Bauwerk

Stadion Letzigrund
Bétrix & Consolascio, Frei & Ehrensperger - Zürich (CH) - 2007
Stadion Letzigrund, Foto: Hans Ege
Stadion Letzigrund, Foto: Hans Ege

Man höre und staune

Das Leichtathletik- und Fussballstadion Letzigrund ist nicht nur eine elegante Architekturskulptur und eine Meisterleistung der Ingenieure, sondern auch ein Klangort: Der Klangspezialist Andres Bosshard hat sich während eines Fussballspiels umgehört und kommentiert die akustische und visuelle Direktheit und Transparenz.

19. Dezember 2007 - Roderick Hönig
Was ist das Sportzentrum Letzigrund für ein Klangort?

Während einem Fussballspiel ist das Stadion ein intensiver Klangort, ich würde sogar sagen ein Ruf- und Gesangsort. Er unterscheidet sich von anderen Stadträumen durch seine Offenheit. Tagsüber ist er sogar öffentlich zugänglich und bekommt damit eine Art Parkcharakter. Er hat ein klar definiertes Aussen: Auf der ums Stadion herum geführten Zugangsterrasse sind die Geräusche der Stadt präsent. Dann geht man durch eine tunnelartige Betonschleuse, der einzige Ort, der bei mir akustische Verwirrung
hinterliess. Höhepunkt aber ist die Arena selbst. Sie ist offen. Das Stadion ist akustisch gesehen eine spannende Mischform zwischen innen und aussen. Es verleiht dem Quartier eine eigene akustische Identität und ist einer der wichtigen Stadtklang-Brennpunkte von Zürich.

Die Form des Stadions ist aufgrund der Leichtathletikanlagen und der Sehwinkel der Zuschauer entstanden. Wie reflektiert die gewählte Geometrie Schall und Klang?

Das Oval ist die beste Form, um akustisch überhaupt nicht zu erscheinen, noch besser als die Kreisform. Man hört im Letzigrund förmlich, dass die Ecken fehlen, sie würden einen akustischen Fokus bilden. Akustisch gesehen hat der Torwart wahrscheinlich am meisten Sound, er steht im Brennpunkt der Kurven. Schön ist, dass man den offenen Raum auch akustisch spürt. Denn die Seitenwände sind so weit auseinander, dass sie bei der Dämpfung des Klangs keine Rolle mehr spielen. Hingegen ist der Raum auf der Nordseite des Stadions, dort wo die beiden Trainings-Spielfelder an die Nachbarhäuser grenzen, viel mehr akustischer Innenraum als das Stadion selbst. Wenn man so will, ist die Akustik umgestülpt: aussen der Innenraum, innen der Aussenraum.

Welche Wirkung hat die räumliche Offenheit auf die Akustik?

Das Stadion unterscheidet sich von anderen Stadien, in denen der Baukörper die Stimmen der Zuschauer zurückspiegelt und eine soziale Sphäre bildet. Im Letzigrund entsteht – nicht nur akustisch – kein Massengefühl und trotzdem entsteht keine Leere. Eine schöne Balance zwischen Offen- und Geschlossenheit.

Welche Rolle spielen Akustik und Klang für die Stimmung in einem Stadion?

Die akustische Orientierung ist eine Grundlage für Kommunikation und für Gemeinschaft. Für die Emotionen der Zuschauer ist die Akustik deshalb ein zentrales Element. In einem Stadion will sich der Zuschauer von den Emotions-Wellen, die das Spiel auslöst, mittragen lassen.

Was ist das Sportzentrum Letzigrund für ein Klangort?

Während einem Fussballspiel ist das Stadion ein intensiver Klangort, ich würde sogar sagen ein Ruf- und Gesangsort. Er unterscheidet sich von anderen Stadträumen durch seine Offenheit. Tagsüber ist er sogar öffentlich zugänglich und bekommt damit eine Art Parkcharakter. Er hat ein klar definiertes Aussen: Auf der ums Stadion herum geführten Zugangsterrasse sind die Geräusche der Stadt präsent. Dann geht man durch eine tunnelartige Betonschleuse, der einzige Ort, der bei mir akustische Verwirrung hinterliess. Höhepunkt aber ist die Arena selbst. Sie ist offen. Das Stadion ist akustisch gesehen eine spannende Mischform zwischen innen und aussen. Es verleiht dem Quartier eine eigene akustische Identität und ist einer der wichtigen Stadtklang-Brennpunkte von Zürich.

