitterung der ersten Jahre entsteht damit von Anfang an ein homogener Gesamteindruck, was vielen Menschen wichtig ist.

Energieverbrauchsmonitoring wurde ebenso umgesetzt wie die qualitätssichernde Messung von Schallschutz und Innenraumluftqualität (Text: Sonja Bettel)

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