Bauwerk

Haus obd'r Lech
HEIN architekten zt - Lech am Arlberg (A) - 2017
Haus obd'r Lech, Foto: David Schreyer

Preisträger Bauherrenpreis 2019

9. November 2019 - newroom
Man wandert über satte Wiesen, den Weg weist die frische Fichtenschalung. Der zweigeschossige Einhof mit flach geneigtem Blechdach liegt da und genießt die Ruhe der Zwischensaison. Keine einfache Almhütte mehr, sondern ein Luxusobjekt, finden hier drei Paare mitsamt Weinsortiment und Koch (Einliegerwohnung) mietbaren Raum. Die Transformation merkt man dem soliden Haus äußerlich nicht an. Weiterbauen lautet das Thema, zur Revitalisierung eines hochdesolaten Holzbaus. Der Zimmermann riet schon zum Abriss, als das Interesse des Eigentümers nach dem Bauforscher rief, der eines der ältesten Häuser weit und breit entdeckte – ein Walserhaus aus dem 14. Jahrhundert mit seltener Bohlen-Balkendecke. So wurde, was von der Strickstruktur zu retten war, gerettet. Ostseitig, anstelle des bereits in den 1950er-Jahren verlorenen Wirtschaftstrakts, entstand ein Zubau in Holzmassivbauweise. Die ursprüngliche Kubatur sollte wiederhergestellt werden, obschon die Bauordnung nur zehn Prozent Zugewinn erlaubte. Das gelingt durch Neuinterpretation des „Schopfs“ – luftige Loggien, in den Baukörper eingeschnittene Zellen von überraschender innenräumlicher Wirkung. Durch den Wechsel von der Vertikal- zur Stülpschalung blieb der neu-alte Anbau ablesbar. In ihn sind größere Fensteröffnungen mit Schiebeläden eingelassen, während thermisch ertüchtigte, zweiflügelige Fenster mit Balken für die Gesamterscheinung bestimmend bleiben. Im Inneren wird das gelungene Zusammenspiel noch deutlicher: Weder ist das Alte inszeniert noch steht es plump neben dem Neuen. Die Räume verströmen den Geist von Wertschätzung und Neugier, der alle hier Tätigen angespornt hat. Vor allem aber herrscht Gemütlichkeit – ein mächtiger Kamin zieht sich im Mittelflur nach oben in den zentralen Aufenthaltsraum. Luxus wird dabei auf ganz eigene Weise artikuliert, weiß sich zurückzuhalten, unterliegt dem Respekt gegenüber Geschichte und Kontext: Wer die Geschichte des Hauses nicht kennt, meint eher, es müsse sich um eine behutsame Erweiterung handeln. Schön ist die Könnerschaft im Holzbau; der gewisse Witz erfreut, den sich das Meisterliche leistet: Vom hölzernen „Spion“ bis zu den „Zirbenaugen“, die für Abwechslung sorgen bei so viel Weißtanne. Vieles ist durch den Dialog der Handwerker entstanden, auf die man sich hierorts verlassen kann – Handwerker, die auf der Skala des Möglichen den richtigen Ton treffen. Dieses Weiterleben durch Transformation gelingt wohl nur innerhalb einer solcherart hochentwickelten Baukultur. (Jurytext Bauherrenpreis 2019)

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