Zeitschrift

TEC21 2009|01-02
Nach dem Knall
TEC21 2009|01-02
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Unterschätzte Gefahr

Die Gesellschaft erfreut sich im Allgemeinen an Feuerwerken. Sie werden darum in zunehmender Zahl abgefeuert. Die sicherheitstechnischen Aspekte der Lagerung sind jedoch ein heikles Thema, da verschiedene Interessen bezüglich des Umgangs damit aufeinanderstossen. Ein Gefahrenpotenzial wird allgemein unterschätzt: das manuelle Löschen von brennendem Feuerwerkgut in Lagern. Bauliche und betriebliche Konzepte, die früh einen Brand löschen, können eine heftige Explosion verhindern.

15. Januar 2009
Für die Herstellung, Einfuhr und Lagerung von Feuerwerk (pyrotechnische Gegenstände[1]) gelten in der Schweiz das Sprengstoffgesetz[2] und die Sprengstoffverordnung[3]. Die Bewilligungen für den Detailhandel werden durch die Kantone ausgestellt. Die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) gibt Brandschutznormen und -richtlinien heraus, die allgemein die Anforderungen an die Lagerung von und den Umgang mit gefährlichen Stoffen regeln.[4]

Der Umgang mit diesen Vorschriften in der Praxis wirft aber Fragen auf und offenbart, dass der Brandfall in einem Lager nicht vollständig geklärt ist. Insbesondere da sich Fachleute mehrheitlich nur mit dem Brandverhalten auseinandersetzen, nicht aber mit dem Brandverhalten bei gleichzeitigen Löschversuchen. Darin besteht ein unterschätztes Gefahrenpotenzial. Die Wahrscheinlichkeit eines Brandes ist zwar eher klein, doch wenn es brennt und falsch gelöscht wird, kann es zu Personenschaden und Gebäudezerstörungen kommen.

Knallgasexplosion infolge falschen Löschverhaltens

Pyrotechnische Stoffe können nicht oder nur schlecht gelöscht werden, denn sie enthalten genug eigenen Sauerstoff und sind nicht auf denjenigen der Luft angewiesen. Ein «Vulkan» würde auch unter Wasser oder in einer anderen sauerstofffreien Atmosphäre brennen. Zudem entstehen Temperaturen von 2000 °C und höher (Metallbrand). Kommt bei einem Löschversuch Wasser in Berührung mit diesem Metallbrand, wird es in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Diese Gasmischung wird Knallgas genannt. Zündet das Knallgas, findet eine heftige Reaktion statt, die in der Literatur[5] wie folgt beschrieben wird: «Bei der Elementarreaktion wird Energie frei. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt dadurch stark zu, bis sie sich zur Knallgasexplosion steigert. Der plötzlich gebildete Wasserdampf breitet sich schlagartig aus, nimmt bei der Verbrennungstemperatur ein viel grösseres Volumen ein als die Ausgangsstoffe Wasserstoff und Sauerstoff und erzeugt dadurch einen Knall.» Passiert diese Knallgasexplosion im Freien, ist sie unter Umständen heftig und kann zum Beispiel zu Verbrennungen und durch Splitterwurf zu Augenverletzungen führen. Die Reaktion kühlt jedoch schnell ab und bleibt lokal. In einem geschlossenen Raum hingegen, in dem infolge der Vorbrennzeit eine Temperatur von 1000 °C und höher vorliegt, wird die Knallgasreaktion nicht abgekühlt, sondern weitet sich auf den gesamten Raum aus. Dadurch entsteht ein sehr hoher Druck, vergleichbar mit einer Detonation von Sprengstoff. Die Explosion ist gefährlich und verursacht mit grosser Wahrscheinlichkeit Gebäude- und Personenschäden.

Gefahr abwenden

Je länger es dauert, bis ein Löschversuch nach Brandbeginn unternommen wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine solche heftige Reaktion stattfindet. Mit dem Bau eines Lagers im Wald oder mit der Nutzung einer alten Armeeanlage fern von bewohnten Gebieten ist das unterschätzte Gefahrenpotenzial also nicht behoben – höchstens aus Sicht der Störfallverordnung konnte so eine optimale Lösung gefunden werden. Feuerwehrleute, die aber in einem solchen Fall erst 30 Minuten nach Brandbeginn löschen können, setzen sich unweigerlich einer hohen Gefahr aus. Es müssen vielmehr bauliche und betriebliche Konzepte geplant werden, die schwerwiegende Ereignisse verhindern, indem sie einen Brand rasch erkennen und eine Löschaktion schnell auslösen. Löschanlagen, wie Inergen oder Wasserhochdruck, die bereits wenige Sekunden nach Brandbeginn einsetzen, verhindern hohe Temperaturen und damit die Knallgasexplosion. Die schon brennende Rakete oder der brennende Vulkan können zwar nicht gelöscht, doch die Brandausbreitung über das Verpackungsmaterial kann rasch eingedämmt werden.

Mit solchen Anlagen würden ausserdem Mitarbeiter der Verkaufsstände, Lagerchefs usw. nicht grossen Gefahren ausgesetzt, indem sie Brände selbst zu löschen versuchen. In den Brandschutzrichtlinien wird vorgeschrieben, dass bei Zugängen zu Lagerräumen geeignete, den Verhältnissen angepasste Löscheinrichtungen installiert werden müssen (zum Beispiel Wasserlöschposten oder Handfeuerlöscher), eine gesetzliche Vorschrift, die verheerende Folgen haben kann. Das Verkaufspersonal müsste vielmehr bezüglich der möglichen Gefahren informiert und darin geschult werden, wie ein Brand verhindert wird und wie es sich in einem Brandfall richtig verhalten muss. Dies ist zum Beispiel in Deutschland bereits seit Längerem obligatorisch.[6]


Anmerkungen:
[1] Pyrotechnische Gegenstände sind gebrauchsfertige Erzeugnisse, die mindestens einen Zünd- oder Explosivsatz enthalten. Es wird unterschieden zwischen pyrotechnischen Gegenständen zu gewerblichen Zwecken (Kategorien G1 bis G3) und pyrotechnischen Gegenständen zu Vergnügungszwecken (Kategorien I bis IV). Als Feuerwerk im Sinne dieser Bestimmungen gelten pyrotechnische Gegenstände zu Vergnügungszwecken der Kategorien I bis IV
[2] Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoff e vom 25. März 1977 (Stand 13. Juni 2006)
[3] Verordnung vom 27. November 2000 über explosionsgefährliche Stoff e (Sprengstoff verordnung, SprstV)
[4] Brandschutzrichtlinie der VKF «Gefährliche Stoff e / 27-03d»
[5] Roth Weller: Chemie-Brände. ISBN 3-609-6770-5
[6] Das Sicherheitsinstitut der Schweiz fängt damit an: siehe www.swissi.ch, Ausbildungsprogramm 2009, Kurs «Umgang mit Pyrotechnik»

[Felix Gsell, Schweizerisches Institut zur Förderung der Sicherheit (Swissi)]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

Tools: