Veranstaltung

12. Architektur-Biennale Venedig 2010
Ausstellung
29. August 2010 bis 21. November 2010
Giardini della Biennale, Arsenale
I-30124 Venedig


Veranstalter:in: Biennale di Venezia

Wie Österreich in Venedig die Zukunft verbaut

Und dabei noch nicht einmal in der Gegenwart angekommen ist: Anmerkungen zur „peinlich-retrospektiven“ Austro-Präsenz auf der Architektur-Biennale 2010.

30. August 2010 - Dietmar Steiner
Im Gegensatz zur Biennale der bildenden Kunst in Venedig hat die Biennale der Architektur eine kurze Geschichte. Nach einer Reihe kleinerer Architekturausstellungen in den 1970er-Jahren gab es 1980 einen fulminanten Beginn mit dem von Paolo Portoghesi formulierten Motto: „La presenza del passato“ („Die Gegenwart der Vergangenheit“). Auserwählte Architekten gestalteten in der Corderie dell'Arsenale die sogenannte „Strada Novissima“, individuelle Fassaden einer imaginären Stadt. Dieses Manifest der Postmoderne inthronisierte auch den Begriff des „Star-Architekten“.

Heute, dreißig Jahre später, wird mit der von der japanischen Pritzker-Preisträgerin Kazuyo Sejima kuratierten Architektur-Biennale die Epoche der Star-Architekten des letzten Jahrhunderts ebenso fulminant beendet. Dreißig Jahre lang herrschte grosso modo das Vertrauen, dass es nur einzelner genialer Star-Architekten bedarf, um die Entwicklung der Architektur zu befördern. Der globale Jahrmarkt der architektonischen Spektakel-Industrie erzeugte immer mehr selbstreferenzielle solitäre Objekte, deren Zweck einzig die Demonstration wirtschaftlicher (Mercedes, BMW, Porsche) oder politischer Macht (China, Golfstaaten, Kasachstan ...) war. Es häuften sich weltweit Museen, deren Architekten sogar stolz darauf waren, dass man in ihnen nicht ausstellen konnte. Schwindelerregende Monumente, die im Regelfall das Dreifache der veranschlagten Kosten verursachten. Ignorant wurde jeder Bezug zu einem Ort und zur urbanen Situation als das eigene kreative Ego störend ausgeblendet. Seit rund zehn Jahren aber schwelt unter diesem medial beschleunigten Hype in der internationalen Debatte der Architektur ein zunehmendes Unbehagen. Gegen diese „Top-down“-Strategie entwickelte sich weltweit eine neue „Bottom-up“-Architektur, die mit zum Teil „armen Materialien“ lokale Traditionen und Bezüge wieder aufnahm, sich wieder mit den elementaren Aufgaben der Architektur, mit Stimmungen, Atmosphären, Empfindungen experimentell und neugierig auseinandersetzte. Aber auch die Wiederverwendung und Umnutzung des Vorhandenen, die Zusammenarbeit mit der betroffenen Bevölkerung, die soziale und ökologische Verantwortung der Architektur rückte in den Vordergrund. Mag sein, dass diese Architektur arm, bescheiden, gebastelt, spontan und ja, sogar schmutzig ist. Dafür ist sie wieder in der Welt angekommen, am konkreten Ort, ist wieder ein „Lebensmittel“ geworden.

Genau dieser Entwicklung hat nun Sejima erstmals in Venedig Raum gegeben. Und ein großes Durchatmen war an den Eröffnungstagen der Architektur-Biennale in der Corderie zu verspüren. Ein Paradigmenwechsel der Weltarchitektur ist damit verkündet. Und überraschenderweise dokumentiert sich dieser erfrischend neue Geist auch in vielen Länderbeiträgen und wurde mit der Verleihung der Preise durch die Jury zusätzlich bestätigt (vgl. S. 15). Selbst Star-Architekt Rem Koolhaas hat diese Entwicklung erkannt und präsentiert in Venedig eine intelligent-kritische Auseinandersetzung mit dem Denkmalschutz.

Die einzige Ausnahme bildet hier der diesjährige Österreich-Beitrag, der genüsslich den alten Zeiten des Ego-Kitsches huldigt. Unsere Kulturministerin glaubte sich höchst global liberal, indem sie persönlich einen Architekten aus Los Angeles zum Kommissär ernannte, einen Blick von außen auf Österreich erwartend. Dieser, Eric Owen Moss, hat, no na, nun auch für Österreich festgestellt, was ohnehin seit Jahrzehnten weltweit selbstverständliche Praxis ist: dass ausländische Architekten in einem Gastland aktiv sind und umgekehrt. Wenn man dazu noch die Achse vom Southern California Institute of Architecture, wo Moss Direktor ist, zum Wiener Stubenring kennt, wurden alle Erwartungen erfüllt.

Bekommen hat unsere Kulturministerin folgerichtig vorhersehbar eine provinziell peinliche Retrospektive gestriger Architektur, bei der selbst die auserwählten Architekten und Architektinnen bloß zur Illustration einer egomanisch brutal-banalen Installation missbraucht wurden. Dass dafür auch noch das dreifache Budget vorhergehender Österreich-Beiträge verbrannt wurde, ist diesem alten System immanent. - Man kann den Beitrag aber auch hintergründiger und positiver interpretieren: Österreich bietet heuer großzügig ein konzentriertes Archiv der vergangenen Architektur-Biennalen in Venedig: „La presenza del passato“.
[ Dietmar Steiner, Jg. 1951, ist Leiter des Architekturzentrums Wien. ]

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