Bauwerk

Zweifamilienhaus in Hadersfeld
Triendl und Fessler - Hadersfeld (A) - 2010
Zweifamilienhaus in Hadersfeld, Foto: Karoline Mayer
Zweifamilienhaus in Hadersfeld, Foto: Karoline Mayer

Schwarzes Doppel

Großzügige Raumflächen und erstaunliche Homogenität bis in den letzten Winkel: ein Wohnhaus für zwei Familien in Hadersfeld am Rand des Wienerwalds.

31. Juli 2010 - Franziska Leeb
Ein Carport, der über die gesamte Breite dem Haus vorgelagert ist, dann ein rechteckiger Hof, an drei Seiten umgeben von praktischen Nebenräumen und schließlich das Wohngebäude für zwei Familien – außen alles einheitlich aus schwarz lasiertem Holz: Was so ungewöhnlich scheinen mag, erweist sich bei genauer Betrachtung als landschaftsgerechtes und alltagstaugliches Modell für das Wohnen im Grünen. Es stammt aus dem Atelier Triendl und Fessler Architekten, geplant für zwei Familien aus der Großstadt, die sich der Kinder zuliebe für das Wohnen auf dem Land entschieden haben. Der Bauplatz mit Aussicht auf hügelige Wälder, Felder und Wiesen liegt in Hadersfeld, einer Ortschaft am nördlichen Rand des Wienerwaldes, zwischen Klosterneuburg und Greifenstein, abseits der Hauptverkehrsrouten. Eine wunderbare Gegend zum Wandern und Radfahren, es gibt viele Wochenendhäuser, und zusehends siedeln sich auch Stadtflüchtlinge wie die beiden Bauherrenfamilien dauerhaft hier an. Nirgendwo in Niederösterreich ist die Dichte anspruchsvoller Wohnhausarchitektur so hoch wie im Speckgürtel rund um Wien. Im Vergleich mit etlichen anderen schicken Wienerwaldresidenzen, die in den letzten Jahren errichtet wurden, zählt das hier besprochene mangels expressiv gekrümmter Fassaden und extremer Auskragungen zu den weniger spektakulären Objekten, besticht stattdessen sympathischerweise aber durch eine erstaunliche Homogenität, die in formalästhetischer wie funktionaler Hinsicht bis in den letzten Winkel durchgehalten wurde.

Die beiden Bauherrenfamilien sind einander beruflich und freundschaftlich verbunden, man ist designaffin und wusste, was man wollte: für jeden die in Größe, Zuschnitt und Ausstattung maßgeschneiderte Wohneinheit, ausreichend Intimität für die einzelne Familie, üppig Freiflächen zur gemeinschaftlichen Nutzung und qualitätsvolle Architektur.

Karin Triendl und Patrick Fessler stehen am Anfang ihrer Karriere als selbstständige Architekten. Die gebürtigen Innsbrucker haben nach internationalen Lehr- und Wanderjahren vor fünf Jahren das eigene Büro gegründet. Die Praxis im Atelier von Adolf Krischanitz – der sie gelegentlich immer noch zu Kooperationen einlädt – war gewiss auch eine gute Schule. Wie sie das Schlichte und Praktische mit Sinnlichkeit erfüllen, könnten sie bei ihm gelernt haben. Bei diesem Haus haben sie dieses Talent jedenfalls perfekt eingesetzt.

Der Sinn für das Pragmatische beginnt beim Carport, der eine gute, weil elegantere und preiswertere Alternative zu den dicken Garagen ist, die ansonsten wie gutartige, aber hässliche Geschwülste die Siedlungen durchsetzen. Ihn so breit wie möglich auszubilden ist angemessen in einer Lage, die ohne Auto schwer zu erreichen ist. Abstellräume und eine Werkstatt sind nicht in ein Kellergeschoß verbannt, sondern liegen dort, wo man sie braucht und täglich vorbeikommt. Verbunden und begleitet von einer Pergola, umfassen sie einen grünen Hof, der als Pufferzone zur Straße ebenso wirksam ist, wie er sich als umgrenzter sichtgeschützter Platz zum Spielen, Feste feiern oder Herumwerkeln nützlich macht. Er ist ein Schwellenbereich, der Besucher langsam an das Haus heranführt und den Bewohnern Zeit gibt, sich auf die Ankommenden vorzubereiten.

