Bauwerk

Wagyu-Stall am Hausruck
Herbert Schrattenecker - Atzbach (A) - 2018
Wagyu-Stall am Hausruck, Foto: Stefan Gruber

Preisträger Bauherrenpreis 2019

9. November 2019 - newroom
Der zeitgenössische Bauer: Landschaftspfleger, Tierpfleger – mit Sinn fürs gute Produkt, auf der Suche nach Kunden mit Geschmack. Hier aber ist es eine ganze Bauernfamilie und eine Bäuerin, die nach dem Architekten ruft, sich nicht auf den Rat der Kammer und die Industrie-Ästhetik verlässt. Ein veredeltes Produkt verlangt nach der richtigen Architektur. Sie spielt hier eine große und zugleich kleine Rolle. Zunächst waren nämlich viele gewichtige Entscheidungen über die Zukunft der siebenköpfigen Familie mit Nebenerwerbsbetrieb zu treffen. Die zeitliche Klammer: 2009 der Ausstieg aus der wenig ertragreichen Milchproduktion; 2016 die Errichtung eines neuen Stalls. Dazwischen liegt die Neuerfindung des eigenen Betriebs, der zum Unternehmen am umkämpften Markt der Feinkostprodukte avanciert. Wie so oft, fällt der Name des Architekten in Gesprächen mit Freunden. Der Wunsch an ihn: viel Holz und Komfort für die Tiere! Und so entstand dieser pagodenartige Stall, der etwas von der fremdländischen Art der Rinder ins Hausruckviertel bringt, ohne ein Fremdkörper zu sein. Er steht gut und (bislang noch) luftig neben dem alten Hof. Architektur nimmt hier wieder Teil an der bewussten Lebensplanung, lastet nicht schwer. Denn eines wurde bald klar: entweder man blickt in die Zukunft, oder man hat keine Chance. Heute schmeckt man die Qualität des feinziselierten Wagyu-Fleisches: edel wie Marmor. Sehen sollte man sie eben auch in der Landschaft, das Wirtschaftsgebäude den Schritt zur Verfeinerung des Produkts symbolisieren. Die Familie half mit, ihn zu errichten und steht nun stolz davor. Ihre Geschichte ist beeindruckend und dabei sehr sympathisch – im Stall selbst halten sich auch Menschen gerne auf, klettern hinauf auf den „Balkon“, wo das Stroh lagert, bestaunen das schlanke Holzstabwerk, analysieren die Konstruktion, die eben etwas Fremdes und doch Vertrautes an sich hat. Der Weg der verarbeiteten, kernfreien Fichten und Tannen vom Wald bis hierher ist bekannt. Nicht industriell – klein geschnitten, verleimt – sondern bis zu neun Meter lang sind die am Fußpunkt eingespannten Stützen, verbunden durch die lokale Zimmermannskultur. Hochgehoben sind die Diagonalaussteifungen, wie bei einem Schirm schwebt das Dach ganz elementar über dem geräumigen, luftigen Stall. Der Architekt hat vor langer Zeit türkische Holzstrukturen studiert. Sein ansprechendes Tragwerk spiegelt das Selbstverständnis der Familie: Grenzen kennen, an Grenzen gehen – zur Verbesserung der Dinge. (Jurytext Bauherrenpreis 2019)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: newroom

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at