Bauwerk

Mustersiedlung 9=12
Adolf Krischanitz, Steidle Architekten, Marcel Meili, Markus Peter Architekten, Hermann Czech, Hans Kollhoff, Heinz Tesar, Diener & Diener Architekten, Peter Märkli, Max Dudler - Wien (A) - 2007

Ganz nackig ist der Beton am schönsten

Adolf Krischanitz organisiert eine Massivbau-Mustersiedlung für Wien

29. September 2001 - Ute Woltron
Neun internationale Architekten wollen am Wienerwald-Rand im 14. Bezirk eine Mustersiedlung errichten, die nicht nur ihren künftigen Bewohnern, sondern vor allem dem hierzulande imagemäßig ein wenig unterkühlten Baustoff Beton huldigt. Beton ist sozusagen verflüssigter, in Form gegossener, wieder hart gewordener Stein, und er kann ein fades, aber auch ungemein aufregendes Architekturmaterial sein. Wenn er präzise verarbeitet wurde, ist er nackt, wie die Schalung ihn schuf, eigentlich am schönsten.

Dass der traditionsreiche Baustoff sich heutzutage viel zu oft von aufgepappten Oberflächen und Fassaden verkleiden lassen muss, schmerzt seine Liebhaber, und die befinden sich natürlich vor allem unter den Architekten. Der Wiener Adolf Krischanitz, dem angesichts seiner meist ordentlich massiven Architekturen ein fast erotisches Verhältnis zu Betonmischern nachgesagt werden darf, hatte deshalb gemeinsam mit den Betonierern von Lafarge-Perlmooser die Idee zu einer architektonischen Beton-Offensive in Form einer Mustersiedlung: Im vergangenen Jahr planten die Architekten Peter Märkli, Marcel Meili & Markus Peter, Roger Diener (alle Schweiz), Hans Kollhoff, Otto Steidle (Deutschland) sowie die österreichischen Kollegen Hermann Czech, Heinz Tesar und Adolf Krischanitz eine solche, fanden in der GSG und dem Österreichischen Siedlungswerk Bauträger sowie aktive Unterstützung aus der Bauindustrie, die sich zu einem Sponsorenkonsortium (Alu König Stahl, doka, Ernstbrunner Kalktechnik, Foamglas, Lafarge-Perlmooser, Oberndorfer, Schiedel, UTA) vereinigt hat. Gruppensprecher Johann Marchner: „Wir sind auf der gemeinsamen Suche nach Innovation, die den Wohnwert und Wohnnutzen hebt.“

Nach Krischanitz' säuberlichem, übersichtlichem Masterplan werden zwölf Mehrfamilien-Wohnhäuser entstehen, eingebettet in eine ansehnliche Menge Grün. Wiens Planungschef Rudolf Schicker steht dem Projekt nicht zuletzt deshalb wohlwollend gegenüber, weil die relativ lockere, das Platzangebot dennoch ökonomisch nutzende Siedlung Vorbild für ein „neues Wohnen in Wien“ sein könnte. Die einzelnen Entwürfe sind höchst unterschiedlich, nicht alle wirklich kreativ, einige jedoch durchaus interessant. Kollhoff stellt eine Art Südstaatenvilla auf die Wiener-Wald-Wiese, Märkli hat sich offenbar De-Stijl-Villen genauer angeschaut, Tesar ist es deklariertermaßen wurscht, wer den Einkauf über das Stiegerl in den zweiten Stock schleppen darf. Kreativ sind hingegen die drei Wohnskulpturen, die Krischanitz aus dem ihm - übrigens via Los - zugeteilten Block sprengt, erfrischend auch der Ansatz von Czech, der die zur Verfügung stehenden betonenen Speichermassen mit einem Wintergarten zum energiesparenden Passivhaus veredelt, und interessant, wie Roger Diener mit verschiedenen Raumhöhen jongliert.

Die Planungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen, die Tugenden des Betons werden weiter erforscht, und im Frühjahr sollen die endgültigen Projekte einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden.

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