Die Form des Stadions ist aufgrund der Leichtathletikanlagen und der Sehwinkel der Zuschauer entstanden. Wie reflektiert die gewählte Geometrie Schall und Klang?

Das Oval ist die beste Form, um akustisch überhaupt nicht zu erscheinen, noch besser als die Kreisform. Man hört im Letzigrund förmlich, dass die Ecken fehlen, sie würden einen akustischen Fokus bilden. Akustisch gesehen hat der Torwart wahrscheinlich am meisten Sound, er steht im Brennpunkt der Kurven. Schön ist, dass man den offenen Raum auch akustisch spürt. Denn die Seitenwände sind so weit auseinander, dass sie bei der Dämpfung des Klangs keine Rolle mehr spielen. Hingegen ist der Raum auf der Nordseite des Stadions, dort wo die beiden Trainings-Spielfelder an die Nachbarhäuser grenzen, viel mehr akustischer Innenraum als das Stadion selbst. Wenn man so will, ist die Akustik umgestülpt: aussen der Innenraum, innen der Aussenraum.

Welche Wirkung hat die räumliche Offenheit auf die Akustik?

Das Stadion unterscheidet sich von anderen Stadien, in denen der Baukörper die Stimmen der Zuschauer zurückspiegelt und eine soziale Sphäre bildet. Im Letzigrund entsteht – nicht nur akustisch – kein Massengefühl und trotzdem entsteht keine Leere. Eine schöne Balance zwischen Offen- und Geschlossenheit.

Welche Rolle spielen Akustik und Klang für die Stimmung in einem Stadion?

Die akustische Orientierung ist eine Grundlage für Kommunikation und für Gemeinschaft. Für die Emotionen der Zuschauer ist die Akustik deshalb ein zentrales Element. In einem Stadion will sich der Zuschauer von den Emotions-Wellen, die das Spiel auslöst, mittragen lassen.

Weil das Letzigrund in erster Linie eine Leichtathletik-Arena ist, sind die Fussballfans nicht glücklich über die Akustik. Was raten sie Ihnen?

Es stimmt, die Fans müssen sich mehr anstrengen als im alten Stadion, denn es ist viel schwieriger, im neuen Stadion Stimmung zu erzeugen. Doch ich würde ihnen empfehlen, ein paar Klangexperimente durchzuführen, um die Wirkung ihrer Chöre zu optimieren. Von einer baulichen Optimierung, beispielsweise mit Plexiglas-Platten rund um die obersten Ränge, halte ich wenig: Man könnte die Akustik damit zwar verbessern, aber wenn die Fans von sich aus eine freche Antwort auf das neue Letzigrund finden, ist das doch viel spannender. Denn das Stadion ist auch akustisch gesehen ein offenes Spielfeld.

Wie beschreiben Sie den Klang des Stadions?

Das Dach und die schrägen Stützen geben dem Stadion ein eigenständiges Klangprofil. Nur hier klingt Zürich so. Man spürt die Materialien, die man sieht: Den Rasen, die Holzdecke, die Stahlstützen, die Kunststoffstühle, die Betonkonstruktion – auch von der Stadt habe ich einen schönen Klangeindruck. Besonders gefällt mir, dass der Massengesang aus den Fankurven während eines Fussballspiels nicht akustisch verstärkt und doch sehr präsent ist. Diese Art der unverstärkten Gesangseinlagen ist der Pop- und Rockmusik abhanden gekommen. Kämen die Chöre aus Lautsprechern, wären sie banal.

In welchem Verhältnis steht die akustische mit der visuellen Direktheit?

Wir haben wenig Hörerfahrung mit so grossen Baukörpern, die derart gedämpft sind. Die akustische Dämpfung im Dach verstärkt den Eindruck des Schwebens. Das Dach gibt dem Raum also auch akustisch eine Weite. Nicht nur wegen der Architektur, sondern auch weil der Raum den Klang nicht so reflektiert, wie wir uns das gewöhnt sind – ich denke hier an die schrägen Stahlstützen –, entsteht der Eindruck der Weite. Sie entspricht dem, was ich sehe. Einige Irritationen entstehen bei den Materialien und der Technik: Ich kann die Durchsagen und die Musik nicht klar den Lautsprechern zuordnen und wir können aufgrund der akustischen Reflexionen nicht sagen, ob die Untersicht der Decke wirklich mit Holz verkleidet ist. Die Gestaltung fordert das Ohr heraus.

Wie steht es um die akustische und visuelle Transparenz?

