Ensemble

Campus WU
Neubauten der Wirtschaftsuniversität Wien
Campus WU, Schaubild: BUSarchitektur & BOA GmbH & Competence Center URBAN MENUS
Campus WU, Plan: BUSarchitektur & BOA GmbH & Competence Center URBAN MENUS

Pritzker und Freunde

Wer soll einen Architekturwettbewerb gewinnen: das beste Projekt oder das beste Büro? – Der Entwurf für die neue Wirtschaftsuniversität in Wien. Ein Wettbewerb als Fahrt in der Achterbahn – mit weicher Landung.

30. Mai 2009 - Christian Kühn
Selten hat die Architekturwelt mit solcher Spannung auf die Präsentation von Wettbewerbsergebnissen gewartet. Das liegt nicht nur am illustren Teilnehmerkreis, zu dem immerhin drei Pritzker-Preisträger und eine Reihe weiterer Architektenstars zählten, sondern auch an der recht turbulenten Entwicklung des Verfahrens selbst. Schon im Mai 2008 hatte BUSarchitektur, also das Team um die aus Argentinien stammende Wiener Architektin Laura Spinadel, den Wettbewerb für den Gesamtplan der neuen Wirtschaftsuniversität (WU) gewonnen. Während die meisten Konkurrenten große, zusammenhängende Strukturen entworfen hatten, plante Spinadel einen locker bebauten Campus mit einer durchlässigen grünen Grenze nach außen und einer geschickt komponierten Abfolge von öffentlichen Plätzen im Innenbereich.

Ins Zentrum der Anlage, deren Länge mit 600 Metern ungefähr der Strecke vom Stephansplatz bis zum Schwedenplatz entspricht, setzte sie das geforderte „Library & Learning Centre“ (LCC), mit einem vorgelagerten, zum grünen Prater hin offenen Platz. Zu beiden Seiten schließen die Institutsgebäude und Sonderbauten wie ein Hörsaalzentrum und – als Auftakt des Areals stadteinwärts – das Gebäude für die „Executive Academy“ an. Unter dem zentralen Straßenraum liegt eine Tiefgarage, die nicht direkt mit den Gebäuden verbunden ist, sondern über Lichthöfe im Straßenraum erschlossen wird. Auch die per PKW Anreisenden betreten die Gebäude der WU daher auf demselben Weg wie die Benutzer der öffentlichen Verkehrsmittel, mit denen das Areal über zwei nahe Stationen der verlängerten U-Bahn-Linie U2 gut erreichbar ist.

Mit diesem Entwurf erhielt BUSarchitektur den Auftrag für die städtebauliche Masterplanung, ein Hörsaalzentrum, die Freiraumplanung sowie die Tiefgarage. Der Masterplan, den das Team als Grundlage für den im Sommer 2008 durchgeführten Wettbewerb für die einzelnen Baufelder entwickelte, bestand aus weit mehr als der Festlegung von Baulinien und Gebäudehöhen. Er enthielt unter anderem eine detailliert entwickelte Freiraumplanung sowie ausführliche Spielregeln für die Architektur, unter anderem darüber, in welchen Zonen mit einem hohen Grad an Standardisierung zu rechnensein würde und an welchen Punkten besondere Akzente gewünscht waren. Da für diesen zweiten Wettbewerb, bei dem Laura Spinadel auch als Juror fungierte, die Teilnahme einer großen Zahl von Architektenstars mit prägnanter Handschrift erwartet wurde, sollten diese Vorgaben ein Auseinanderfallen des Projekts in unzusammenhängende Teilbereiche verhindern helfen.

Wie gut das gelungen ist, ließ sich nach der Jury-Entscheidung im Dezember 2008 bereits ansatzweise beurteilen, als erste Schaubilder und ein Baumassenmodell präsentiert wurden. Im Modell erinnern das LCC von Zaha Hadid, die Institutsgebäude von Carme Pínos, Peter Cook/CRAB und Hitoshi Abe sowie die Executive Academy von NO.MAD Arquitectos aus Madrid und das Hörsaalzentrum von BUSarchitektur ein wenig an eine Gruppe exotischer Riesentiere, die sich friedlich an einem Wasserloch versammelt haben. Wie die Projekte im Detail aussehen und welche Alternativen die Jury verworfen hat, ist erst seit letzter Woche für die Öffentlichkeit zugänglich. Eine von BUSarchitektur mitgestaltete, vorbildliche Ausstellung zeigt im Architekturzentrum Wien neben den Modellen eine vollständige digitale Dokumentation aller eingereichten Arbeiten in allen Bearbeitungsstufen sowie eine große „Evolutionsgeschichte“ des gesamten Verfahrens in Form eines Stammbaums, dessen Blätter von den diversen Preisträgern und Nachrückern gebildet werden.

