Bauwerk

Sigmund Freud Museum
Hermann Czech, ARTEC Architekten, Walter Angonese - Wien (A) - 2020
Sigmund Freud Museum, Foto: Hertha Hurnaus
Sigmund Freud Museum, Foto: Hertha Hurnaus
20. Dezember 2022 - Az W
Seit 2020 wird Sigmund Freuds Lebens‐ und Arbeitsort in Wien, Berggasse 19 – der Geburtsort der Psychoanalyse – der Öffentlichkeit in einer Form präsentiert, die dem Standard dieser speziellen Gedenk‐ und Forschungsstätte entspricht. Die Sigmund‐Freud‐Privatstiftung beherbergt auch die größte psychoanalytische Bibliothek in Europa – die zweitgrößte der Welt.
Das Haus Berggasse 19 ist ein respektables, in Einzelheiten nicht unoriginelles Miethaus der Wiener Hochgründerzeit. Sein hoher Denkmalwert begründet sich aber nicht daraus, sondern aus der historischen Nutzung des Mezzanins und des Hochparterres. Diese authentischen Gedenkräume sind die Ursache und der zentrale Gegenstand der Intervention.
Die neuen, den Besuchszahlen entsprechenden Serviceeinrichtungen – Museumskasse, Shop und Café im Erdgeschoß, Veranstaltungssaal im ersten Stock – befinden sich außerhalb der authentischen Räume. Lediglich die zusätzliche vertikale Erschließung durch einen Aufzug und eine Fluchttreppe beansprucht Flächen der historischen Nutzung, nämlich die ehemalige Küche
und einen Nebenraum. Die Maßnahmen gehen vom aktuellen Bestand aus und nutzen die räumlich differenzierte Lage der unteren Geschoßebenen, in denen der Besuchsverkehr jedoch erhebliche statische Eingriffe (Pfeilerentfernungen) erforderte.
Rekonstruktionen standen nicht zur Diskussion, insbesondere nicht in den authentischen Freud‐Räumen. Dagegen werden Änderungen – vor 1938 und nachher – aufgezeigt und erläutert.
1938 wurde Österreich an das nationalsozialistische Deutsche Reich angeschlossen; jüdische Menschen wurden von Anfang an bedrängt und deportiert. Freud und seine Familie wurden aus ihrer Mitwelt – von eben dieser – vertrieben. Sein Hab und Gut konnte Freud mitnehmen.
Die Gedenkstätte kann nur auf den leeren authentischen Ort verweisen: Hier war das – hier lebten Freud und seine Familie, hier entstand die Psychoanalyse. Aber es ist nichts mehr da. Es bleibt die räumliche Präsenz, die physische Erfahrung des Ortes, wo das stattfand. Dieser Aspekt kann nur im Haus Berggasse 19 und im Verständnis seiner Räume und ihres Zusammenhangs wahrgenommen werden.
Der andere Museumsinhalt ist die sachliche Information, die wissenschaftliche, historische und biografische Information über die Psychoanalyse und ihre Entstehung, über ihren Schöpfer Sigmund Freud und seine Familie, besonders auch über Anna Freud. Dieser Aspekt ist nicht an das
Freud‐Wohnhaus oder an bestimmte Räume darin gebunden.
Der allgemeine Informationsaspekt und der Örtlichkeitsaspekt werden nicht medial vermischt. Das bedeutet, dass für die nicht den Raum betreffende Information nicht die Raumwände verwendet werden. Das wissenschaftliche Ausstellungsmaterial ist in Vitrinen angeordnet und bildet einen
eigenständigen kuratorischen Zusammenhang. Auf den Raumwänden finden sich ausschließlich die Hinweise zu den Hausräumen und ihrer ehemaligen Nutzung, Einrichtung, ihren Oberflächen (und deren konservatorischrestauratorischen Befunden).
Der Museumsbesuch nimmt den historischen Weg durch das Haustor und Stiegenhaus. In den Ausstellungsräumen ist der Parcours jedoch freigestellt; man kann überall beginnen und sich überall vertiefen. Möglichst früh sollte jedoch eine Orientierung (mental map) entstehen, die eigenständige Rück‐ und Querwege begünstigt. (Text: Architekt:innen)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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