Bauwerk

Mustersiedlung 9=12
Adolf Krischanitz, Steidle Architekten, Marcel Meili, Markus Peter Architekten, Hermann Czech, Hans Kollhoff, Heinz Tesar, Diener & Diener Architekten, Peter Märkli, Max Dudler - Wien (A) - 2007

„Architekten brauchen die Herausforderung“

Wohnen

Eine Wiener Mustersiedlung setzt neue Akzente in puncto Qualität. Die Projektentwicklung wird von der Industrie unterstützt. Im Jahr 2004 soll die Hütteldorfer Villenkolonie mit feinsten Betondetails fertig sein.

15. Oktober 2002 - Franziska Leeb
Zwölf Häuser von neun Architekten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich sollen am Wiener Stadtrand bald als Musterbeispiel dafür dienen, zu welch hochqualitativen Ergebnissen die engagierte Zusammenarbeit von Architekten und Bauindustrie führen kann.

Der Architekt Adolf Krischanitz, der in den 80er-Jahren gemeinsam mit Otto Kapfinger die Renovierung der Werkbundsiedlung leitete, initiierte das Projekt gemeinsam mit dem Zementkonzern Lafarge-Perlmooser. Auf dem Grundstück in Hütteldorf am Mauerbach soll eine „Villenkolonie“ entstehen, die sowohl das Bedürfnis nach dem Einzelhaus im Grünen befriedigt als auch in dichter Bauweise städtebaulicher und ökonomischer Vernunft entspricht.

Ein zusätzliches Thema: das Potenzial des Werkstoffs Beton auszuschöpfen, der im Wohnbau meist versteckt und in seinen simpelsten Ausführungen zur Anwendung kommt. Die Projektentwicklung wird von einer Sponsorengruppe aus der (Bau-)Industrie finanziert. Die Bauträger Österreichisches Siedlungswerk und GSG werden die Siedlung bis 2004 realisieren. Um moderne Siedlungskonzepte oder innovative Baumethoden zu forcieren, erwies sich die Errichtung von Mustersiedlungen schon öfter als probates Mittel.

Die Wiener Werkbundsiedlung, errichtet 1930-32 unter der Leitung von Josef Frank, ist hierzulande wohl das bedeutendste Beispiel für eine dichte Packung hochqualitativer Wohnhäuser innerhalb einer städtebaulichen Idee. Nach diesem Meilenstein wird mit „9 - Neues Wohnen in Wien“ ein weiteres - wenn auch im Umfang bescheideneres - Vorzeigeprojekt auf höchstem Qualitätslevel in Angriff genommen. Für das angepeilte Niveau sollten die von Architekt Krischanitz ausgewählten Kollegen stehen.

Hermann Czech, Roger Diener, Max Dudler, Peter Märkli, Marcel Meili und Markus Peter, Hans Kollhoff, Otto Steidle und Heinz Tesar stehen als Garanten dafür, dass die Siedlung kein Experiment im negativen Sinn eines riskanten Unterfangens ist. Experimentell ist der gemeinsame Entwicklungsprozess in Kooperation mit der Industrie. „Architekten brauchen die Herausforderung“, sagt Krischanitz. Er erstellte einen Masterplan, bebaut davon zwei Eckparzellen selbst, die übrigen Parzellen wurden per Los zugewiesen.

Die Herausforderung hat offenbar stimulierend gewirkt. An räumlich und funktionell bestens disponierten Wohnungstypen und feinsten Beispielen in Sachen Betonanwendung mangelt es nicht. Krischanitz wartet zum Beispiel mit fünf vertikalen Funktionsachsen auf, in denen die gesamte Infrastruktur konzentriert ist, während die dazwischen gespannten Wohnflächen frei disponierbar bleiben. Seinen zweiten Bauteil gliedert er in drei Einzelhäuser mit einer außen liegenden Dämmschicht aus Foamglas als Träger eines „Pflanzenkleides“.

Innerhalb von Roger Dieners strengem Baukörper mit gewellter Betonfassade bilden vier jeweils zweigeschoßige Wohnungen mit überhohen Wohnräumen ein komplexes Geflecht. Dudler zelebriert im anthrazitfarbenen Quader mit langen schmalen Fensterschlitzen die Intimität der Privatsphäre.

Märkli schichtet drei Terrassenwohnungen übereinander, wobei der Offenheitsgrad der Zimmer durch Faltwände variabel ist. Herman Czech bringt in seinem Block drei ein- bis dreigeschoßigen Wohnungen mit gemeinsamem Glashaus unter und verzichtet nach außen auf das Manifestieren eines bestimmten Images.

Auch Tesar, Steidle sowie Meili und Peter warten mit mehrgeschoßigen Wohnungen auf. Auf den ersten Blick wie ein retrospektiver Gag wirkt der Beitrag Hans Kollhoffs mit einer repräsentativen Säulenloggia.

Die historisierende Hülle ist durchaus ernst gemeint und soll ein „unmissverständlich städtisches Haus“ ausweisen.

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