Bauwerk

Oper Kopenhagen
Henning Larsen Architects - Kopenhagen (DK) - 2004

Ein Danaergeschenk?

Streit über den Opern-Neubau in Kopenhagen

24. Oktober 2001 - Marc-Christoph Wagner
Dass die Oper der dänischen Hauptstadt einen Neubau braucht, ist unbestritten. Das seit gut einem Jahr vorliegende Projekt jedoch ist Gegenstand heftiger Kritik. Zu monumental sei es und eine der grössten Fehldispositionen Kopenhagens.

Eigentlich müssten sich die Dänen glücklich schätzen. Nicht nur haben sie ein königliches Schauspielhaus, das seinem Namen alle Ehre macht. Immer wieder betätigt sich Ihre Majestät, Königin Margrethe II., ebenso aktiv wie erfolgreich als Kostüm- und Bühnenbildnerin. Das altehrwürdige Haus am Kongens Nytorv erfreut sich zudem grösster Beliebtheit. Theater-, Opern- und Ballettvorstellungen sind regelmässig ausverkauft. Und weil dies so ist, sind sich alle Beteiligten seit Jahren bewusst, dass es eines neuen Gebäudes bedarf. Damit aber nicht genug. Weil die Einigkeit an diesem Punkt aufhörte, der übliche Streit über die Finanzierung begann und das Projekt in allgemeiner Erstarrung zu enden schien, fasste sich der Milliardär Mærsk Mc-Kinney Møller, ein Freund der Königin, vor gut einem Jahr ein Herz und schenkte seinem Land ein Opernhaus für 1,5 Milliarden Kronen (etwa 300 Millionen Franken). Der dänische Staat müsste lediglich die laufenden Kosten übernehmen, er könnte das eingesparte Geld für die Errichtung eines neuen Schauspielhauses verwenden. Und für das Publikum bestand die Aussicht, bei künftig drei Spielstätten eine Karte zu ergattern. Schliesslich würde der Hafen im Zentrum Kopenhagens endlich diejenigen Gebäude erhalten, die ihm bisher fehlten. Hier nämlich herrscht, was im für Architektur und Design bekannten Dänemark überrascht, gähnende Leere. Wie gesagt: Eigentlich müssten sich die Dänen glücklich schätzen.


Symbolischer Ort

Stattdessen wird gestritten, stehen der Mäzen und die Verfechter des Projekts in der Kritik. Zum einen hat es eine Ausschreibung für den Opern-Neubau nie gegeben. Als privater Bauherr hat sich Mc-Kinney Møller auf den bekannten Architekten Henning Larsen festgelegt, was, obwohl formell legal, gegen das Demokratieverständnis vieler Dänen verstösst und als ebenso elitärer wie selbstherrlicher Habitus empfunden wird. Schwerer jedoch wiegt ein zweiter Punkt. Der Neubau soll auf Holmen, einem alten, teilweise naturgeschützten Dockgelände direkt gegenüber von Schloss Amalienborg, dem Sitz der Königsfamilie, entstehen. Ein Ort von immenser symbolischer Bedeutung: Von der Marmorkirche führt eine Achse durch den achteckigen Königspalast mit dem Reiterstandbild Frederik V. im Zentrum über das Wasser zum geplanten Opernbau. Gott, König, Vaterland - dieser Dreiklang dänischer Identität fand in der Rokoko-Anlage um Schloss Amalienborg seine architektonische Entsprechung. Bereits im Frühjahr warnte die Tageszeitung «Politiken» davor, an diesem empfindlichen Ort ein grosses Gebäude zu errichten.

Der Ruf wurde nicht gehört. 35 000 Quadratmeter, so ein Entwurf, der im Laufe des Sommers bekannt wurde, solle das Gebäude umfassen, eine Höhe von bis zu 50 Metern erreichen. Damit nicht genug. Um die Oper herum solle noch einmal etwa die gleiche Fläche bebaut werden. Drei Wohnblocks mit je sechs Etagen seien geplant, dazu Geschäfte, Restaurants, Parkplätze. Für all dies müsse ein Teil des Hafens aufgeschüttet werden. Ein Sturm der Entrüstung war die Folge. Zu monumental, hielten Kritiker dem Architekten Larsen und seinem Auftraggeber entgegen. Das Geschenk solle durch den Wohn- und Geschäftskomplex - zumindest teilweise - finanziert werden. Vor allem aber sei die Proportion im Verhältnis zu Schloss Amalienborg verfehlt. Der königliche Palast stehe im Schatten des Neubaus. «Oper auf Abwegen», donnerte der Chefredaktor der Fachzeitschrift «Arkitekten», Kim Dirckinck-Holmfeld, und erklärte den Entwurf zu einem Fehler von majestätischer Dimension. Der «Larsen'sche Mastodont» sei eine der grössten Fehldispositionen in der Geschichte Kopenhagens. Noch weiter ging der Architekt Godtfred Louis-Jensen. Er stellte Strafanzeige gegen den Mäzen und initiierte eine Bürgerkampagne unter dem Motto «Rettet den Hafen, versetzt die Oper». Der Plan, so der Tenor, sei ein Angriff auf das kulturelle Erbe Dänemarks. Ein Geschenk, welches an Bedingungen geknüpft sei, hätte die Regierung nicht annehmen dürfen.

Der Bauherr und seine Fürsprecher blieben hart. Der Ort sei geeignet, der Architekt einer der besten, den das Land habe. Man solle die Oper nicht zum Einsturz bringen, bevor sie überhaupt stehe, flehte Kopenhagens Bürgermeister Jens Kramer Mikkelsen. Jeder Bürger habe die Möglichkeit, Einwände bis zum 1. Oktober zu formulieren. Im Anschluss werde über eine Baugenehmigung beraten und entschieden. Der Bauherr selbst stellte fest, die Oper werde wie geplant gebaut - oder gar nicht. Eine Verlegung komme nicht in Frage. Umso überraschender kam Ende August die Mitteilung, dass man anstatt der ursprünglich geplanten 1800 Zuschauerplätze nun mit 20 Prozent weniger operiere. Mit der öffentlichen Kritik an den Bauplänen habe dies allerdings nichts zu tun. Entscheidend sei die Akustik. Ausserdem sollten alle Besucher das Geschehen auf der Bühne problemlos verfolgen können.


Wikinger und «Akademierat»

Unterdessen scheint das Schicksal des Opern-Neubaus offener denn je. Mehrere hundert Beschwerden gegen das Projekt haben die Kopenhagener Kommune bis zum Ablauf der Frist erreicht. Auf dem Baugelände selbst wurden Fischerboote aus der Wikingerzeit gefunden, die von historischem Interesse sind. Andererseits hat der «Akademierat», der die Regierung in architektonischen Angelegenheiten berät, seine Unterstützung - «trotz der Placierung» - signalisiert. Aus der Verwaltung der dänischen Hauptstadt ist zu hören, dass man über alle Fragen zügig entscheiden wolle. Schliesslich hat der Bauherr kürzlich ein neues Modell im Massstab 1:200 präsentiert, in dem der höchste Punkt des Gebäudes nur noch 41 Meter über dem Wasserspiegel liegt. Um dennoch alle notwendigen Funktionen unter einem Dach zu integrieren, wolle man tiefer in die Erde gehen. Von einem endgültigen Entwurf sei man noch entfernt, Details könnten weiterhin verändert werden. An der Eröffnung der neuen Oper am 1. April 2005 halte man jedoch fest. Dass Ihre Majestät dann aus der königlichen Loge eine ihrer eigenen Kreationen betrachten könnte, ist alles andere als undenkbar.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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