Sie manifestiert sich beim umstrittenen Stahlzaun rund ums Stadion. Auch ich war am Anfang skeptisch. Ich fand die eng aneinandergereihten Stahllatten zu schroff und hart. Doch der Zaun entspricht der visuellen Durchlässigkeit des Stadions und lässt einen beim vorbeifahren mithören, was im Innern läuft. Insofern vermittelt das Letzigrund innen wie aussen die aktuelle Stimmung. Diese hohe Kommunikationsfähigkeit sollte ein öffentlicher Raum in der Stadt haben.

Bei der Planung des Stadions hat man in erster Linie darauf geachtet, dass möglichst wenig Lärm nach aussen dringt. Wie wird dieses Ziel eingelöst?

Das riesige Dach schluckt zwar viel Schall, das Stadion wäre aber noch weniger im umliegenden Stadtraum zu hören, wenn man auch noch die Fassade des Stadions gegen die Stadt hin schallisoliert und damit auch den Aussen-Resonanzraum gedämpft hätte.

Kann man differenzieren, was im Stadion Letzigrund Klang ist und was Lärm?

Die Gesänge der Fankurven kommen direkt und aktiv auf mich zu. Die Chöre haben eine Qualität, ich würde sie sogar als Musik oder zumindest als aktiven Stadtklang bezeichnen. Sobald sie aber nach aussen dringen und der Kontext verloren geht, werden sie zu Lärm. Unbeabsichtigter Klang, dem ich mich nicht entziehen kann, wird zu Lärm. Als Klangabfall würde auch ich die Musik, die Kommentare des Stadion-DJs und die Werbejingles bezeichnen, mit denen die Zuschauer vor und nach dem Spiel berieselt werden. Aber das gehört heute scheinbar zum Ritual einer Sportveranstaltung. Was aber nicht heisst, dass man nicht besser und intelligenter mit diesem Klang-abfall hätte spielen können: Wenn beispielsweise die Musik sich langsam bewegen und damit den Raum ein bisschen nachzeichnen würde, würde das der architektonischen Eleganz des Stadions entsprechen. Derzeit hat der Klangabfall mit dem Raum nichts zu tun, es herrscht Warenhausbeschallung.

Sie haben Erfahrung mit Klanginstallationen an städtischen Brennpunkten. Was hätten sie anders gemacht, wenn Sie am Brennpunkt Stadion mitgeplant hätten?

Man muss zwischen dem ‹Instrument›, also dem Stadion, und wie man darauf spielt unterscheiden. Ich finde die Akustik und den Raum des ‹Instruments› toll. Die elektro-akustische Anlage hingegen empfinde ich als nicht zeitgemäss, es gibt Lautsprecher, die besser klingen. Beim Rasen hat man auch nicht auf Qualität verzichtet, wieso beim Klang? Ich denke, man hätte mit der Musikanlage gestalterischer umgehen können – man kann mit Klang sehr wohl soziale Räume mitgestalten. Das erlauben die Lautsprecher nicht und es wird hier nicht getan.

Das Künstlerpaar Relax hat als eine der Kunst-und-Bau-Arbeiten eine Klanginstallation fürs Stadion konzipiert: Gelächter und Weinen drehen ihre Runden im Oval. Ist ein Stadion der richtige Ort für diese Art Kunstinstallation?

Ja, ich glaube schon. Das Letzigrund ist sehr wohl ein Ort für Kunst und Kultur im Stadtraum, hier liegt sehr viel Potenzial brach. Doch die Kunst-und-Bau-Arbeit von Relax hört nicht zu, ist nicht interaktiv. Deshalb sind die Fanchöre im Vergleich frischer und frecher – elementare Emotionen bringen sie direkter.


Kommentar der Jury:
Überzeugt hat die Jury vor allem, dass das Stadion Letzigrund nicht nur eine elegante Architekturskulptur ist, sondern auch ein städtebauliches Projekt. Das eingegrabene Spielfeld macht der Zugang auf Strassenniveau möglich, eine Voraussetzung für die sanfte Einbettung ins Quartier. Die Arena besteht aus nur wenigen Elementen: die Mulde mit dem Spielfeld, die Erschliessungsrampe, die auf Strassenhöhe beginnt, zwei Geschosse ansteigt und wieder sinkt, und das schwebende Dach. Es ruht auf dem Ingenieursmeisterstück, den ‹tanzenden Stützen›. Das Oval ist öffentlicher Sportplatz, Austragungsort des internationalen Leichtathletik Meetings, Konzertarena und Fussballstadion.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

Archfoto

Hans Ege