Bauwerk

Transformation Swarovski Optik KG
Tatanka - Absam (A) - 2012

Staatspreis Architektur 2010

16. Dezember 2010 - newroom
Der gestalterische Umgang mit Industrieanlagen, die über Jahrzehnte gewachsen sind, erfordert nicht weniger Fingerspitzengefühl als die Sanierung alter Stadtkerne, auch wenn die Aufgaben auf den ersten Blick nicht weiter auseinander liegen könnten. Die Anforderungen der Produktion an ihre bauliche Hülle ändern sich so rasch, dass ein Jahrzehnt im Industriebau den gleichen Sprung bedeutet wie ein Jahrhundert in der Entwicklung mittelalterlicher Städte. Nicht selten entwickeln Produktionsbetriebe eine industrielle Romantik aus Zubauten und Überwucherungen, die schließlich den Ruf nach einem kompletten Neubau laut werden lassen. Die Transformation der Swarovski-Optik- Werke in Absam ist ein herausragendes Beispiel für die hohe Qualität, die man stattdessen durch inkrementelle Veränderung am Bestand erreichen kann. Zu Beginn des Projekts stand die Entscheidung der Familie, die Reorganisation der Firma, die hochwertige Ferngläser vor allem für die Jagd herstellt, in die Hände eines Familienmitglieds der jüngeren Generation, Carina Schiestl- Swarovski, zu legen. Als erster Auftrag wurde von den Architekten ein Gesamtkonzept für die bauliche Entwicklung erarbeitet und mögliche Umsetzungsszenarien aufgezeigt. Es spricht für das Unternehmen, dass die ersten Maßnahmen die Arbeitsplatzqualität für die Mitarbeiter/innen verbessern sollten. Kantine und Küche wurden aus dem Erdgeschoß des Verwaltungstrakts herausgelöst und in einen Neubau verlegt, der auch einen Betriebskindergarten mit Kinderkrippe enthält. Mit diesen Umgestaltungen konnte ein belebter, locker definierter Hofraum nach der Werkseinfahrt geschaffen werden, der wesentlich zur Identifikation der Mitarbeiter/innen mit dem Standort beiträgt. Bei der Sanierung und Erweiterung des Bürotrakts war eine grundsätzliche Vorbedingung der Architekten, alle in den umzugestaltenden Büros arbeitenden Menschen persönlich und direkt in den Planungsprozess einzubeziehen. Das klingt aufwendig, lohnt sich aber durch den Wegfall zahlreicher Umplanungen und Nachbesserungen, die von schlecht informierten Nutzer/innen früher oder später eingefordert werden. Das Verwaltungsgebäude wurde, nachdem sich ein Neubau als undurchführbar erwiesen hatte, schrittweise umgebaut.

Im Erdgeschoß entstand ein Prototyp, der abteilungsweise in Bauphasen weiterentwickelt wurde. Auch die Wahl der Materialien erfolgte in Abstimmung mit den Nutzer/innen und variiert daher von Abschnitt zu Abschnitt. Die notwendige Erweiterung der Verwaltung, Technik und Forschung erfolgte durch den Anbau eines „Forschungsturms“ und durch die Aufstockung des Nordflügels mit einer Leichtkonstruktion aus Brettsperrholz. Ausgehend von neu gefassten Zugängen wurde die gesamte Produktion mit direkten Wegen neu erschlossen und brandschutztechnisch umorganisiert. An der Westfassade entsteht durch die abschnittsweise Sanierung eine Patchworklösung, die im Endzustand durch fixe Beschattungselemente zusammengefasst wird. Das Ziel des Projekts bestand nicht allein in der Schaffung von besseren Räumen. Architektur war hier Teil eines umfassenden „Change Management“, an dessen Ende eine neue Betriebskultur steht, verbesserte Beziehungen zwischen Menschen, die hochkomplexe Produkte auf einem global umkämpften Markt entwickeln und herstellen. Dieses Ziel ist hier vorbildlich erreicht worden.

Jurybegründung

Die Transformation der Firma Swarowski überzeugt durch ihren gelassenen Umgang mit dem Bestand und den präzise und unprätentiös realisierten Ergänzungen: Eine Architektur des Alltags auf höchstem Niveau.
Als preiswürdig erachtet die Jury das mit Erfolg umgesetzte Konzept, Architektur als Teil eines umfassenden „Change Management“-Programms zu betrachten. Ein Vorbildprojekt für zahlreiche Unternehmen, die Produktion, Forschung und Verwaltung an einem Standort vereinen. (Text: Staatspreis Architektur 2010 / Christian Kühn)

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Swarovski Optik KG

Tragwerksplanung

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