Veranstaltung

Moderat Modern
Ausstellung
20. Oktober 2005 bis 29. Januar 2006
Wien Museum Karlsplatz
A-1040 Wien


Veranstalter:in: Wien Museum
Eröffnung: Mittwoch, 19. Oktober 2005, 18:30 Uhr

Konforme Eleganz

Der Architekt Erich Boltenstern in Wien

4. Januar 2006 - Paul Jandl
Er war ein Herr aus Wien, und in Wien ist er auch geblieben. Erich Boltenstern hat in der Nachkriegszeit das Erscheinungsbild der Stadt geprägt wie kein anderer. Eine internationale Karriere ist dem 1896 geborenen Konformisten der Eleganz versagt geblieben, denn er war «moderat modern». So heisst jetzt auch eine grosse Ausstellung über den Architekten im Wien Museum. Erich Boltensterns Name ist kein Synonym für Revolutionäres. Seine soliden Zweckbauten aber spiegeln das Selbstverständnis einer Republik, die zu halbherzig den Traditionen misstraut, um sich schon für die Zukunft zu entscheiden.

Dass die österreichische Architektur der unmittelbaren Nachkriegszeit beim rasanten Wiederaufbau des Landes nur ganz wenige bedeutende Zeichen hinterlassen hat, ist ein Paradox der Umstände. Die wichtigsten Vertreter der österreichischen Moderne waren emigriert oder bereits tot. Und auch ökonomisch musste man sich nach der Decke strecken. Der Ökonomie der Mittel folgte eine Formensprache stilvoller Umstandslosigkeit, die noch bei den ehrgeizigsten Projekten das letzte Wort hatte. Erich Boltensterns Ringturm, das erste wirkliche Hochhaus Wiens aus dem Jahr 1955, ist das, was aus einer amerikanischen Idee werden kann, wenn sie ins Österreich am Rande des Eisernen Vorhangs kommt: das Zitat eines Aufbruchs, nicht viel mehr. Im Stahlbetonskelett und durch bieder gerasterte Fenster ist der Überschwang geometrisch gebändigt. Kein Wunder - der Büroturm gehört einer Versicherung.

Das kühnste Werk Erich Boltensterns ist schon vor dem Krieg entstanden. Über der Stadt, auf dem Kahlenberg, baut der Architekt 1936 ein Restaurant, das zuvor schon Gegenstand mehrerer Wettbewerbe gewesen ist. Utopisches von wesentlich Moderneren wie Ernst A. Plischke oder Rudolf Perco kam im Gegensatz zu Boltensterns Entwurf nicht zum Zug. Das entspannte und anders als spätere Arbeiten mit einem gewissen Willen zur Modernität an den Hang gestellte Grossrestaurant überzeugt bis ins Detail.

Nach dem Krieg hat sich Österreich im Wiederaufbau auch symbolisch rekonstruiert. Erich Boltenstern, der Vielbeschäftigte, hat dabei an vorderster Front mitgearbeitet. Entlang der Wiener Ringstrasse entstanden unter seiner Planung zahlreiche Bürohäuser. Die Wiederherstellung der Wiener Staatsoper, die im Krieg schwer beschädigt worden war, zählt zu Boltensterns Renommierprojekten. Der Zuschauerraum aus dem Jahr 1955 und die Foyers nehmen der patinierten Ambiance der Hochkultur nichts und müssen sich dabei nicht einmal allzu sehr kompromittieren. Auf die Zwischentöne der Anpassung hat sich diese Art des Bauens vorzüglich verstanden.

Das architektonische Werk von Erich Boltenstern ist im Wiener Stadtbild noch heute omnipräsent. Es ist ein architektonischer Alltagsanzug, durch dessen im Laufe der Zeit schäbig gewordenes Material da und dort schon wieder die Qualität schimmert. Das Wien Museum zeigt den Wiener Architekten in einer subtilen Ausstellung. Es macht sein Werk nicht besser, als es ist, und schlägt mit der Menge des Materials den Bogen in eine Epoche, die man nicht allein den Nostalgikern überlassen will. Die Schau zu Erich Boltenstern ist kritisch im Detail und dabei, was die fünfziger Jahre betrifft, atmosphärisch umfassend. Der Nierentisch war ein Luxus der Form und nicht des Gedankens.

[ Bis 29. Januar im Wien-Museum in Wien. Katalog: Moderat modern. Erich Boltenstern und die Baukultur nach 1945. Hrsg. Judith Eiblmayr und Iris Meder. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2005. 248 S., Euro 29.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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