Eine solche Darstellung ist zum Verständnis des Verfahrens auch dringend notwendig. Denn so logisch der oben geschilderte Ablauf der Projektfindung erscheint, so wenig war er in dieser Form geplant. Der erste, im Mai 2008 entschiedene Wettbewerb war als offener, einstufiger Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Das bedeutet, dass im Prinzip auch ein einziges Büro das gesamte Projekt hätte gewinnen können. Entsprechend umfangreich waren die verlangten Leistungen: eine Planung im Maßstab 1:500 für ein Raumprogramm mit 4500 Positionen und über 100.000 Quadratmeter Fläche sowie ein Entwurf für das architektonische Highlight des Projekts, das LLC, im Maßstab 1:200. Dass ein solches Verfahren besser in zwei Stufen ausgeschrieben werden sollte, war den Auslobern, einem Konsortium aus WU und Bundesimmobiliengesellschaft, zwar klar und auch ursprünglich so vorgesehen, scheiterte aber an einer scheinbar kleinen Verfahrensfrage. Während die WU de facto die Anonymität der Teilnehmer nach der ersten Stufe aufheben wollte, verlangte die Architektenkammer, die Anonymität der Projekte bis zum Schluss zu wahren. Man einigte sich schließlich darauf, alle Leistungen in eine anonyme Stufe zu packen.

Hinter dieser scheinbaren Spitzfindigkeit verbirgt sich eine Grundfrage des Wettbewerbswesens. Soll es, wie vom Vergaberecht für den öffentlichen Sektor vorgesehen, um die Suche nach dem besten Projekt oder um die Suche nach dem besten – also in der Thematik erfahrensten oder renommiertesten – Büro gehen? Im konkreten Fall sollte der hohe Detaillierungsgrad sicherstellen, dass sich nur große Büros beteiligen würden: Immerhin ist der bürointerne Aufwand für einen solchen Wettbewerb jenseits von 50.000 Euro anzusiedeln. Statt der erhofften 80 Büros nahmen aber trotz internationaler Ausschreibung und hoher Auftragssumme nur 23 Büros teil, und die Entwürfe waren alles andere als berauschend. Die Jury, mit Wolf Prix und Dietmar Eberle prominent besetzt, zog die Notbremse, ließ für die besten drei Projekte die Anonymität aufheben und entschied sich mit dem BUSarchitektur-Entwurffür jenes, das einen weiteren Wettbewerb für einzelne Bauteile ermöglichte. Der lief schließlich mit de facto aufgehobener Anonymität und vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren ab, bei dem auch die von der WU gewünschte Prominenz Interesse zeigte. Bei der Auswahl aus 140 Interessenten konnte die Jury aus Pritzker-Preisträgern – Hans Hollein, Zaha Hadid und Thom Mayne – und anderen Freunden wählen.

Dass Hadid das LCC gewann, ist wenig überraschend und spricht im Grunde für den anonymen Wettbewerb. Selten hat man ein so eitel skulpturales Gebäude gesehen, das außer einem hohen „Wow-Faktor“ nichts zu bieten hat. Was Canyons und das penetrante Luxus-Yacht-Motiv im Inneren mit der Aufgabe zu tun haben, ist schleierhaft. Der Werbeeffekt wird sich wohl trotzdem einstellen. Im Alltag hängt der Erfolg der neuen WU aber viel mehr vom Freiraum und der qualitätvollen Umsetzung der kleinteiligen Architektur ab, die dem großen Wurf an dieser Stelle sicher vorzuziehen ist.

[ Die Ausstellung zum Campus der Wirtschaftsuniversität ist noch bis 8. Juni zu sehen. Im Architekturzentrum Wien, Halle F3, Museumsplatz 1. Täglich 10 bis 19 Uhr bei freiem Eintritt. ]

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