Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 08|2007
Alltagswege
db deutsche bauzeitung 08|2007, Foto: Giorgio von Arb

Intervention erwünscht

Parks in Zürich Neu-Oerlikon

Für Menschen, die an zeitgenössischer Landschaftsarchitektur interessiert sind, gilt der Norden Zürichs nachgerade als
Mekka. Wo einst Schlote rauchten und Unbefugten der Zutritt verwehrt war, sind vier große Grünflächen entstanden, um die herum sich der neue Stadtteil gruppiert.

31. Juli 2007 - Hubertus Adam
Anfang Juni ist es auch in Zürich manchmal trübe und regnerisch. Ein Wetter, bei dem Neu-Oerlikon auch heute noch etwas trostlos wirkt – ähnlich wie vor einigen Jahren, als zwischen den Parks (MFO-Park, Louis-Häfliger-Park, Wahlenpark, Oerlikerpark) und den ersten fertigstellten Wohn- und Geschäftsblöcken noch große Lücken klafften. Mit dem Gebäude »Accu« vom Büro Voelki Partner wurde 2006 aber ein wichtiger Schlussstein gesetzt, der den Wahlenpark seither vom Oerlikerpark abgrenzt. Als hier nur ein Bauzaun stand, schienen die Freiflächen endlos; inzwischen wirkt das neue Stadtviertel zwar großformatig, aber nicht mehr maßstabslos.
An diesem ersten Junisamstag bevölkern auffallend viele Menschen den Oerlikerpark. An verschiedenen Stellen stehen sie unter Zelten und diskutieren, manche trotzen dem Wetter, die Kinder erfreuen sich an Ziegen, Schafen, Gänsen und Ponys, die sich in einem Gehege streicheln lassen. Unter dem Motto »Neu-OerlikonerInnen schließen die Park-Lücke!« haben »Grün Stadt Zürich« und die Quartierwerkstatt »Wohnen und Leben in Neu-Oerlikon« – ein Zusammenschluss von Quartierinitiativen und der Reformierten Kirchgemeinde – zu einem Aktionstag eingeladen. Es geht um die »Interventionszone« im Oerlikerpark – einen lang gestreckten Bereich, der von den Planern bewusst nicht detailliert geplant wurde, um auf die Bedürfnisse der Bewohner reagieren zu können. In Workshops wurden verschiedene Szenarien zur Veränderung erarbeitet, die nun zur Diskussion stehen.

Oerlikerpark
Der Oerlikerpark, vom Büro Haerle Hubacher Architekten und den Landschaftsarchitekten Zulauf und Partner geplant, bildet die eigentliche Mitte von Neu-Oerlikon. Er besteht aus großen Rasen- und Kiesflächen, dazu kommen Holzroste. Zusammengefasst werden die verschiedenen Teile des Parks durch im Abstand von 4 mal 4 Metern gepflanzten Bäumen – Eschen vor allem, aber auch Kirschen, Birken und Blauglockenbäume. Vertikale Akzente setzen ein roter Pavillon – sowie ein 35 Meter hoher Turm, den man besteigen kann. Als eine Mischung aus Fischreuse und Aussichtsturm erinnert er an die Hochkamine, die einst die »verbotene Stadt« im Norden Zürichs prägten. Dem Planerteam war es wichtig, gerade hier, am tiefsten Punkt des von Hügeln eingefassten und durch einen Bergsattel von der Kernstadt getrennten Stadtteils Oerlikon, den Ausblick zu ermöglichen. Und man ist in der Tat dem Himmel näher, wenn man die mehr als 200 Stufen emporgestiegen ist – vor allem in der Zukunft, wenn die Kronen der Bäume zu einem Blätterdach zusammengewachsen sein werden.
Wie Christoph Haerle im Gespräch erklärt, mussten aus Kostengründen junge Bäume gepflanzt werden, die in den ersten Jahren eben noch etwas »spillerig« wirken. Durch den engen Pflanzraster schießen diese schnell in die Höhe und werden dann in zwei Etappen ausgelichtet, so dass die regelmäßige Struktur am Ende verschwindet und das Blätterdach von Lichtungen durchsetzt sein wird.

MFO-Park
Ganz in der Nähe des Bahnhofs liegt der MFO-Park. Ein beranktes und begehbares Gerüst aus Stahl: 100 Meter lang, 35 Meter breit, 17 Meter hoch. 1100 Kletterpflanzen wie Knöterich, Clematis und Glyzinien verwandeln die von Burckhardt Partner gemeinsam mit Raderschall Landschaftsarchitekten konzipierte Struktur des Sommers in eine gigantische Pflanzenhalle, deren Proportionen der hier einst stehenden Fabrikhalle der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) ähneln. Über Treppen gelangt man im Gerüst von Ebene zu Ebene bis hinauf zum holzbeplankten Sonnendeck. Immer wieder laden Sitz- und Liegemöbel zur Ruhepause ein – ein Angebot, das gerne wahrgenommen wird.