Der südliche Garten – unaufdringlich mit viel Gespür für den Ort gestaltet vom jungen Landschaftsarchitekturbüro LindleBukor – leitet von der großen Südterrasse über in die Landschaft. Im hausnahen Bereich wurde das Gelände in miteinander verzahnten Schichten terrassiert und bietet hier propere Rasenflächen und Rabatte zur geordneten Kultivierung, um dann sukzessive in einen wild bewachsene Wiese überzugehen. Ursprünglich war zwar überlegt worden, die Freibereiche klarer zu trennen und jeweils einer Familie zuzuordnen. Schlussendlich ist dies unterblieben, weil es, so wie es ist, gut klappt. Und der guten Form sind unzerteilte Terrassen- und Gartenflächen sowieso immer zuträglich.

Um die Bauzeit möglichst kurz zu halten, wurde der Rohbau aus Fertigteilen in Holzriegelkonstruktion mit massiven Holzdecken errichtet. Die beiden Einheiten sind denunterschiedlichen Familiengrößen entsprechend verschieden groß, haben den individuellen Gewohnheiten gemäß unterschiedliche Grundrisse. Hülle und gestalterisches Konzept sind hingegen weitgehend homogen. Im Erdgeschoß verfügt jede Wohnung über einen großen Einraum zum Kochen, Essen, Wohnen, Spielen, der über die Fenstertüren Ausgänge auf alle Freiflächen hat. Die offenen Küchen und dahinter die Nebenräume sowie die Treppen ins Obergeschoß sind zentral positioniert. Die kleinere Einheit verfügt über einen Luftraum über dem im Süden gelegenen Essbereich, der die sparsam bemessene Raumfläche mit einer wohltuenden Großzügigkeit aufwertet.

Zwischen den beiden Wohneinheiten war ursprünglich daran gedacht, ein Atrium einzufügen, man hat sich aber dann für einen Gemeinschaftsraum mit eigenem Sanitärbereich entschieden, der von beiden Einheiten aus zugänglich ist und gegenwärtig vor allemfür die Kinder ein geräumiger, das ganze Jahr über nutzbarer gemeinsamer Indoor-Spielbereich mit Terrassenzugang ist. Die Rückzugsorte – Schlaf- und Kinderzimmer sowie Bäder – liegen jeweils im Obergeschoß. An der großzügigen Wirkung im Inneren und der Homogenität der Außenhaut haben die Fensteröffnungen großen Anteil. Sie sind einheitlich als Fenstertüren ausgebildet, die durch ihre Gleichartigkeit eine flexible, den Bedürfnissen entsprechende Anordnung zuließen und dennoch keine Unruhe im Fassadenbild entstehen lassen. Die Glasflächen samt den außen liegenden schwarzen Rollos und im Obergeschoß die Absturzsicherungen aus Edelstahlgewebe ordnen sich unauffällig in die Fläche ein. Im Kontrast zur dunklen Haut sind die Oberflächen innen hell. Mineralisch beschichtete Böden in Hellgrau gehen einen schönen Dialog mit den weiß lasierten Holzdecken ein.

Das Haus ist als einzelnes, orts- und nutzerspezifisches Projekt geplant. Die Koppelung der beiden Einheiten ist aber so klug gelöst und die Unterschiedlichkeit der Innenraumkonzepte angesichts des homogenen Äußeren so überraschend, dass man dazu verleitet wird, in Gedanken das Gefüge weiterzustricken. Denn trotz seiner Prägnanz und Einzigartigkeit wohnt dem Gebäude etwas Prototypisches inne, das durchaus addierbar wäre.

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