Louis-Häfliger-Park und Gustav-Ammann-Park
Im Westen des Quartiers liegt neben der Wohnsiedlung Regina-Kägi-Hof der Louis-Häfliger-Park (Kuhn & Truninger Landschaftsarchitekten). Er setzt sich aus zwei Streifen – einer Rasenfläche mit pyramidenförmigen Hügeln und einem mit Bäumen akzentuierten Asphaltplatz – zusammen. Ein dritter, mit Spielgeräten besetzter Streifen trennt die beiden voneinander. Zur Straße schließt der Park mit einem gekiesten Feld, das mit niedrigen Büschen bepflanzt ist, ab.
Unmittelbar in der Nachbarschaft, wiewohl etwas versteckt, befindet sich mit dem Gustav-Ammann-Park die einzige historische Grünanlage. Der berühmte Schweizer Landschaftsarchitekt evozierte im einstigen Wohlfahrtsgarten der Bühle AG mit Pergolen, Treppen und Plattenwegen am Rande von Zürich ganz im Geist der Zeit die romantische Vorstellung einer Tessiner Landschaft.

Wahlenpark
Heutigen Landschaftsarchitekten geht es weniger um lauschige Rückzugsorte und um die Inszenierung des Idylls, Ausgangspunkt sind zumeist geometrische Konzepte, welche die Künstlichkeit der Landschaft zum Thema haben. Das zeigt sich an den beiden größten Parks des Quartiers, dem Wahlenpark und dem Oerlikerpark. Der Wahlenpark (Dipol Landschaftsarchitekten und Christoph T. Hunziker) besteht aus einer langen Rasenfläche, an deren einem Ende sich ein Wasserbecken sowie ein aufgeständertes Schattendach erhebt. Zum anderen Ende wird die spielfeldartige Fläche von einem großen Ballfanggitter begrenzt. Ein nachts beleuchteter Sitzbalken aus blauen Glasbausteinen und Beton fasst die gesamte Ostseite ein, während sich auf der Westseite ein ebenfalls streifenähnliches Wäldchen mit Blutbuchen und Spielgeräten anschließt.

Parkinterventionen
Die Tatsache, dass eine Gartenanlage Zeit benötigt, ist offenkundig schwer zu vermitteln. Von Anfang an konzentrierte sich die Kritik von Bewohnern und Besuchern auf den Oerlikerpark, der, 2001, auch als erste der neuen Anlagen fertiggestellt war und durch seine zentrale Lage die größte Aufmerksamkeit genießt. Von einem »Reißbrett-Park« ist häufig die Rede, wenn man mit den Passanten spricht, steril und langweilig lauten einige der verwendeten Adjektive.
Mit der Interventionszone hatte das Planerteam von Anfang an für einen Teilbereich des Parks eine Partizipationsmöglichkeit vorgesehen. Denn als man mit dem Entwurf begann, war alles andere als klar, wer in die umliegenden Häuser einmal einziehen würde.
Anfang Juni war es also so weit: Die Bevölkerung wurde aufgerufen, Ideen für die Gestaltung der Interventionszone vorzubringen. Und in diesen Ideen äußerte sich natürlich auch die Kritik gegenüber dem Bestehenden. Zwei ernsthafte Probleme betreffen dabei nicht die Gestaltung der Parks selbst: Bemängelt wurde zum einen der vergleichsweise starke Verkehr auf der Birchstraße, die den Park in zwei Hälften zerschneidet, zum anderen das Fehlen von Restaurationsmöglichkeiten. Denn der von einer Quartierinitiative ehrenamtlich betriebene Cafékiosk im roten Pavillon, dessen Verglasung ebenfalls zu den Forderungen zählte, öffnet nur an Sonntagen und das auch nur im Sommer, die benachbarten, auch für die Allgemeinheit zugänglichen Betriebskantinen haben ebenfalls stark eingeschränkte Öffnungszeiten und wirken nur bedingt einladend.
Artikuliert wurden darüber hinaus die Wünsche nach mehr Schattenplätzen und Spielgeräten, nach weiteren Tischtennisplatten und einer Bocciabahn. Jugendliche fänden Gefallen an einem Skaterpark, an Trampolinen oder an einem Schwimmbassin auf dem Turm. Und den Streichelzoo könne man sich auch als dauerhafte Einrichtung vorstellen.
Ohne Zweifel: Der Aktionstag diente nicht nur dazu, Unmut artikulieren zu können, sondern vermittelte auch das Gefühl, etwas bewirken zu können. Letztlich bezwecken die Organisatoren, die Fantasie der Bewohner anzuregen, denn am Ende ist die bewusste Aneignung des Parks für die Nutzung entscheidend. So waren auch im Vorfeld schon einige Aktionen gestartet worden: etwa gemeinsames Laptop-Arbeiten von Angestellten umliegender Firmen im Pavillon oder ein Wettlauf auf den Turm. Als der Stadtrat und Vorsteher des für Grünflächen zuständigen Tiefbaudepartements, Martin Waser, am Nachmittag des 2. Junis die Liste mit den in den Workshops erarbeiteten Vorschlägen überreicht bekam, war sogar das trübe Wetter den Sonnenstrahlen gewichen. Im Herbst will die Stadt, die aus den Wünschen herausdestillierten Szenarien für den Interventionsbereich vorstellen. Alles sei möglich, heißt es, solange es sich in den Park einfügt, robust gebaut ist und den Kostenrahmen von 250.000 Franken nicht sprengt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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